Mein Schredder und ich

[Mych] Sowas wie das hier kann man in England als Identitäts- und/oder Adressnachweis benutzen, wenn man ein neues Konto eröffnen oder eine Wohnung mieten will:

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… einen Brief von einer mehr oder weniger offiziellen Organisation (Bank, Stromversorger, Versicherung), der an einen adressiert ist. (Anmerkung zum Foto: die Lloyds-Bank gibt’s wirklich; Mr Baridon nicht, soweit ich weiß.)

So etwas wie unser deutscher Personalausweis steht den Leuten hier in England ja nicht zur Verfügung. (Das ist ein selbst gewähltes Schicksal. Es gab vor ein paar Jahren mal Bestrebungen, sowas einzuführen, aber die Idee war unter den Briten dermaßen unpopulär, dass die nächste Regierung sie als eine ihrer ersten parlamentarischen Entscheidungen sofort wieder einstampfte.)

Allerdings werden solche Nachweisdokumente nur in der obigen Form akzeptiert. Wenn man sie wie folgt vorlegt, kommt man damit nicht mehr durch:

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Und da ich in der Tat nicht möchte, dass jemand in meinem Namen ein Konto oder eine Kreditkarte beantragt und meine hierzulande eh schon eher schwach untermauerte Kreditwürdigkeit zerstört, benötigte ich also ein Gerät, das wesentliche Anteile meines Papiermülls von der erst- in die zweitgenannte Form konvertiert: einen Schredder.

Die preisgünstigsten Modelle produzieren Papierstreifen, und zugegebenermaßen reicht das für fast alle praktischen Zwecke vollkommen aus, solange man den Text quer zur Schneidrichtung in das Gerät füttert. Die etwas besseren schnipseln die Streifen auch noch quer, und deren Qualität bemisst sich dann in den Quadratmillimetern bzw. der Anzahl der Konfetti, in die sie ein A4-Blatt zerlegen.

Ich habe eine Schwäche für (eine bestimmte Sorte von) Gadgets. Und während ein Schredder nicht unbedingt ganz oben auf meiner Liste stand, will ich wenigstens einen guten kaufen, wenn ich schon überhaupt einen brauche.

Die meisten der Modelle, die man bei Amazon so angeboten bekommt und die nicht nur Papierspaghetti von sich geben, erzeugen Schnipsel der Sicherheitsstufe 3 — ungefähr die Größe von Mini-Fusili (für „vertrauliches Schriftgut“). Bei mir steht jetzt einer mit Sicherheitsstufe 4 (für „geheimzuhaltendes Schriftgut“), dessen Erzeugnisse so aussehen wie das Häufchen oben. Damit auch wirklich niemand in unserer Recycling-Tonne wühlen und so feststellen kann, wie viel Geld ich bei iTunes lasse.

Und an einem der nächsten Tage werden mein Schredder und ich uns mit dem Stapel Werkstattrechnungen befassen, den ich ich jüngst aus meinem Handschuhfach geholt habe, und die bis zur Jahrtausendwende zurück reichen. Das wird ein Fest …

Mein Schredder und ich

So long, and thanks for all the miles

[Mych] Eigentlich war’s eher ein Versehen, dass wir meinen Seat mit nach England genommen habe. Aber niemand sonst wollte das Karnickel transportieren — außer vielleicht in einer dunklen Kiste im Frachtraum eines Fliegers.

Also kam er mit, statt dass ich ihn noch in Deutschland verkauft hätte. Mit fast anderthalb Jahrzehnten auf dem Buckel hätte er sich seinen Ruhestand auch redlich verdient gehabt; aber so musste er nochmal ran. 1300 Kilometer. Und er hat wacker durchgehalten. Aber England war einfach nicht der rechte Ort für ihn.

