Bei Ritters zu Haus

[Maus] Wir leben schon längere Zeit am Rande des Warwickshire, aber ein Ausflug zum berühmten Warwick Castle stand immer noch an. Es bot sich die Gelegenheit für einen solchen Ausflug, als wir Besuch aus der Heimat bekamen.

Wirft man einen Blick auf die Website des Warwick Castle, fällt einem sogleich ins Auge, dass eine gewisse Ähnlichkeit zu einer bestimmten Sorte Attraktion besteht – die Website schreit einem entgegen: „Willkommen im Themenpark Mittelalter!“ So ein Themenpark hat ja üblicherweise auch saftige Preise, und der Anschlag an der Kasse bekräftigte diese Theorie nur. Stolze £24 pro Nase wollen sie für einen Eintritt ohne zusätzliche Attraktionen. (Ich komme später noch auf einige von denen zurück.)

Ich höre hier übrigens nur selten jemanden das Wort pound benutzen, wenn es darum geht, wieviel etwas kostet. Statt dessen sagt man hier quid – lateinisch für „irgendwas halt“.

Zu unserem Glück mussten wir jedoch keine £24 pro Person hinblättern, denn wir hatten 2-for-1 Vouchers: Gutscheine, mit denen zwei Personen für den Preis für eine Eintritt erhalten. Die hatten wir von unserem nahegelegenen Supermarkt in Form eines Aufdrucks auf der Rückseite unserer Kassenbons bekommen. Dieser Preis schien mir dann insgesamt auch angemessener.

Tatsächlich bekommt man Einiges geboten für sein Geld. Wir begannen unsere Schlosstour mit einem kleinen Imbiss, und dann gingen wir zu einer Greifvogelflugvorführung (so ein schönes langes Wort kann man nur im Deutschen kreieren).

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Überall auf dem Gelände befinden sich kleine Stände, an denen man für kleines oder großes Geld seine Kinder beglücken kann. So kann man beispielsweise Bogenschießen üben oder seiner Tochter eine pinkfarbene Ritterkluft kaufen, aber für Ersteres fehlte uns die Zeit, und für Letzteres die rosa Tochter. Statt dessen stiegen wir auf die vorhandene Burgmotte (Ethelfledas Hügel), die dazu diente, Angreifer rechtzeitig auszumachen. Von dort aus hat man zur einen Seite blickt man über den Burghof, und in der anderen Richtung hat man einen herrlichen Blick auf die sanften Hügel der Umgebung – und auf das größte funktionsfähige Trebuchet der Welt.

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Unsere selbstgewählte Tour führte uns nun in eine Ausstellung mit dem Namen „The Kingmaker“ – benannt nach Richard Neville, Earl von Warwick, der seinerzeit gleich zwei englischen Königen zum Thron verholfen hatte. Die ganze Burg wird von Wachsfiguren bevölkert, die so wirken, als würde man sie gerade bei ihren alltäglichen Verrichtungen beobachten – untermalt von ihren Gesprächen und Diskussionen, als würde man durch einen belebten Haushalt wandern. Mit sehr viel Liebe zum Detail wird da das Leben in der mittelalterlichen Burg nachgestellt. Michael entlieh sich von einem Rüstungsschmied einen frisch reparierten Helm, der zwar schwer was hermachte, aber irgendwie offenbar nicht ganz einfach in der Benutzung war:

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Mein Vater mischte sich so gut unters Burgvolk, dass man im ersten Augenblick nicht erkannte, dass er nicht auch aus Wachs ist. (Oder ist das einfach seine perfekte Haut?)

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Ein weiteres Highlight war die mittelalterliche Latrine, die von Michael getestet wurde. Ein Blick unter den Toilettendeckel gewährt einen Blick auf den Fluss, der unter der Burg entlangfließt.

