Unser Brexit – Alles weg

[Maus] Das Haus ist leer. Die Schlüssel sind abgegeben und ein Kapitel wird abgeschlossen. Unsere Abenteuer in Coventry sind zu Ende und nun beginnen unsere Abenteuer in München.

Für mich waren die letzten Tage noch einmal richtig anstrengend. Von Schlaflosigkeit und Sorge, dass alles klappt, geplagt, beginnt der Dienstag für mich in einem halb zusammengepackten Haus. Man kommt kaum irgendwo lang und das Päckchenraten wird immer schwieriger. Die Drei sind sehr optimistisch und meinen, um 12 Uhr wären sie mit allem fertig, aber ich zweifle das an und soll Recht behalten. Zweieinhalb Stunden später werden sie erst fertig. Je länger es dauert, desto hektischer wird verpackt. Ich finde immer wieder Dinge, die noch vergessen wurden und so wird eine Kiste nach der anderen mit nur wenigen Dingen und Bergen von Papier gefüllt. Auch jedes Paar Schuhe wird ordentlich in Packpapier gewickelt. Die gehen beim Transport sicher nicht kaputt.

Ich werde insgesamt auch häufiger gebraucht. 165 Pakete kommen nun ins Lager. Nicht alles wird zu meiner Zufriedenheit erledigt, und als ich unter den strengen Augen der Packer eine Bewertung abgeben soll, bin ich einfach nur noch überfordert. Ich schreibe Zahlen in die Kästchen, ohne Zeit zu haben, darüber nachzudenken. Unsere Pflanzen nehme ich mit zur Arbeit – die hätten den langen Transport nicht überlebt.

Der Mittwoch verläuft dann schon fast wieder normal. Ich gehe zur Arbeit, versuche dort alles ordentlich abzuwickeln, höre von jedem meiner Kollegen zum zwanzigsten Mal, dass ich nicht gehen soll und fahre anschließend zum Haus zurück. Dort treffe ich ein letztes Mal Mary, um ihr die Schlüssel zu geben. Und dann ist es soweit – Abschied von unserem Häuschen. Alle fleißigen Skyper werden vermutlich unsere schönen Vorhänge im Hintergrund vermissen.

Zum Einstimmen auf die neue Heimat verabrede ich mich noch mit Freunden zum Oktoberfest in Coventry. Ich hab ja keine Ahnung, was ich vom Münchner Oktoberfest zu erwarten habe, aber in Coventry habe ich ein kühles Bier, eine ordentliche Brezel und echte Blasmusik bekommen. Das alles in einem Bierzelt, ausgestattet mit Bierzeltgarnituren und blau-weißen Tischdecken.

Oktoberfest

Donnerstag ist dann mein letzter Arbeitstag. Ich bin ein wenig wehmütig, denn die Leute in meiner Firma sind mir doch sehr ans Herz gewachsen. Meine beiden Chefs laden alle zu einem Abendessen ein und Micha lernt noch kurz vor Schluss alle kennen. Es wird ein schöner, lustiger und zugleich trauriger Abend für mich, aber ich freue mich auch auf das was kommt.

Mein Kollege Ed fährt uns noch zu unseren Nachbarn, Martin und Sue, die sich auch noch von uns verabschieden wollen. Es ist Mitternacht, als wir im Hotel die Lichter ausmachen und meine hoffentlich letzte schlaflose Nacht endet um sieben Uhr.

Bei strahlendem Sonnenschein verabschieden wir uns von der Insel und fliegen gen Süden. Unsere Übergangswohnung liegt nur fünf Minuten zu Fuß vom Isartor entfernt und ist mit allem Schnick und Schnack ausgestattet. Wir schauen uns ein wenig in der Innenstadt um, genießen bei 31°C ein erfrischendes Weißbier und werden heute Abend hundemüde ins Bett fallen.

Unser Brexit – Alles weg

Unser Brexit – Einpacken

[Maus] Es war eine unruhige Nacht. Und kurz. Um sieben Uhr klingelt endlich mein Wecker und ich habe, dank Clubzimmer, eine Kaffeemaschine, die es mir erlaubt, zu „frühstücken“.

Kurz nach acht komme ich am Haus an und warte. Das kann ich inzwischen prima, denn die vergangen Monate bestanden aus sehr viel davon. Einen Anruf von der Umzugsfirma später, und ich weiß, dass ich bis mindestens zehn warten muss. Als sie dann ankommen, führe ich die drei jungen Männer durchs Haus. Soweit so gut. Der Teppich bekommt einen Überzug und das Verpackungsmaterial wird ins Haus geschafft. Die Kommunikation ist schwierig, da die Drei nicht so gut Englisch sprechen. Einer sagt mir in seinen paar Brocken Englisch, dass er erst seit zwei Monaten in London lebt.

Es ist Mittag und ein junger Mann klopft an die Tür. Er stellt sich als Handyman vor und fragt nach dem Schrank, den er auseinandernehmen soll. Außerdem ruft das Londoner Büro bei mir an und fragt, ob die Drei sich angemessen vorgestellt haben und alles in Ordnung ist. Der einzige der drei Packer, der halbwegs gut Englisch spricht, macht sich auf den Weg, um Hotelzimmer zu buchen. Die anderen beiden bleiben, um weiter zu packen.

Bei einem kurzen Rundgang durchs Haus stelle ich fest, dass alles in Papier verpackt wurde. Sogar die Regale haben eine braune Papierverpackung bekommen. So gut war das nicht eingepackt als wir nach England gezogen sind und wenn man den Wert der Gegenstände kennt, ist es nochmal so lustig sie so gut verpackt zu sehen.

Es rummst und poltert den ganzen Tag im Haus, doch ich versuche das zu ignorieren. Stattdessen trainiere ich mal wieder Warten. Als es auf halb sechs zu geht, verabschieden sich die Drei von mir und wollen morgen um 9 Uhr wieder da sein. Ich besichtige noch einmal den Fortschritt im Haus und stelle fest, dass noch einige Möbel nicht in braunes Packpapier gewickelt wurden. Aber schon jetzt sieht es im Haus aus als hätten Christo und Jeanne-Claude hier gewütet. Ich versuche zu erraten, was wohl in den größeren Päckchen steckt.

Irgendwie ist es ganz nett, dass uns alles eingepackt wird. Mir zuckt es allerdings schon in den Fingern und ich würde viel lieber mit anpacken. Nicht zuviel, nur solang ich Lust dazu habe. Mein Highlight des Tages: „Madame, can I use your toilet?“. Braucht keine Übersetzung, oder?