Ungefähr drei Optionen hatten wir:

  • Für den Zulassung in England umrüsten und ummelden. Das Umrüsten besteht aus eigentlich nur drei Dingen: Scheinwerfer so abkleben, dass sie den Gegenverkehr nicht blenden; eine Meilen-Skala auf den Tacho; und eine Nebelschlussleuchte rechts. Aber dann würden wir immer noch auf der falschen Seite sitzen, und die Gewalttour über die belgischen Autobahnen hatte den Seat mit einem beunruhigenden Klappern irgendwo vor oder unter uns hinterlassen, das nichts Gutes verhieß.
  • Verschrotten, und dann nur noch Fahrradfahren. Und tatsächlich kommt man zu Fuß oder mit dem Fahrrad in Coventry ziemlich weit — Judith fährt jeden Tag zur Arbeit und braucht dafür halb so lange wie mit dem Bus –, aber eben auch nicht viel weiter als bis knapp über Coventry hinaus. Ein Wochenendtrip nach Nottingham mit dem Fahrrad hat schon Charme, aber die Option, einfach ein Stündchen mit dem Auto dort hin fahren und dann dort um so mehr unternehmen zu können auch. (Vor allem, wenn man einen Kofferraum voll Geocaching-Ausrüstung mitnehmen möchte.)
  • Einen Gebrauchten kaufen und dem Händler dafür den Seat überlassen. Wenn wir einen finden, der ein altes Auto mit Linkslenkung in England haben will.

Übrigens — was zwar gerne gelebt wird, aber zumindest formell keine Option ist: einfach niemandem was sagen und mit der deutschen Zulassung weiter fahren. Meine deutsche Autoversicherung hatte mir zwar mitgeteilt, dass sie weiterhin haften würde, wenn was wäre, aber schon allein die Zulassung in Frankfurt ist ohne Wohnsitz in Deutschland eine fragwürdige Angelegenheit — und die britischen Behörden betrachten ein Auto, das von einem in England Ansässigen gefahren, aber nicht vor Ort versteuert wird, als Steuerhinterziehung. Und als ansässig gilt man spätestens dann, wenn man in England eine Wohnung mietet oder einen Job hat — sofort, nicht erst nach einem halben Jahr Aufenthalt. Man bekommt eine Gnadenfrist von 14 Tagen ab Ankunft, aber das war’s auch.

Naja. Klare Sache also: Wir besorgen uns einen Gebrauchten. Und nach gar nicht allzu langer Stöberei im Internet hatten wir einen Händler in Coventry ausgemacht, der einen gar nicht so alten Škoda Fabia zu einem vernünftigen Preis anbot.

Letzten Samstag waren wir da und sind probegefahren — mit der linken Hand zu schalten ist ziemlich ungewohnt, und irgendwie ist auch nicht auf Anhieb intuitiv, dass der größte Teil der Wagenbreite links und nicht rechts von einem ist. Aber ansonsten: Gar nicht so unähnlich meinem Seat, nur mit zwei Türen mehr und, naja, dem Lenker auf der Beifahrerseite. Und meinen Seat wollte mir der Händler für ein paar hundert Pfund auch noch abnehmen. Perfekt.

Also: Anzahlung am Samstag, und heute ging’s zum Autowechsel.

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Mit dem Travelbug auf dem neuen Wagen fühlt er sich schon fast so an wie Zuhause.

Womit ich mich am Vormittag noch rumgeschlagen hatte: Wie meldet man in England ein Auto mit deutscher Zulassung ab?

