Unser Brexit – Alles weg

[Maus] Das Haus ist leer. Die Schlüssel sind abgegeben und ein Kapitel wird abgeschlossen. Unsere Abenteuer in Coventry sind zu Ende und nun beginnen unsere Abenteuer in München.

Für mich waren die letzten Tage noch einmal richtig anstrengend. Von Schlaflosigkeit und Sorge, dass alles klappt, geplagt, beginnt der Dienstag für mich in einem halb zusammengepackten Haus. Man kommt kaum irgendwo lang und das Päckchenraten wird immer schwieriger. Die Drei sind sehr optimistisch und meinen, um 12 Uhr wären sie mit allem fertig, aber ich zweifle das an und soll Recht behalten. Zweieinhalb Stunden später werden sie erst fertig. Je länger es dauert, desto hektischer wird verpackt. Ich finde immer wieder Dinge, die noch vergessen wurden und so wird eine Kiste nach der anderen mit nur wenigen Dingen und Bergen von Papier gefüllt. Auch jedes Paar Schuhe wird ordentlich in Packpapier gewickelt. Die gehen beim Transport sicher nicht kaputt.

Ich werde insgesamt auch häufiger gebraucht. 165 Pakete kommen nun ins Lager. Nicht alles wird zu meiner Zufriedenheit erledigt, und als ich unter den strengen Augen der Packer eine Bewertung abgeben soll, bin ich einfach nur noch überfordert. Ich schreibe Zahlen in die Kästchen, ohne Zeit zu haben, darüber nachzudenken. Unsere Pflanzen nehme ich mit zur Arbeit – die hätten den langen Transport nicht überlebt.

Der Mittwoch verläuft dann schon fast wieder normal. Ich gehe zur Arbeit, versuche dort alles ordentlich abzuwickeln, höre von jedem meiner Kollegen zum zwanzigsten Mal, dass ich nicht gehen soll und fahre anschließend zum Haus zurück. Dort treffe ich ein letztes Mal Mary, um ihr die Schlüssel zu geben. Und dann ist es soweit – Abschied von unserem Häuschen. Alle fleißigen Skyper werden vermutlich unsere schönen Vorhänge im Hintergrund vermissen.

Zum Einstimmen auf die neue Heimat verabrede ich mich noch mit Freunden zum Oktoberfest in Coventry. Ich hab ja keine Ahnung, was ich vom Münchner Oktoberfest zu erwarten habe, aber in Coventry habe ich ein kühles Bier, eine ordentliche Brezel und echte Blasmusik bekommen. Das alles in einem Bierzelt, ausgestattet mit Bierzeltgarnituren und blau-weißen Tischdecken.

Oktoberfest

Donnerstag ist dann mein letzter Arbeitstag. Ich bin ein wenig wehmütig, denn die Leute in meiner Firma sind mir doch sehr ans Herz gewachsen. Meine beiden Chefs laden alle zu einem Abendessen ein und Micha lernt noch kurz vor Schluss alle kennen. Es wird ein schöner, lustiger und zugleich trauriger Abend für mich, aber ich freue mich auch auf das was kommt.

Mein Kollege Ed fährt uns noch zu unseren Nachbarn, Martin und Sue, die sich auch noch von uns verabschieden wollen. Es ist Mitternacht, als wir im Hotel die Lichter ausmachen und meine hoffentlich letzte schlaflose Nacht endet um sieben Uhr.

Bei strahlendem Sonnenschein verabschieden wir uns von der Insel und fliegen gen Süden. Unsere Übergangswohnung liegt nur fünf Minuten zu Fuß vom Isartor entfernt und ist mit allem Schnick und Schnack ausgestattet. Wir schauen uns ein wenig in der Innenstadt um, genießen bei 31°C ein erfrischendes Weißbier und werden heute Abend hundemüde ins Bett fallen.

Unser Brexit – Alles weg

Unser Brexit – Einpacken

[Maus] Es war eine unruhige Nacht. Und kurz. Um sieben Uhr klingelt endlich mein Wecker und ich habe, dank Clubzimmer, eine Kaffeemaschine, die es mir erlaubt, zu „frühstücken“.

Kurz nach acht komme ich am Haus an und warte. Das kann ich inzwischen prima, denn die vergangen Monate bestanden aus sehr viel davon. Einen Anruf von der Umzugsfirma später, und ich weiß, dass ich bis mindestens zehn warten muss. Als sie dann ankommen, führe ich die drei jungen Männer durchs Haus. Soweit so gut. Der Teppich bekommt einen Überzug und das Verpackungsmaterial wird ins Haus geschafft. Die Kommunikation ist schwierig, da die Drei nicht so gut Englisch sprechen. Einer sagt mir in seinen paar Brocken Englisch, dass er erst seit zwei Monaten in London lebt.

Es ist Mittag und ein junger Mann klopft an die Tür. Er stellt sich als Handyman vor und fragt nach dem Schrank, den er auseinandernehmen soll. Außerdem ruft das Londoner Büro bei mir an und fragt, ob die Drei sich angemessen vorgestellt haben und alles in Ordnung ist. Der einzige der drei Packer, der halbwegs gut Englisch spricht, macht sich auf den Weg, um Hotelzimmer zu buchen. Die anderen beiden bleiben, um weiter zu packen.

Bei einem kurzen Rundgang durchs Haus stelle ich fest, dass alles in Papier verpackt wurde. Sogar die Regale haben eine braune Papierverpackung bekommen. So gut war das nicht eingepackt als wir nach England gezogen sind und wenn man den Wert der Gegenstände kennt, ist es nochmal so lustig sie so gut verpackt zu sehen.

Es rummst und poltert den ganzen Tag im Haus, doch ich versuche das zu ignorieren. Stattdessen trainiere ich mal wieder Warten. Als es auf halb sechs zu geht, verabschieden sich die Drei von mir und wollen morgen um 9 Uhr wieder da sein. Ich besichtige noch einmal den Fortschritt im Haus und stelle fest, dass noch einige Möbel nicht in braunes Packpapier gewickelt wurden. Aber schon jetzt sieht es im Haus aus als hätten Christo und Jeanne-Claude hier gewütet. Ich versuche zu erraten, was wohl in den größeren Päckchen steckt.

Irgendwie ist es ganz nett, dass uns alles eingepackt wird. Mir zuckt es allerdings schon in den Fingern und ich würde viel lieber mit anpacken. Nicht zuviel, nur solang ich Lust dazu habe. Mein Highlight des Tages: „Madame, can I use your toilet?“. Braucht keine Übersetzung, oder?

 

Unser Brexit – Einpacken

Unser Brexit – es geht los

[Maus] This is the end. Hold your breath and count to ten…

Es geht los. Unser ganz persönlicher Brexit liegt vor uns.

Das Referendum hat damit allerdings nichts zu tun. Unser schon lange gehegter Plan, nach Deutschland zurückzukehren, wurde durch den Job, den ich hier in meiner ersten Woche nach Ende meines Uni-Vertrages gefunden hatte, aufgeschoben. Und eine Weile lang haben wir tatsächlich in Erwägung gezogen, in England zu bleiben.

Aber Großbritannien ist nun mal nicht Deutschland, und das alltägliche Chaos, mit dem wir es hier häufiger zu tun hatten, hat einen Großteil zu unserer Entscheidung beigetragen. Wir haben eine Pro- und Kontaliste, auf der Gr0ßbritannien gar nicht so schlecht abschneidet; aber eben nicht so gut wie Deutschland.

Viel ist bis zum heutigen Tag passiert, und wenig ist davon nach außen gedrungen. So viel kann ich sagen – es war nervenaufreibend. Für mich vor allem, weil ich mich nicht explizit gegen etwas entschieden habe, sondern nur für etwas. Deutschland ist in vielerlei Hinsicht progressiver, und ich, für meinen Teil, mag das sehr. Wir recyclen besser, nutzen den öffentlichen Nahverkehr häufiger, isolieren unsere Häuser bis zur Energieklasse A, unsere Geräte verbrauchen möglichst wenig Strom, reparieren Sachen richtig oder entsorgen sie, wenn sie irreparabel werden, wir essen und leben gesünder und bestehen weniger auf Traditionen. Kurzum, wir sind grüner. In Zeiten des Klimawandels finde ich das wichtig.

Trotzdem werde ich meine Kollegen vermissen, und obwohl ich mich freue, mit Micha ein neues Kapitel aufzuschlagen, bin ich doch ein wenig wehmütig. Sei’s drum – die Taschen sind nun gepackt, und heute sind wir in ein Hotel in Coventry umgezogen. Wir haben die notwendigsten Dinge dabei (Outfits für zwei Hochzeitsfeiern, Wandersachen, allen technischen Schnickschnack usw.). Montag morgen geht es zurück zur Wohnung, um den Packern beim Packen zuzuschauen. Eine Firma wird unser Hab und Gut einpacken, einen Teil davon per Flugcontainer nach München fliegen und den großen Rest einlagern, bis wir eine Wohnung in München gefunden haben.

Gestern haben wir noch schnell unseren Skoda Fabia verkauft. Das war noch mal besonders aufregend, denn der Verkäufer hatte am Wochenende keine Zeit, das Auto abzuholen. Also entschieden wir uns, es stattdessen hinzufahren. Nun stellte sich aber heraus, dass dieser Autohändler nicht in der Nähe von Coventry ist, sondern eine gute Stunde entfernt von uns. Mit den öffentlichen Transportmitteln wieder zurückzuwollen ist hier in England, gelinde ausgedrückt, keine Freude. Nicht umsonst besitzt hier jede Familie genug Autos für alle Volljährigen. Also wurde kurzerhand ein Auto gemietet – natürlich nicht um die Ecke, die machen ja am Wochenende zu früh zu, sondern am Flughafen. Zu jenem ist Micha also per Bus gefahren, hat dort ein Auto gemietet (für £14/Tag) und ist zum Autohändler gefahren, während ich mit dem Skoda direkt dorthin gefahren bin. Hat alles reibungslos geklappt. Puh.

Heute war dann Geräteabstöpsel- und -einpackmarathon, Essen aufessen, Koffer packen, Dinge für den Luftcontainer markieren und Wegschmeißen an der Reihe. Als alles fertig war, sind wir ins Hotel gezogen, sind direkt zum Pool gegangen und haben uns erstmal entspannt.

Mal sehen, wie es weitergeht …

Unser Brexit – es geht los