 

Unser Brexit – Einpacken

Unser Brexit – es geht los

[Maus] This is the end. Hold your breath and count to ten…

Es geht los. Unser ganz persönlicher Brexit liegt vor uns.

Das Referendum hat damit allerdings nichts zu tun. Unser schon lange gehegter Plan, nach Deutschland zurückzukehren, wurde durch den Job, den ich hier in meiner ersten Woche nach Ende meines Uni-Vertrages gefunden hatte, aufgeschoben. Und eine Weile lang haben wir tatsächlich in Erwägung gezogen, in England zu bleiben.

Aber Großbritannien ist nun mal nicht Deutschland, und das alltägliche Chaos, mit dem wir es hier häufiger zu tun hatten, hat einen Großteil zu unserer Entscheidung beigetragen. Wir haben eine Pro- und Kontaliste, auf der Gr0ßbritannien gar nicht so schlecht abschneidet; aber eben nicht so gut wie Deutschland.

Viel ist bis zum heutigen Tag passiert, und wenig ist davon nach außen gedrungen. So viel kann ich sagen – es war nervenaufreibend. Für mich vor allem, weil ich mich nicht explizit gegen etwas entschieden habe, sondern nur für etwas. Deutschland ist in vielerlei Hinsicht progressiver, und ich, für meinen Teil, mag das sehr. Wir recyclen besser, nutzen den öffentlichen Nahverkehr häufiger, isolieren unsere Häuser bis zur Energieklasse A, unsere Geräte verbrauchen möglichst wenig Strom, reparieren Sachen richtig oder entsorgen sie, wenn sie irreparabel werden, wir essen und leben gesünder und bestehen weniger auf Traditionen. Kurzum, wir sind grüner. In Zeiten des Klimawandels finde ich das wichtig.

Trotzdem werde ich meine Kollegen vermissen, und obwohl ich mich freue, mit Micha ein neues Kapitel aufzuschlagen, bin ich doch ein wenig wehmütig. Sei’s drum – die Taschen sind nun gepackt, und heute sind wir in ein Hotel in Coventry umgezogen. Wir haben die notwendigsten Dinge dabei (Outfits für zwei Hochzeitsfeiern, Wandersachen, allen technischen Schnickschnack usw.). Montag morgen geht es zurück zur Wohnung, um den Packern beim Packen zuzuschauen. Eine Firma wird unser Hab und Gut einpacken, einen Teil davon per Flugcontainer nach München fliegen und den großen Rest einlagern, bis wir eine Wohnung in München gefunden haben.

Gestern haben wir noch schnell unseren Skoda Fabia verkauft. Das war noch mal besonders aufregend, denn der Verkäufer hatte am Wochenende keine Zeit, das Auto abzuholen. Also entschieden wir uns, es stattdessen hinzufahren. Nun stellte sich aber heraus, dass dieser Autohändler nicht in der Nähe von Coventry ist, sondern eine gute Stunde entfernt von uns. Mit den öffentlichen Transportmitteln wieder zurückzuwollen ist hier in England, gelinde ausgedrückt, keine Freude. Nicht umsonst besitzt hier jede Familie genug Autos für alle Volljährigen. Also wurde kurzerhand ein Auto gemietet – natürlich nicht um die Ecke, die machen ja am Wochenende zu früh zu, sondern am Flughafen. Zu jenem ist Micha also per Bus gefahren, hat dort ein Auto gemietet (für £14/Tag) und ist zum Autohändler gefahren, während ich mit dem Skoda direkt dorthin gefahren bin. Hat alles reibungslos geklappt. Puh.

Heute war dann Geräteabstöpsel- und -einpackmarathon, Essen aufessen, Koffer packen, Dinge für den Luftcontainer markieren und Wegschmeißen an der Reihe. Als alles fertig war, sind wir ins Hotel gezogen, sind direkt zum Pool gegangen und haben uns erstmal entspannt.

Mal sehen, wie es weitergeht …

Unser Brexit – es geht los

Inselhopping

[Maus] Zum dritten Mal, seit wir nach Coventry gezogen sind, besuchen uns meine Eltern. Statt aber wieder nur Coventry und Umgebung zu erkunden, sind wir zu viert in unseren kleinen urlaubsgeprüften Skoda gestiegen, um eine kleine Runde Inselhopping zu betreiben. Unser Ziel diesmal: die Isle of Wight.

Das Wetter ist seit Tagen bescheiden und die Vorhersage für die kommenden Tage macht uns kaum Hoffnung auf Sonnenschein. Nach einem kleinen Frühstück brechen wir auf und fahren bei leichter Bewölkung Richtung Süden.  Als wir in Southampton ankommen, sieht es aber gar nicht so übel aus, und so nutzen wir das knappe Stündchen, um uns in der Nähe des Fährhafens umzuschauen.

Die „Red Osprey“ braucht eine Stunde von Southampton nach East Cowes. Natürlich wird standesgemäß Fisch und Chips geordert (die Portionsgröße: gigantisch). Wir genießen den Rest der Zeit draußen in der Sonne und lassen uns den Wind um die Nase wehen.

Kaum richtig angekommen, geht es auf die nächste Fähre, denn unsere Unterkunft liegt nicht in East Cowes, sondern in West Cowes. Doch diese Fähre ist anders. Zwei riesige Ketten hängen ins Wasser hinein, und die Fähre zieht sich entlang der Ketten auf die andere Seite. Das Klonk-Klonk-Klonk der Kettenglieder werden wir noch ein paar Mal hören dürfen. Die Überfahrt im Auto mit vier Leuten drin kostet übrigens £2.20, als Fußgänger zahlt man £0.70. Zu viert im Auto hat man Sparpotential!

Bis zu unserer Unterkunft ist es nur ein Katzensprung. Wie immer habe ich fleißig Bewertungen gelesen und was Hübsches ausgesucht. Wir werden freudig von einer Dame mittleren Alters begrüßt. Es gibt erstmal Kaffee und ein Pläuschchen. Wir lassen uns beraten, was wir in der kurzen Zeit auf der Insel machen können, und beschließen, einen Spaziergang zum nahegelegenen Strand zu machen. So muss es sich also angefühlt haben, als man vor hundert Jahren in die Sommerfrische gefahren ist. Es ist ja selten richtig heiß in Großbritannien, aber die Luftfeuchtigkeit ist so hoch, dass man sich schon bei 20°C so klebrig fühlt wie bei 30°C in Deutschland. Die Seeluft ist herrlich, und unser Ausflugsziel ist ein Pub am Strand von Gurnard mit Blick aufs Meer.