  • Das Internet ist, wie immer in solchen Fällen, eine Quell jeder Information, die man sich vorstellen kann. Will sagen: buchstäblich jeder. Richtiger, falscher, widersprüchlicher, veralteter, erhoffter, befürchteter und herbeigewünschter.
  • Irgendwer hatte mal behauptet, das Abmelden deutscher KFZ sei eine konsularische Leistung, die man in der Deutschen Botschaft in London in Anspruch nehmen könnte. Deren Website will davon aber nichts wissen, und das Kontaktformular (eine Telefonnummer gibt’s nicht) teilt in freundlicher fett-roter Schrift mit, dass Anfragen, die man zu stellen wage, obwohl deren Antwort irgendwo auf der Website zu finden ist, ignoriert werden.
  • Also, erste Anlaufstelle: die Zulassungsstelle in Frankfurt. Die Dame am Telefon teilt mir mit, ich könne meine Kennzeichen und meinen Fahrzeugschein nach Frankfurt schicken, um sie zu entstempeln. (Der Fahrzeugbrief wird nicht benötigt.) Aber, sagt sie, innerhalb der EU könne die Abmeldung eigentlich auch direkt vor Ort über den Behörden in England erledigt werden. Das klingt gut.
  • Zweite Anlaufstelle: Die DVLA (Driver & Vehicle Licensing Agency). Die dortige Dame sagt mir, dass ihre deutsche Kollegin mir nur die halbe Wahrheit gesagt hat: Ja, die englischen Behörden können eine Abmeldung vornehmen — aber nur im Zusammenhang mit einer Ummeldung auf einen englischen Fahrer. Hm, okay.
  • Jetzt will ich wissen, was meine deutsche Autoversicherung will, um mich rauszulassen. Ich gerate an einen sehr netten und sehr zum Plaudern aufgelegten Herrn, der mich umfassend informiert (auch über die Studienvorhaben seiner Tochter und seinen Bekannten mit dem alten Auto, das er verschenkt hat und jetzt wegen seiner Anhängerkupplung immer wieder mal ausleiht) und mir dabei mit Nachdruck nahe legt, die Abmeldung selbst in die Hand zu nehmen (per Päckchen nach Frankfurt).

Zum Glück hatte die Dame beim Gebrauchtwagenhändler keine Vorbehalte dagegen, dass ich die Kennzeichen abschraube und den Fahrzeugschein mitnehme.

Und, ach ja, mit der Versicherung und der Steuer ist das in England so: Versicherung ist natürlich Pflicht, aber komplett meine Angelegenheit (meine vielen Jahre Schadenfreiheitsrabatt konnte ich leider nicht mitnehmen) — und dass man Steuern zahlt, beweist man mit einer so genannten Tax Disc, die man in einem kleinen Täschchen hinter der Windschutzscheibe stecken hat und alle sechs bis zwölf Monate verlängern muss. (Es gibt auch eine anonyme Hotline zum Verpetzen von Autos ohne Tax Disc.)

Und mein alter Seat steht jetzt beim Händler. Ich habe eigentlich ein sehr pragmatisches Verhältnis zu Autos im Allgemeinen, aber vierzehn Jahre gehen auch an mir nicht ganz spurlos vorüber.

So long, and thanks for all the miles.

So long, and thanks for all the miles

Ich bin zu alt für so viel Party

[Maus] Als Michael noch in Frankfurt war, hat er über einen Freund zu Round Table Hanau Kontakt aufgenommen. Die Tabler sind junge Männer bis 40 Jahre, die sich gemeinsam für soziale Projekte engagieren und ganz nebenbei Kontakte zu vielen verschiedenen Leuten knüpfen. Diese Organisation kommt ursprünglich aus dem Vereinigten Königreich, ist aber inzwischen in  ganz Europa verbreitet. Innerhalb eines Landes werden in der Reihenfolge der Gründungen Nummern vergeben, und so kam es, dass der Round Table in Hanau die Nummer 74 bekam.

Vor einer Woche sind wir dann zu einem Treffen nach Warrington gefahren, bei dem sich die Round Tables mit der Nummer 74 aus Warrington, Hanau, Faxe und Lyngdal, sowie einige andere Tabler aus England mit der Nummer 174 getroffen haben. Ich hatte ja keine Ahnung, auf was ich mich da eingelassen hatte — aber um es mal vorwegzunehmen: Es war sehr lustig.

Am Donnerstag nach der Arbeit bin ich direkt zum Bahnhof gefahren, um dort Michael und unseren Koffer zu treffen. In einem völlig überfüllten Zug mit einem fehlenden Wagen sind wir also anderthalb Stunden nach Warrington gefahren und wurden von unserem Gastgeber, Neil, am Bahnhof abgeholt.

Alle Gäste waren bei Tablern untergebracht, und unsere Gastgeber waren ausgesprochen nett. Neil und Rachael haben ein großes und sehr hübsch eingerichtetes Haus und drei sehr wohlerzogene Kinder — zwei Mädchen und einen Jungen (der Jüngste), also praktisch wie bei mir. Außerdem war auch noch Christian aus Faxe bei Ihnen untergebracht. Gemeinsam sind wir zum Haus eines anderen Tablers gegangen, um dort gemeinsam zu Abend zu essen. Dort trafen wir auch auf den bereits erwähnten Freund aus Hanau. Es wurde ein feuchtfröhlicher Abend mit Mädchenwhiskey aus Dänemark und Bagpiper aus Indien (der war allerdings zum Abgewöhnen).

Nach einer kurzen Nacht sind wir um 9:30 Uhr zu einem Ausflug nach Liverpool aufgebrochen. Leider war nicht viel Gelegenheit, sich Liverpool anzuschauen, denn wir hatten ein straffes Programm.

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Das begann mit einem Besuch des Beatles-Museums, das wir nicht ganz bis zum Schluss erkunden konnten, denn es war im Anschluss ein Mittagessen in den Philharmonic Dining Rooms geplant. Es gab ganz traditionell Fish and Chips, was zwar nicht gerade mein Lieblingsessen ist, aber durchaus essbar war.

Kaum war das Essen verputzt, ging es weiter zur Kathedrale von Liverpool, die noch ziemlich jung ist, dafür aber umso beeindruckender. Erst 1904 war Grundsteinlegung und dann wurde in Etappen gebaut, bis im Jahre 1978 das Gebäude entgültig fertiggestellt war.

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Der Tag endete mit einer Party, die unter dem Motto „It’s magic“ stand. Viele waren passend zum Motto gekleidet und es gab einen kleinen Wettbewerb, bei dem jedes Land einen kleinen Sketch zum Thema aufführte. Es gab jede Menge toller Zaubertricks, die die Welt zuvor noch nie gesehen hatte — mein Favorit war der Bier-verschwinde-Trick. Nach jeder Menge lauter Musik und Alkohol kroch ich müde ins Bett, um nach sechseinhalb Stunden Schlaf wieder aufzustehen.

Michael und ich verbrachten den Vormittag getrennt. Ich war mit den Ladies auf Bootstour am Anderton Boat Lift mit anschließendem Afternoon Tea und Michael war, glaube ich, auf Sauftour mit Anzug. Genaueres zu Michaels Aktivitäten erfragt ihr am Besten bei Ihm. Jedenfalls hätten wir beide schon am Vormittag betrunken sein können. Ich konnte mich aber gerade noch so zurückhalten und Michael schien auch noch ziemlich nüchtern zu sein, als ich ihn am Nachmittag traf.

[Mych] Mein Vormittag begann mit einem launigen so genannten Business Meeting der Männer, das im altehrwürdigen Gerichtssaal in der Polizeistation von Warrington stattfand — komplett mit Roben und Perücken der drei Vorsitzenden. Kernpunkt waren die Berichte der anwesenden Tische über ihren Aktivitäten des vergangenen Jahrs (über das ganze Spektrum zwischen „sozial engagieren“ und „engagiert feiern“) — und die berührende Rede eines der ältesten Anwesenden, der vor einem halben Leben den ersten Tisch dieses erlauchten Kreises gegründet hatte und nun mit Zufriedenheit und Stolz auf das blicken konnte, was im Laufe der letzten vierzig Jahre daraus geworden war.

… nein, das stimmt eigentlich nicht. Mein Vormittag begann tatsächlich etwa eine Stunde zuvor im Red Lion Inn, wo mir mit einer List mein erstes Bier des Tages aufgenötigt wurde. („Wasser? Nein, das schenken die hier nicht aus.“) Und so ähnlich ging es bei und nach unserem Mittagessen weiter — wohlgemerkt alles auf Kosten unserer Gastgeber. Nicht etwa, dass es vor und bei unserem Gala-Dinner anders zugegangen wäre …

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Die Damen kamen dann etwas später am Nachmittag zu dem netten Restaurant am Kanal, in dem wir zu Mittag gegessen hatten.

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Unser Pub Crawl hatte uns Männer geografisch nicht allzu weit gebracht, also war es kein Problem, Judith zum Red Lion Inn zu lotsen, bei dem wir (erneut) gestrandet waren, bevor es dann zur Vorbereitung aufs große Gala-Dinner nach Hause ging.

[Maus] Die Bootstour war eigentlich nur deshalb spannend, weil wir mit einem Schiffshebewerk eine Stufe nach unten transportiert worden sind. Aber der Anderton Boat Lift ist im Vergleich zum Schiffshebewerk in Niederfinow winzig. Die verbauten Materialien des Anderton Boat Lift stammen zu einem großen Teil aus Deutschland. Na ja, das sagt wohl alles. 😉

Afternoon Tea

Unseren Afternoon Tea haben wir in einer Teestube eingenommen und neben einer riesigen Auswahl verschiedener Teesorten gab es eine Étagère mit leckeren Sandwiches, die prima den konsumierten Alkohol aufsaugten, und einer leckeren Kuchenauswahl. Das Highlight dieses Fressgelages waren aber ofenfrische Scones mit Marmelade und clotted cream. Auf dem Gelände, auf dem diese Teestube stand, gab es außerdem zwei Alpakas, zwei Esel, diverse Vögel und ein äußerst sympathisches Schwein. Ich hätte dort auch den ganzen Tag verbringen und mit dem Schwein spielen können.

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Viel Zeit zum Erholen blieb nicht, denn ein Galaabend stand an. Der Schlafmangel und das straffe Programm zollten ihren Tribut. Ich hing nach dem Abendessen total in den Seilen und hoffte nur noch, dass ich bald schlafen gehen kann. Der Sonntag war ein verlorener Tag, da wir beide völlig übermüdet waren. Aber schön war es trotzdem und ich freue mich schon auf das europäische jährliche Treffen der Round Tabler in Hanau nächstes Jahr.

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Ich bin zu alt für so viel Party

Ein Boiler in London

[Maus] Soooo. Hallo erstmal!

Lang ist’s her, dass wir aus Coventry berichtet haben aber das hatte seine Gründe. Wir haben in den vergangenen Wochen viel erlebt. Vor zwei Wochen haben wir einen Ausflug nach London gemacht. Es gab zwei Gründe für diesen Ausflug: 1. Meine Verwandtschaft in London besuchen und 2. Boiler und Senf, den uns die beiden Londoner zu Ostern ins Auto geschmuggelt hatten, abliefern.

Der Tag fing allerdings nicht so gut an. Es schüttete wie aus Eimern und wir sind mit Boiler und Senf im Regen zum Bahnhof gestiefelt. Als ob wir nicht schon nass genug gewesen wären, haben uns dann auch noch eine ganze Reihe Autofahrer eine unfreiwillige Seitendusche verpasst. Ich hatte noch Glück, weil Michael mein Schutzschild war. Klitschnass sind wir dann eine gute Stunde Zug gefahren und wurden London Euston abgeholt. Unsere beiden Londoner waren überrascht, dass wir mit Boiler und Senf angereist waren, aber unser Häuschen war einfach noch nicht aufgeräumt genug, dass wir darin viel mehr als unseren eigenen Kram hin- und herstapeln wollten. Und so kam es, dass wir einen Ausflug mit Boiler unternahmen.

Zunächst führte uns eine kurze Busfahrt zum Highgate Cemetery. Es lohnt sich wirklich, diesen Friedhof zu erkunden. Fans von Douglas Adams („Per Anhalter durch die Galaxis“) sollten mit ihrem Handtuch unbedingt mal sein Grab besuchen. Michael hatte keins dabei. Wie peinlich! Es überraschte mich aber, zu sehen, dass man hier sehr viel entspannter mit Gräbern umgeht als in Deutschland. Die zweite berühmte Persönlichkeit, der man einen Besuch abstatten sollte, ist Karl Marx, dessen Bewunderer sich gern in unmittelbarer Umgebung seines Grabes beerdigen lassen. Auf diesem Friedhof kann man außerdem allerlei kreative Grabsteine entdecken.

Karl Marx und Douglas Adams

Solange wir auf dem Friedhof waren, hatten wir gutes Wetter, aber auf dem Weg zu unserem nächsten Ausflugsziel, dem Parliament Hill in Hampstead Heath, fing es leider an zu regnen. Belohnt wurden wir mit einem herrlich vernieselten Blick über London. 🙂 Zu guter Letzt haben wir unsere beiden Londoner noch zu einem kurzen Shoppingtrip überredet, weil ich hier in Coventry bisher einfach keine vernünftigen Schuhe gefunden habe. (Es gibt hier scheinbar nur Omaschuhe, High Heels, Ballerinas oder Boots.)

Für den nächsten Tag hatten wir einen Ausflug zum „Secret Nuclear Bunker“ geplant. Bei strahlendem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen sind wir mit dem Zug stadtauswärts gefahren. Der Bunker sieht aus wie ein normales Haus, aber unterirdisch ist es ein Bunker. Man nimmt sich am Eingang einen übergroßen Telefonhörer (das ist Pflicht!) und kann dann an den dort vorhanden Stationen die passende Beschreibung aufrufen. Leider ist das nichts für Leute, die kein Englisch verstehen, denn die Audiotour gibt es nur in Englisch. Wir fanden den Bunker und seine Geschichte alle sehr spannend. Dort wurden auch Fernsehauschnitte gezeigt, die damals gesendet wurden. In diesen Beiträgen wurde erklärt, was man im Falle eines Atomangriffes tun soll, wie die Warnsignale klingen und was sie bedeuten. Die Angst vor einem Angriff muss groß gewesen sein.

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Besonders interessant fand ich all die alten Geräte, den Operationssaal und die sogenannten „Hot Beds“. Die „Hot Beds“ wurden in drei Schichten beschlafen. Nach acht Stunden Schlaf, hat man sein Bett verlassen und es noch warm dem nächsten Schläfer überlassen. So haben die dort Betten gespart, denn dafür war im Bunker einfach nicht genug Platz. Spannend fand ich auch die „honesty boxes“, die dort benutzt werden, wenn irgendetwas zu bezahlen ist. Es gibt im Bunker nämlich kaum Personal und so zahlt man in diese Box ehrlicherweise (honest = ehrlich) den Betrag, der gewünscht wird.

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Nach dem Bunker wollten wir dann den Essex Way nach Epping wandern. Auf dem Weg dahin haben wir noch Halt an der Greensted Church gemacht. Es handelt sich dabei um die älteste noch erhaltene hölzerne Kirche der Welt und ist wirklich putzig. Sie ist relativ klein aber sehr gehegt und gepflegt. Der Essex Way war… sagen wir mal schwer zu finden. Die Beschilderung war so grottig, dass wir die meiste Zeit auf der Straße gelaufen sind, weil wir einfach nicht mehr weiterwussten. Es wurde ein Gewaltmarsch. Ich hatte Hüfte und neue Schuhe und Michael hatte Knie. Aber wir sind tatsächlich in Epping angekommen und ich habe das erste Mal seit Wochen richtig gut geschlafen.

Ein Boiler in London