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Das nächste Ereignis auf unserer Tour war eine Führung in einem weiteren Teil des Schlosses. Ein sehr enthusiastischer junger Mann mit einem Tablet-PC weihte uns in alle Geheimnisse und die Historie des Gemäuers ein. Unter den dargebotenen Gegenständen befanden sich ein beeindruckender Büfetttisch, der in einem Stück aus einem gewaltigen Baumstamm herausgeschnitzt worden war, und zahlreiche (passend gemachte) Originalgemälde von Anthony van Dyck sowie riesige handgeknüpfte (und später ebenfalls passend gemachte) Bilderteppiche aus Delft. Die Besitzer müssen so unglaublich reich gewesen sein, dass es ihnen schlicht egal war, wieviel Mühe in diesen Kunstwerken steckte.

Weiter ging es zum Guy’s Tower, einem Teil der Verteidigungsanlage. Man erreicht die Aussichtsplattform über eine schwindlig machende enge Wendeltreppe, die einem endlos erscheint, aber deren Erklimmung durchaus der Mühe wert ist, denn oben wird man mit einem einzigartigen Ausblick über Warwick belohnt.

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Wir setzten unsere Erkundungstour an der Wassermühle fort. Vor dort kann man direkt ins Land der Riesen hinüberschauen und sich vorstellen, Gulliver persönlich werde sogleich zwischen den Blättern des Riesenrhabarbers hervortreten.

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Die Mühle mahlte ursprünglich jahrhundertelang Getreide (und ermöglichte dem Müller seinen branchenüblichen Nebenverdienst als Aalfänger), wurde aber im 19. Jahrhundert für die Erzeugung von Strom aufgerüstet, so dass sogar fließend warmes Wasser verfügbar war. Nachdem wir uns an der herrischen Ausbilderin für Dienstpersonal vorbei geschlichen hatten, begegneten wir auf dem Weg zur Trebuchet-Vorführung dann auch noch dem an der Wassermühle beschäftigten Schornsteinfegerjungen.

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Das Trebuchet von Warwick ist, wie ich bereits schrieb, voll funktionsfähig und im Eintrittspreis mit inbegriffen ist eine Vorführung desselben. Zwei seitlich angebrachte Laufräder dienen dazu, das Gewicht anzuheben und damit die Schleuder zu spannen. Die wackeren Verteidiger, die das ganze Geschehen kommentierten, zündeten zuletzt noch das Geschoss an und lösten dann das Trebuchet aus, das den lodernden Feuerball in hohem Bogen den angreifenden Truppen entgegen schleuderte – beeindruckend, sowas mal nicht nur auf der Leinwand zu sehen.

Wer nach all diesen Attraktionen noch nicht genug und auch noch Geld locker hat, kann sich außerdem noch ins Dungeon begeben, mit seiner Tochter in den Princess Tower gehen oder sich in die geheimen Räume des Schlosses führen lassen.

Bei Ritters zu Haus

Fun Fact #7

[Mych] Diese Straße gibt’s südlich vom Hauptbahnhof in Coventry:

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„Toll“, dachte ich mir. „Das ist ja so wie Weihnachten — Christmas — nur nicht für Chris, sondern für mich!“

Einer der beiden Freunde aus London, die mit uns an dieser Bushaltestelle auf den Bus nach Warwick warteten, erläuterte uns sogleich, was es damit auf sich hat: Michaelmas ist das Fest des Heiligen Michael. (Da lag ich also gar nicht so falsch.) Der ist der Erste meines Namens, und man feierte ihn bis ins 18. Jahrhundert am 29. September jedes Jahres.

Traditionell wird (wurde?) an Michaelmas (gesprochen: „Mickelmess“) eine ordentlich fette Gans verzehrt — und zwar wohlgemerkt aus dem abstrakten Grund, dass man sich auf diese Weise vor Finanzproblemen im nächsten Jahr schützen kann. (Wenn’s nicht klappt, muss man wenigstens nicht noch eine Gans durchfüttern.) Und man sollte es unbedingt vermeiden, nach Michaelmas — wenn man das nach der noch älteren Tradition erst am 11. Oktober feiert — Brombeeren zu pflücken, weil nämlich irgendwann vor langer Zeit mal jemand in einen Brombeerbusch gefallen ist und sich darüber geärgert hat.

(alle Fun Facts)

Fun Fact #7