20160705-cowes-promenade-michael-judithAls wir zurückkommen, hat unsere Gastgeberin noch einen Glüh-Cider für uns. Wir quatschen noch ein wenig, meine Eltern mit Händen und Füßen, und stellen fest: Englisch verstehen ist nicht schwer, Englisch sprechen dagegen sehr. Aber unsere Gastgeberin ist auch zu goldig, wenn sie in großen Gesten einzelne Wörter erklärt.

Der nächste Morgen beginnt mit untypisch starkem Kaffee und einem leckeren Frühstück. Wir haben viel vor und brechen als erstes auf, um zum Osborne House in East Cowes zu fahren, natürlich nutzen wir wieder die kleine Kettenfähre. Das Osborne House ist einen Besuch wert. Die Gartenanlage drum herum ist beeindruckend, aber auch das Haus selbst ist sehr interessant. Vor allem aber: Zu sehen, was Queen Victoria und ihr Mann alles für ihre Kinder eingerichtet haben, ist äußerst aufschlussreich. Kleine Möbel für ihre neun Kinder und ein eigenes kleines Häuschen inklusive Obst- und Gemüsegarten, damit die Kinder lernen, sich selbst auch um Haushaltsdinge kümmern zu können. Das Verhältnis Victorias zu ihren Kindern soll ja eher schlecht gewesen sein, aber vernachlässigt wurden sie sicher nicht. So ein kleines Häuschen zum Spielen hätte mir als Kind sicher auch gefallen.

Zuletzt besuchen wir bei strahlendem Sonnenschein noch den royalen Privatstrand, an dem man die bathing machine (deutsch: Badekarre) der Queen bewundern kann. Damit hat sie sich auf Schienen ins Wasser fahren lassen. Ich nehme an, dass man auf die Art vermieden hat, über die großen Kieselsteine ins Wasser waten zu müssen. In Ermangelung einer Badekarre ertragen wir die Schmerzen und kühlen uns die Füße, bevor es weiter geht.

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Eine etwa 50-minütige Autofahrt später kommen wir bei „The Needles“ an – oder vielmehr an dem Parkplatz, der direkt zur gleich benannten Touristenfalle gehört. Die echten Needles liegen einen etwa 20-minütigen Spaziergang entfernt im Wasser. Was wir uns nicht entgehenlassen wollen, ist die Fahrt mit der Seilbahn hinunter zum Strand mit einem herrlichen Ausblick hinüber zu „The Needles“. Die Sonne brennt inzwischen so sehr, dass wir uns alle wünschen, wir hätten unsere Badesachen eingesteckt. Stattdessen können wir wieder nur die Füße abkühlen. Ins Wasser zu gelangen ist hier eine echte physische Herausforderung, da die Kiesel hier noch ein wenig größer sind und sich unangenehm in die Fußsohlen bohren.

Am nächsten Morgen fahren wir ein letztes Mal mit der Kettenfähre, um mit der großen Fähre wieder zum Festland überzusetzen. Das Ziel ist Bath. Michael und ich waren ja vor anderthalb Jahren schon mal hier und waren uns sicher, meinen Eltern wird es hier auch gefallen. Wir spazieren durch die Straßen, genießen eine Erfrischung direkt am Avon und lassen den Tag in einem italienischen Restaurant am Flussufer ausklingen.

Wenn man nach Bath fährt, sollte man unbedingt die Roman Baths besuchen. Die Ruinen waren über Jahrhunderte verborgen unter der Stadt und sind Zeugnis der römischen Kultur. Bei unserem letzten Besuch hatten wir nicht mehr genug Zeit, alles anzuschauen, und so gehen wir erneut auf Entdeckungstour, diesmal mit meinen Eltern.

Zum Abschluss des viel zu kurzen Besuchs fahren wir nach Ironbridge, das so heißt – wer hätte es gedacht – weil da nämlich eine Eisenbrücke steht. Mitten in einer Schlucht gelegen, bietet dieser Ort dem geneigten Besucher eine Vielzahl von Museen rund um die Eisenbrücke und die Zeit der Industrialisierung (und damit hätten wir dann auch wieder den Bogen zu Queen Victoria geschlagen).

Fazit dieses Urlaubs: Wir müssen noch mal mit mehr Zeit zur Isle of Wight zurück.

Inselhopping

Steuermann alaaf

[Mych] Was bisher geschah:

Anfang Juni 2015 bringe ich endlich den nötigen Enthusiasmus auf, um mich an meine beiden Steuererklärungen für 2014 zu setzen – eine für vier Monate des Steuerjahrs in Deutschland, und eine für die restlichen acht Monate elf Monate und sechs Tage des Steuerjahrs in England.

Heute ist Mitte Februar 2016, und heute wurde mir mein vorläufig finaler Einkommensteuerbescheid vom Finanzamt Frankfurt für 2014 durch die Haustür geschoben. Uff. Was lange währt, und so.

Dinge, die ich gelernt habe:

England

In England schaut sich niemand meine Steuererklärung an.

– nein, das kam nicht so rüber, wie es sich angefühlt hat, als ich es endlich kapiert habe; als sich dieser Sachverhalt sich endlich durch die vielen Schichten des mir in Deutschland ankultivierten Vertrauens in die Tiefe, Breite und Umfänglichkeit der Bürokratie als solcher, als Konzept, als von Völkern und Nationen unabhängiger Idee, gekämpft hatte, und wirklich bei mir angekommen war. Ich versuch’s nochmal.

In England schaut sich niemand meine Steuererklärung an. Ich muss ein kommerzielles Programm benutzen, um sie zu erstellen – wäre meine Steuersituation ein bisschen regulärer, dann könnte ich sogar ein Webformular der Steuerbehörde Ihrer Majestät benutzen. Mein Programm sagt mir (schon im Juni 2015), wieviel Steuer ich schuldig sein werde (und wann), und lädt meine Erklärung samt Anlagen hoch.

Und das war’s.

Da wird kein Steuerbescheid kommen. Kein Mensch wird jemals darauf gucken, was ich da ausgefüllt und ausgerechnet und belegt habe. (Es sei denn, dass ich die Lotterie um die paar Tax Audits gewinne, die stichprobenartig nach Zufallsprinzip jedes Jahr durchgeführt werden.) Ich bin ein bisschen erzürnt und fühle mich ein bisschen betrogen. Dafür habe ich mir die ganze Mühe gemacht? Damit ein Computer meine Excel-Tabellen-PDFs summarisch ignorieren kann? Dafür habe ich in meinem Herzen gesucht, wie mein Job und meine Wohnung und meine Freunde und Verwandten in Deutschland für eine nachvollziehbare Begründung dafür herhalten können, dass ich wirklich im April 2014 noch in Deutschland „ansässig“ war? Grrr.

Was tatsächlich kommt, ist – Anfang Dezember 2015 – eine (vermutlich vollautomatisch erstellte und verschickte) Rechnung über meine Steuer fürs Steuerjahr 2014/15 sowie die daraus berechnete Vorauszahlung fürs nächste Steuerjahr (die Hälfte davon fällig zusammen mit der Steuer fürs Vorjahr) – bis auf den Penny genau der Betrag, den das Steuerprogramm berechnet hatte. Fällig Ende Januar 2016. Da ich das Geld so lange wie möglich noch auf dem Sparkonto liegen lassen will, um die null-Komma-irgendwas Prozent an Zinsen später mal für eine große Portion Popcorn im Kino auf den Kopf hauen zu können, bekomme ich bis Ende Januar dann noch zwei SMS mit Erinnerungen an die baldige Fälligkeit, bevor ich den Gesamtbetrag in der letzten Januarwoche endlich fristgerecht überweise.

Und das war’s. Mehr wird da nicht mehr kommen. Ich werde (wahrscheinlich) nie erfahren, ob ich meine englische Steuererklärung richtig gemacht habe. Computer says Yes. Das muss reichen.

Deutschland

In Deutschland, auf der anderen Seite, läuft alles seinen gewohnten Gang – abgesehen davon, dass ich bis Ende November nichts vom deutschen Finanzamt gehört hatte, und soo kompliziert ist meine zugegebenermaßen nicht komplett reguläre Steuersituation 2014 nun doch nicht gewesen, dass meine Steuererklärung zu dem einen vom Finanzamt angestellten Fachmann in ganz Deutschland geleitet werden müsste, der sich um die Besonderen Fälle kümmern muss.

Also rufe ich an – Ende November. Und erfahre, dass mein Steuerbescheid in der Warteschleife feststeckt, weil man darauf warte, dass ich eine Antwort auf eine vor Monaten gestellte Rückfrage gäbe. Die Rückfrage war per Briefpost nach „Coventry CVX 8JB“ geschickt worden. Das ist blöderweise nicht unsere tatsächliche Postleitzahl, sondern ein paar Straßen weiter, und obwohl Royal Mail offenbar an guten Tagen in der Lage ist, Briefe zuzustellen, auch wenn sie nur nach „England“ adressiert sind, wurde der an mich gerichtete Brief mit der vertippfehlerten Postleitzahl offenbar irgendwo in einen großen Schredder für nichtzustellbare Post geworfen – oder vielleicht einer (nachvollziehbarerweise) verwirrten englischen Person in den Briefschlitz, die sich jetzt fragt, was um alles in der Welt das deutsche Finanzamt von ihr will und ob sie wohl jemals wieder nach Deutschland einreisen kann.

… was mich, abgesehen von allem anderen, zum Grübeln bringt, durch welchen Prozess wohl ein Tippfehler in meine Adresse gelangen konnte. Denn auf dem elektronischen Mantelbogen der von mir eingereichten Steuererklärung ist die Postleitzahl natürlich richtig. Die falsche Postleitzahl ist aber phonetisch nahe genug an der richtigen, dass ich mir vorstellen könnte, dass irgendwer im Finanzamt sie quer über den Schreibtisch jemand anderem zugerufen hat und dabei falsch verstanden wurde. Hmm. Mein erster in England empfangener Steuerbescheid (für 2013) war handschriftlich im Adressfenster adressiert worden. Hmm.

Wie dem auch sei – nachgefragt worden war, wo denn meine „ausländischen Einkünfte“ belegt wären. Meine „ausländischen Einkünfte“ allerdings sind, wohlgemerkt, mein Gehalt von meiner deutschen Firma. Ich arbeite ja in England. (Meine Arbeit besteht darin, darüber nachzudenken, welche Tasten ich in welcher Reihenfolge drücken muss, damit die Kunden meines Arbeitgebers willens sind, Geld dafür auszugeben.) England ist „Ausland“. Meine „ausländischen Einkünfte“ sind mein Einkommen aus meiner Arbeit in England für meinen deutschen Arbeitgeber.

Das erkläre ich der Dame vom deutschen Finanzamt am Telefon, und das nimmt sie ohne Widerspruch hin. (Kopien meiner deutschen Gehaltsabrechnungsbögen hatte ich schon beigelegt gehabt.) Soweit, so gut. Offenbar habe ich mir das richtig ausgedacht. Yay!

Zwei Wochen später bekomme ich meine Originalbelege per Post vom deutschen Finanzamt zurück. (Ironischerweise mit dem kategorischen Hinweis, ich möge doch bitte von telefonischen Nachfragen absehen, um den „zügigen Arbeitsablauf“ nicht zu gefährden. Haha. Das hatte zuletzt ja hervorragend geklappt.)

Mitte Dezember bekomme ich dann, endlich, meinen Steuerbescheid aus Deutschland. Ich bekomme ein bisschen Steuer zurückgezahlt, allerdings nur ein Bruchteil von dem, was mir ElsterFormular berechnet hatte. Das will ich nicht einfach so hinnehmen, und verstehen tu ich’s nach Lektüre der opaken Textmauer im Steuerbescheid auch nicht, also rufe ich mal beim Finanzamt an. Wieder mal.

Die Dame am Telefon – nicht die, die meinen Bescheid bearbeitet hatte, aber immerhin eine Fachfrau – bestätigt mir meine Vermutung über das, was passiert ist: Meine als „haushaltsnahe Dienstleistung“ eingereichte Umzugsrechnung von Frankfurt nach Coventry (in Höhe von immerhin fast anderthalb tausend Euro) wurde als „Werbungskosten“ uminterpretiert und ist somit in meiner ansonsten abgesehen von ein paar Kilometern „Fahrt zu Arbeit“ fast ungenutzten Werbungskostenpauschale so gut wie untergegangen.

Nur … das ist falsch. Umzugskosten sind Werbungskosten, wenn ich den Umzug um meiner Arbeit willen durchführe. Aber meinen Umzug habe ich um Judiths Arbeit willen durchgeführt.

Also: Brief geschrieben, Einspruch erhoben, Speditionsbeleg nochmal beigelegt. Kaum einen Monat später – heute nämlich – bekomme ich einen geänderten Einkommensteuerbescheid mit ein paar hundert Euro Differenz an Steuerrückzahlung zu meinen Gunsten. Womit auch das sein gutes Ende gefunden hat. Was lange währt, und so.

tl;dr

Ich habe offenbar alles richtig gemacht. Oder zumindest nachvollziehbar plausibel genug, dass es akzeptiert wurde. Wobei ich das bei der englischen Finanzbehörde mit abschließender Sicherheit höchstens – und frühestens – dann mit abschließender Sicherheit sagen können werde, wenn tatsächlich irgendwann mal ein Mensch auf meine Steuererklärung schaut. Was, vermutlich, nie passieren wird.

Immerhin habe ich das deutsche Finanzamt zufrieden gestellt, und das ist ja auch schon irgendwie eine Leistung.

Steuermann alaaf

Küste der Träume

[Maus] Ich wache vor dem Weckerklingeln auf. Unser letzter Tag in Cornwall ist angebrochen und begrüßt uns mit strahlendem Sonnenschein. Als ich hochgehe in unser Wohnzimmer, hat Viviana bereits unsere Balkontür weit geöffnet, um die frische Seeluft hereinzulassen und den Geruch von Bier und kaltem Fudge vom Vorabend zu vertreiben.

Lizard Point, unser heutiges Tagesziel, ist der südlichste Punkt Großbritanniens. Die Fahrt führt uns über unsere inzwischen heißgeliebten engen Sträßchen, die sich durchs Heckenlabyrinth winden. Michael hat das Weit-links-Fahren perfektioniert, kleine Zweige streifen immer wieder unser Auto. Trotzdem ich immer wieder zusammenzucke und merkwürdige Laute von mir gebe, bleibt das Auto völlig unbeschädigt.

Am Ziel liegt uns eine steile und rauhe Felsküste zu Füßen. Oberhalb der Klippe sind die Felsen bewachsen mit allerlei seltenen Pflanzen, die Sonne küsst die Küste, fast wolkenloser Himmel – ein herrlicher Spätsommertag.

Natürlich nutzen wir den Tag auch wieder, um Dosen zu fischen (Geocaching). Ich suche in der Nähe einer kleinen Hütte des National Trust und als ich nichts entdecken kann, werde ich von einem Seeräuber (oder jemandem, der so aussieht) in Unterhemd und schmutzigen, aber bequem aussehenden Cargohosen angesprochen, was ich denn in dieser Ecke suche. Verdutzt blicke ich den Mann an und gestehe, dass ich nach einer Dose suche, und hoffe, er will mir nicht ans Schlawittchen. Er grinst, greift in die Ecke. Hinter einem Vorhang aus dickblättrigen Pflanzen zieht er die Dose hervor. „Da oben ist auch noch eine.“ sagt er und deutet mit dem Finger zum Leuchtturm. Ich bin erleichtert; so leicht war Dosenfischen noch nie.

Wir wandern zum Strand hinunter; ein Earthcache macht uns auf die vielfältigen geologischen Besonderheiten aufmerksam. Glimmerschiefer, Gneis und Serpentinit, und vom Meer ausgehöhlte Felsen, die uns mal wieder zu Höhlenforschern werden lassen, kann man hier entdecken.

Als wir gerade noch eine der Höhlen erforschen, hören wir Rufe von draußen: „Hier sind Seehunde.“. Als ich draußen bin staune ich – oh, das sind Seehunde? Ich wundere mich über die merkwürdige Form der Flossen, und plötzlich gibt es Entwarnung. Doch keine Seehunde – nur Taucherrobben. Keine zwei Minuten später taucht ein Kopf aus dem Wasser hoch, dann ein großer grauer Bauch. Endlich – ein richtiger Seehund. Immer wieder guckt er aus dem Wasser heraus, taucht wieder unter, streckt dabei seinen Bauch aus dem Wasser heraus. Es ist eine Wonne, ihm zuzuschauen.

Bald brechen wir auf, denn die Flut überspült langsam das kleine Stück Strand auf dem wir uns befinden. Eine zweite geologische Besonderheit wartet keine 700 Meter entfernt von dem kleinen Strand darauf, von uns entdeckt zu werden. Ein Stückchen von der Klippe entfernt, auf der wir stehen, ragt mitten aus dem Meer eine steinerne Stele, ein sogenannter Brandungspfeiler. Wir breiten unsere Decke aus und machen eine kleine Pause, um alle Datenpunkte zu erfassen, die wir für diesen Earthcache brauchen, uns auszuruhen und an dieser Traumküste ein wenig die Seele baumeln zu lassen.

Plötzlich höre ich wieder: „Seehunde“. Michael und Viviana rennen ausgerüstet mit Kameras den steilen Abhang hinab, um vielleicht noch mal ein Bild von diesen wunderbaren Meeresbewohnern zu bekommen. So, wie wir den Urlaub begonnen haben, endet er auch: mit Seerobben. Sie in freier Wildbahn zu sehen, macht mich besonders glücklich und ich hoffe, dass ihr Lebensraum hier an der der wilden Felsküste von Cornwall erhalten bleibt. Der Tag, die Küste, alles ist perfekt.

Zum krönenden Abschluss bestellen wir in dem kleinen Café direkt am Lizard Point Cornish Cream Tea für alle. Wir bekommen jeweils zwei noch warme Scones pro Nase, eine Schale voll mit Marmelade und eine mit herrlich fluffiger Clotted Cream. Die Kellnerin teilt uns mit, dass wir soviel Nachschlag an Marmelade und Clotted Cream bekommen können, wie wir wollen. Aber nach der zweiten Portion müssen wir aufgeben.

Zurück am Heimatstrand in Maenporth genießen wir noch die letzten Sonnenstrahlen, Burkhard und Michael suchen den am Strand versteckten Geocache, Viviana schreibt die letzten Urlaubskarten, Magdalena und ich suchen den Strand nach Schätzen ab. Magdalena will unbedingt barfuß am Strand laufen, damit sie mit den Füßen ins Wasser kann. Ich verzichte, denn wir waren gerade erst im Schwimmbad und ich bin frisch geduscht.

Erst jetzt sehen wir, dass es an „unserem“ Strand auch eine Höhle gibt, die selbstverständlich noch erkundet werden muss, bevor wir uns in unser Domizil zurückziehen – ein letztes Mal, bevor es morgen nach Hause geht.

Küste der Träume

Die Muschelsucher

[Mych] Der steinerne Weg erstreckt in einer sanften Kurve weg vom felsigen Strand, weg von der Küste vor Marazion. Kleine Wellen schwappen gegen die behauenen Steinblöcke, die den Rand des Wegs ausmachen; links und rechts davon von der See abgeschliffene Felsen im Sand, überwachsen von Algen und besetzt mit Muscheln, umspült von den paar Fingerbreit Meerwasser, die von der Ebbe noch übrig sind.

In der Entfernung, am anderen Ende des Wegs, fast einen halben Kilometer draußen im Meer, zeichnet sich die Silhouette einer Insel gegen den Himmel ab; auf einem Sockel von Felsen, mit sanft ansteigenden Flanken von Gras und Baumwipfeln, gekrönt von einem majestätischen Bauwerk mit Zinnen, Türmchen und Kaminen: St Michael’s Mount.

Wir sind um der Gezeiten willen früher als sonst aufgestanden und marschieren gemeinsam über den dreieinhalb Meter breiten gepflasterten Weg, der bei Niedrigwasser die Insel mit dem Festland verbindet. Magdalena klettert, meistens an Judiths Hand, lieber zwischen den Steinen neben dem Weg herum und findet Seetang, Steine, Muscheln und Schneckengehäuse, die sie stolz und aufgeregt allen präsentiert, die in der Nähe sind.

Auf zwei Drittel des Wegs zur Insel müssen wir einige Schritte weit auf den Randsteinen des Wegs entlang balancieren, denn die Steine dazwischen fehlen, und die nahende Flut hat den Untergrund bereits mit einer Schicht Wasser bedeckt; den Rückweg werden wir auf diese Weise nicht mehr antreten können. Später erfahren wir, dass diese Schäden jüngeren Datums sind: Erst letztes Jahr war dieser Abschnitt des Wegs bei einem Sturm von den peitschenden Wellen aufgebrochen und weggeschwemmt worden – allzu weit waren die Steinblöcke im seichten Wasser um den Weg herum nicht gekommen, aber die endgültige Reparatur steht noch aus.

Wir erreichen rechtzeitig das gezeitensichere Terrain der Insel. Bis wir die Burg an ihrer Spitze und ihre Gartenanlagen besichtigen können, müssen wir noch eine gute Stunde warten, und verbringen die Zeit damit, uns umzuschauen: Eine Mole umschließt einen kleinen Hafen, in dem ein paar kleinere Boote zurzeit noch auf feuchtem Sand liegen und auf die Flut warten. Zwei nette kleine Insel-Shops haben schon offen und laden zum Stöbern ein.

Irgendwann öffnet auch der Ticket-Shop, und wir machen uns auf den Weg nach oben in Richtung der Bergspitze; vorbei am Herz des grausamen Riesen, der der Legende nach von einem tapferen jungen Mann aus Marazion namens Jack mit einer List in eine Falle gelockt worden war, und das wir auf unserem Hinweg leider noch nicht zwischen den Steinen finden können; später, als wir wieder herunter kommen, haben wir mehr Glück und entdecken es, eingebettet zwischen den runden, unregelmäßigen Pflastersteinen des Wegs.

Der Pfad bergauf ist steil und windet sich hin und her, kommt an Mauerwerken in Richtung See vorbei, die teilweise nur den Absturz auf die Felsen weiter unten verhindern sollen, teilweise aber auch mit Kanonen ausgestattet sind, die ihrerzeit napoleonische Kriegsschiffe in die Flucht schlugen; ihr moderneres Äquivalent aus dem Zweiten Weltkrieg, die Pillbox genannten Maschinengewehrbunker, finden wir später viel weiter unten und viel näher am Ufer.

Die Burg ist verwinkelt und eng und schön und gut erhalten, und ungewöhnlicherweise machen die Konservatoren dieses Gemäuers und seines Inventars einen Punkt daraus, zu erläutern und zu zeigen, wie aufwendig es ist, all diese alten Dinge in präsentablem Zustand zu erhalten: Wir finden kleine, farbige Textilquadrate, ihr Rand von einem breiten Papprahmen abgedeckt – eines dieser Konstrukte dürfen wir anfassen und öffnen; zwei Wochen nur war es dem Umgebungslicht ausgesetzt, sagt die Aufschrift, und schon ist aus dem kräftigen Blau ein helles Graublau geworden. In fast jedem Raum entdecken wir HumBugs – digitale Luftfeuchtemesser. Ein fest verschraubtes Marmeladenglas voller Staub demonstriert, wieviel Schmutz hier jeden einzelnen Tag weg gesaugt wird, bevor die ersten Besucher eintreffen, und bevor sich der Staub zusammen mit der vom Meer aufsteigenden Luftfeuchtigkeit zu einer zementartigen Substanz verbindet und alles, auf dem er sich niederlegt, korrodieren lässt.

Fast am höchsten Punkt der Burg befindet sich die Kapelle, und darin entdecken wir an einer Wand eine kleine Skulptur meines Namensgebers – und dessen der Insel, auf der wir stehen –, des Erzengels Michael, in seinem Triumph über Satan; ein Motiv, das uns nicht ganz unbekannt vorkommt.

Wir verlassen die Burg und gehen im schönsten Sonnenschein wieder den Abhang herunter (und finden jetzt endlich das Herz des Riesen zwischen den Steinen; aber es pocht leider nicht, wie es die Legende will, zumindest nicht unter unseren Fingern).

Unten, bei dem kleinen Hafen, in dem die Boote leise in der Flut schaukeln, finden wir den Eingang zu den Gärten, die sich zunächst als wohlgeschorener Rasen am leicht ansteigenden Abhang darstellen. Wir wandern auf dem Gras entlang dorthin, wo der Abhang und der felsige Sockel der Insel aufeinander zu stoßen scheinen, und treffen auf einen engen Pfad zwischen den Pflanzen, der uns in Windungen, durch kleine schmiedeeiserne Tore und steile Treppenstufen aus Felsbrocken hoch und herunter durch eine wunderschöne Gartenanlage führt, die sich an die Flanken der Insel anschmiegt. Bei einer Bank, mit dem Felsen und der Burg im Rücken, zu unseren Füßen der Atlantik, um uns herum Sträucher und kleine Bäume, deren Blätterdach uns Schatten spendet, machen wir eine Rast und verzehren ein paar Weintrauben, Apfelschnitze und Kekse, bevor wir uns auf den Rückweg machen.

Der Weg weg von der Insel zurück ans Festland über den steinernen Weg ist uns jetzt von der Flut versperrt; aber man kann sich in einem offenen Motorboot übersetzen lassen. Zuvor sammeln wir noch die beiden Hinweise für einen Geocache ein und spendieren uns allen Cornish Ice Cream – ich: eine Kugel Schokolade und eine Kugel „Honigwabe“; ein phänomenaler Genuss, aber nicht ganz unkompliziert zu verzehren, denn die Eiswaffel wäre schon mit einer einzigen Kugel dieser Größe völlig überladen gewesen, und ich habe trotz des kräftigen kühlen Winds größte Mühe, die cremige Masse auf allen Seiten gleichzeitig am Tropfen zu hindern.

Wir vertilgen unser Eis und wandern zum Hafen und zum Ende der Mole, steigen in das wartende Motorboot und lassen uns übersetzen. Die Fahrt dauert nur ein paar Minuten, während derer der Bootsführer, der am Heck des Boots steht und das Ruder bedient, unser Fährgeld kassiert. Nach dem Anlegen wandern wir noch ein Stückchen durch den Ort Marazion und dann zum Strand hinunter, um unseren Geocache zu finden. Den Rückweg zum Parkplatz würden wir am liebsten über den Strand gehen, aber die Wellen der Flut schwappen an einigen Stellen bis dicht an die Geröllhaufen am Kliff, das den Strand in Richtung Inland begrenzt.

Bevor wir zurück nach Hause fahren, machen wir noch einen Abstecher nach St Ives – einmal quer durchs Land von der Südküste an die Nordküste von Cornwall, die hier gerade mal zehn Kilometer voneinander entfernt sind. Wir setzen uns dort an den Strand in die Sonne und flüchten kurz danach für zehn Minuten unter einen Baum, um einem Regenschauer zu entkommen; in der Sonne, die danach wieder hervorkommt, wandern wir weiter durch den Ort, am Meer entlang über kopfsteingepflasterte Wege, finden einen Virtual um seines Seltenheitswerts willen, drücken uns an Schaufenstern die Nase platt, kaufen Fudge in einem winzigen Laden von einer liebenswürdigen älteren Dame, die jeden ihrer Kunden mit „dear“ anspricht (sie sagt, der Fudge hält bei Zimmertemperatur sechs Monate, aber das glaube ich nicht – er ist sicher morgen schon weg); beobachten ein paar wackere Schwimmer im 13 Grad kalten Wasser in Neoprenanzügen und einen noch wackereren ohne; ein paar Hunde, die wonnig ins Wasser springen, und ein paar Möven, die immer näher an uns heran hüpfen und trotzdem nichts von unserem Fudge abbekommen.

Irgendwann müssen wir zurück zum Auto und fahren nach Hause; müde, glücklich, mit glühenden Wangen von der Sonne, die wir heute abbekommen haben, und mit Muscheln und Erinnerungen und dem besten Fudge in der Tasche, das wir je hatten. So ein schöner Tag.

Die Muschelsucher

Ruf der Vergangenheit

[Fifi] Sechs Uhr im Paradies, die Sonne bahnt sich ihren Weg. Langsam färbt das erste Licht den Himmel in rot, rosa, orange, gelb …

Die Luft ist frisch, riecht nach Salz und Meer. Das noch feuchte Gras unter meinen Füßen fühlt sich kalt und doch erfrischend an. Mein Blick schweift über die Bucht, in seichter Bewegung gleiten die Wellen an den Strand. Ich bin nicht die Einzige, die den atemberaubenden Sonnenaufgang genießt, ein einsamer, mutiger Schwimmer läuft langsam ins Meer, mit jedem Schritt scheint er dem Morgen und der Sonne ein wenig entgegen zugehen. Ich sauge jede einzelne Sekunde dieses einmaligen Spektakels in mich auf, ständig verändert sich das Licht, zaubert tausende Farben an den Himmel und taucht alles andere auf der Welt in ein wunderschönes Licht. Die Blumen, Bäume, Gräser alles erscheint mir noch schöner als sonst – So ist es im Paradies…

… doch heute ruft die lange Vergangenheit Cornwalls nach uns. Wer sich mit der Geschichte Cornwalls beschäftigt, kommt am Bergbau nicht vorbei. Unser Weg aus dem Paradies führt uns heute in die Geevor Tin Mine

Nach einer guten Stunde Fahrt auf wirklich für englische Verhältnise breiten komfortablen Straßen, mal abgesehen von den vielen Roundabouts und Double-Roundabouts und den eher unprofessionellen Fahrfähigkeiten der anderen Verkehrsteilnehmer, kommen wir an.

Die nette Lady am Empfang löst unsere Tickets und händigt uns einen Lageplan aus. Zusätzlich sollen wir uns aus den bereitstehenden Kisten formschöne Schutzhelme aussuchen. Damit ist also heute mal ausgeschlossen, dass die Frisur bis zum Ende hält, aber der Wind hätte eh ganze Arbeit geleistet. Der Halblingskopf ist eher sehr klein. Wir probieren alle Größen von Kinderhelmen aus, keiner will so richtig passen. Ein zusätzlicher Kinngurt verhindert dann letztendlich das Abrutschen des Schutzhelmes.

Wir beginnen unsere Tour auf dem Gelände, arbeiten uns von Haus zu Haus.

Compressor House – große Maschinen reihen sich auf, alles was benötigt wird, um den Fels zu bezwingen, um später die Löcher zum Anbringen der Sprengladung zu erhalten. Winder House – wir sehen Winden die zur Beförderung der Kumpels in die Tiefe und wieder zurück verwendet wurden. Weiter geht’s an mehreren Werkstätten, einer Schmiede, Erste-Hilfe-Raum, Aufenthaltsraum, dem Labor, wo die Mineralien auf ihre Zusammensetzung getestet wurden.

Hard-Rock-Museum – Hier kommen nun alle auf Ihre Kosten: Der Halbling folgt den beiden Katzen Basil und Skraggs (die übrigens da wirklich gelebt haben) durch die Ausstellung und macht sich an allen interaktiven Exponaten zu schaffen. Aber auch wir Großen freuen uns über die anschaulichen Experimente, in denen uns gezeigt wird, wie der Abbau von Zinn funktioniert. Im Kino werden uns Zeitzeugenberichte gezeigt, die uns veranschaulichen, wie hart die Arbeit unter Tage ist, und wir sind tief bewegt von den Berichten, als die Kumpel von der Schließung der Mine erfahren.

Ich mache mir meine Gedanken … Ganz Cornwall lebt seit Generationen vom Bergbau – wie muss es sein, plötzlich seiner Existenz beraubt zu sein, seine Familie plötzlich nicht mehr ernähren zu können … Bei mir macht sich ein beklemmendes Gefühl breit. Den Anderen gehts ähnlich. Das Gefühl wird nun noch verstärkt, als wir im Dry House sehen wo die Kumpel ihre Sachen verstaut haben, sich nach der schweren Arbeit geduscht haben, sich vom Dreck der Mine befreit haben; alles ist getränkt von rotem durchdringendem Dreck, wir sehen jedoch auch wie ihr Zusammenhalt bis heute noch anhält.

Die Zeit verrinnt und unsere Mägen verlangen nach Nahrung, im Count House Cafe, speisen wir nach Bergmanns-Art. Jeder von uns verspeist eine Pasty (in Teig gebackene Kartoffeln mit Kohl, Rüben und Fleisch oder Käse – die Kumpels haben die Pasties mit unter Tage genommen und dort kalt verspeist), die Männer mit Fleisch die Frauen mit Käse, der Halbling ein Törtchen und ein halbes Käse-Sandwich.

So gestärkt, geht es weiter. The Mill – wir folgen dem gelben Weg, der Halbling mimt den Fremdenführer und erklärt an jeder Biegung gekonnt und ausführlich den weiteren Weg. Vorbei geht es an Laufbändern mit Steinen, an einer Trommel in der das Gestein zerkleinert wird, an riesigen Rütteltischen, über die Wasser fließt, um den Sand und die Bodenschätze voneinander zu trennen.

Wie laut muss es hier früher gewesen sein? – Einer der Rütteltische ist in Betrieb, das Gerüttel erfüllt die ganze Halle mit dem immer gleichen lauten schrr, schrr, schrr … 25 Jahre sind vergangen, seit hier gearbeitet wurde, ein Lost Place, wie er im Buche steht, der gelbe Weg schlängelt sich Berg ab immer weiter nach unten. Der Halbling fragt, ob wir nun endlich unter der Erde sind, kann es kaum erwarten, aber nein – die Sonnenstrahlen fallen durch die kleinen Ritzen in den Wänden. Am Ende des gelben Weges werden wir erwartet; man bietet uns Kittel an, um unsere Kleidung zu schützen; die Wartezeit dürfen wir mit „Goldwaschen“ überbrücken. Der Halbling ist außer sich vor Freude, wähnt sich schon in Reichtum, fast Zwergen gleich.

Ein älterer Herr begrüßt uns, möchte mit uns in die Wheal Mexico Mine – er heißt Mike. Wir wandern bergab, bleiben vor einen Minen-Eingang stehen. Mike berichtet über den Aufbau der Mine, die senkrechten Gänge und die davon abgehenden Gänge, die immer von West nach Ost und von Nord nach Süd gehen. Einige Gänge gehen bis unters Meer, andere bis oben zur Hauptstraße, das Grundwasser muss ständig abgepumpt werden.

Wir wagen die ersten Schritte in die Mine, Mike bittet uns auf unsere Köpfe acht zu geben. Wie die Sieben Zwerge + Mike setzen wir uns in Bewegung. Es dauert nicht lange, da hört der Halbling und ich das erste Mal, wie ein Helm an den Fels pocht. Mike attestiert dem Halbling die perfekte Größe. Immer tiefer geht’s in den Fels, es wird enger. Die Decke wird niedriger, wir Großen laufen geduckt. Mike bleibt einige Male stehen, um uns Details zur Mine zu zeigen oder von der Arbeit der Bergleute zu berichten. Judith tropft eiskaltes Grundwasser in den Kragen …

Es ist bedrückend, ich fühle mich eingeengt, wie konnten die Kumpel das nur einen ganzen Arbeitstag aushalten? Es ist schummerig, ich sehe nur Umrisse, Mike leuchtet mit einer kleinen Lampe hin und her, um uns Details zu zeigen. Er sagt, die Kumpel haben manchmal Ihre Kerzen ausgeblasen, um Sauerstoff zu sparen, um dann im Dunkeln weiterzuarbeiten … was?! – ich fühle mich schon mit dem wenigen Licht unwohl.

Es wird noch enger, der Schacht ist nun schräg in den Fels gehauen, es wird noch nasser, auch der Halbling eckt an … Ich sehe Tageslicht … Wir treten wieder aus der Mine heraus, frische Meeresluft dringt in meine Nase, ich richte mich auf, fühle mich befreit … Was bleibt, ist dieses bedrückende Gefühl, das Mitgefühl für die Menschen die hier unter schwersten Bedingungen gearbeitet haben und dann am Ende nur einen f… Händedruck bekommen haben …

Am Ausgang legen wir unsere liebgewordenen Schutzhelme ab. Es fühlt sich an wie das umschlagen einer Buchseite im Fotoalbum. Wir zwängen uns in unseren kleinen Fabia und fahren zurück ins Paradies …

Ruf der Vergangenheit

Brombeeren der Begierde

[Maus] Der graue Himmel, mit tiefhängenden schweren Wolken, die sich mühsam über den Strand in Richtung Meer wälzen, begrüßen uns am Morgen. Den Tag wollen wir heute entspannt angehen und nachholen, was wir gestern nicht mehr in unseren ereignisreichen Tag unterbringen konnten.

Es ist stürmisch, und Pendennis Castle versteckt sich hinter den saftig grünen Hügeln und schroffen grauen Klippen. Erst als wir fast angekommen sind, können wir einen ersten Blick erhaschen. Königlich thront die Festung auf den Felsen und man blickt über das Meer, hat das Meer und die Buchten im Blick. Die Festung, umgeben von Brombeerhecken, der Innenhof weitläufig und grün, lädt zum Flanieren ein. Der leise feintropfige Landregen, der von Zeit zu Zeit auf uns herabregnet, malt einen Regenbogen nach dem anderen in den immer noch wolkenverhangenden Himmel.

Mein Haar weht mir ins Gesicht, als ich das Gelände erkunde. Viele kleine Räume, versteckte Gänge und zahlreiche andere entdeckenswerte Dinge wecken in uns die Abenteuerlust. Wir genießen immer wieder die traumhafte Aussicht und die Brombeeren, die hier überall wachsen. Die Vorführung einer Kanone um 12 Uhr bringt uns in die richtige Stimmung, um den Rest des Geländes, das von Kriegszeiten berichtet und das Grauen dieser Zeiten Nahe bringt, entdecken zu wollen.

Doch gerade die Gebäude aus der Zeit von Henry VIII haben auch eine anrührende Seite. Kleine Wendeltreppen führen in die einzelnen Etagen und einige Räume laden regelrecht dazu ein, ausgelassen zu tanzen und zu singen. Ob das wohl damals auch so war? Kleine rosa papierene Herzchen liegen vor dem mittelalterlichen Fort. Dieser Ort verlangt nach einem romantischen Fest.

Wie aus heiterem Himmel ändert sich das Wetter, der Wind beruhigt sich zu einer sanften Brise, die dicken Regenwolken, die im Zehnminutentakt über uns hinwegfegten, sind plötzlich verschwunden und die Sonne scheint uns in unsere bereits sonnengebräunten Gesichter. Wir beschließen, unserer Abenteuerlust nachzugeben und gehen auf Entdeckertour (neudeutsch: Geocaching).

Der Halbling ist erschöpft und lässt sich den steilen Hang hinauf tragen, halb erwarte ich, dass Viviana zusammen mit dem Halbling den Abhang hinabrutscht. