Schokomutterhasen

[Mych] Dass man dieser Jahre schon im Spätsommer die ersten Dominosteine und zu Weihnachtsmännern transmutierten Osterhasen zu kaufen bekommt, kennt man ja schon.

Immerhin stimmt da die Reihenfolge.

Aber Muttertags-Marketing schon vor Ostern? Die Läden in Coventry sind seid Wochen voll davon. Stürzt das die Schokohasen nicht in eine Identitätskrise?

Tatsache: Die Briten feiern ihre Mütter im März. Mitten in der österlichen Fastenzeit, weil man da nämlich besonders fröhlich sein soll (gemessen daran, dass man seit Wochen am Fasten ist). Und sie nennen ihn Mothering Sunday – Bemutterungssonntag, sozusagen.

Der deutsche Muttertag ist ja bekanntermaßen nach guter alter USA-nischer Tradition erst Mitte Mai. (Die amerikanische Begründerin dieses Festtags hatte irgendwann begonnen, ihn wieder abschaffen zu wollen, nachdem die Blumen- und Schokoladenindustrie davon Wind bekommen hatte. Das scheint nicht geklappt zu haben.)

Naja. So kam es jedenfalls, dass ich im Nahverkehrszug zwischen Basel und Rheinfelden einer (durchaus netten) Zollbeamtin erklären durfte, dass ich für meine Mutter Süßkram für den „englischen Muttertag“ im Koffer hatte.

Frohen englischen Muttertag!

Schokomutterhasen

Wo geht es hier zum Arzt?

[Maus] Die Engländer geben sich größte Mühe mit mir – vor allem beim Arzt.

Gesehen habe ich allerdings erst einen einzigen. Tatsächlich handelte es sich um eine junge Ärztin, die wahrscheinlich gerade eben erst mit ihrem Studium fertig geworden war: Sie schlug während meines Besuches ein dickes Buch auf und blätterte hin und her; und weil sie das, was sie suchte, nicht finden konnte, befragte sie auch noch das Internet.

Da fragt sich mancher Leser sicher, was ich wohl Sonderbares hatte. Die junge Ärztin hatte meinen Blutdruck gemessen und festgestellt, dass dieser zu hoch war. Das Problem daran: Ich war nicht beim Arzt wegen des zu hohen Blutdrucks oder weil ich mich neuerdings sonderbar fühlte, sondern weil ich ein neues Pillenrezept brauchte. Das wiederum wollte sie aber nur unter der Auflage ausstellen, dass ich meinen Blutdruck für 24 Stunden überwachen lasse.

Gesagt, getan. Wenn die mir schon die Pille kostenlos hinterherschmeißen, dann kann ich auch mal so ein 24-Stunden-Blutdruckmessgerät mit mir rumtragen. Dachte ich. Ich frage mich inzwischen ehrlich, wie andere Leute das aushalten. Ich war 24 Stunden im Dauerstress, weil das Ding an meinem Arm jede Stunde den Blutdruck maß. Und dementsprechend schlecht fiel mein Ergebnis aus.

Die folgenden drei Monate musste ich regelmäßig zur Kontrolle zu Marie, einer sogenannten practice nurse, die jedesmal meinen Blutdruck kontrollierte. Und siehe da: Mit jedem Besuch wurde der niedriger. Ihre Diagnose: ausgeprägtes Weißkittelsyndrom.

Seit ich mich in der Arztpraxis angemeldet habe, bekomme ich außerdem regelmäßig Briefe, in denen ich aufgefordert werde, zum cervical screening zu gehen. Das ist eine Krebsvorsorgeuntersuchung, die in Deutschland einmal im Jahr durchgeführt wird. In den Schreiben von der Praxis wird dagegen stolz berichtet, wie wichtig diese Untersuchung ist und das man unbedingt alle drei Jahre zu dieser Untersuchung gehen sollte.

Ich dachte mir, dass es dann ja nicht so dringend sein kann und hoffte, diese Untersuchung nicht hier in England machen lassen zu müssen. Doch dann kam ein neuer Brief, diesmal rot und mit fettgedruckter Aufforderung, entweder zum Screening zu kommen oder das beigefügte Formular zurückzuschicken, in dem ich begründe, warum ich diesen unglaublich wichtigen Termin nicht wahrnehmen möchte. Außerdem wurde ich darauf hingewiesen, dass ich bei Nichterscheinen weiterhin Aufforderungen zugeschickt bekommen würde.

Also gut, mach ich den Spaß halt mit. Frauen in Deutschland gehen für solche Untersuchungen zum Frauenarzt, der natürlich sämtliche gynäkologischen Gerätschaften inklusive gemütlichem Untersuchungsstuhl besitzt. Es ging da immer sehr sachlich zu, meine Fragen wurden alle beantwortet, meine partielle Nacktheit wurde professionell ignoriert.

In Großbritannien ist das ein wenig anders.

Ich vereinbarte einen Termin mit einer der Schwestern, und die erwartete mich in einem kleinen Räumchen mit einem Schreibtisch, zwei Stühlen und einer Liege. Sie befragte mich zu meiner Vorgeschichte und ob ich denn schon jemals eine solche Untersuchung hatte. Nachdem wir ihren Zettel gemeinsam ausgefüllt hatten, führte sie mich zur Liege, zog einen Vorhang zu und erklärte mir, sie habe mir das kleine Papierhandtuch dort hingelegt, damit ich mich zudecken kann.

Beinahe hätte ich laut losgelacht. Die Dame würde in wenigen Sekunden um den Vorhang herumkommen, um meinen privatesten Körperteil zu untersuchen und meint, ich müsste meinen Bauch mit einem Papiertüchlein bedecken. Ich ließ es sein. Als sie mit ihrer Untersuchung fertig war, freute sie sich darüber, wie tiefenentspannt ich gewesen war.

Wie sich wohl Engländerinnen bei dieser Untersuchung verhalten?

Wo geht es hier zum Arzt?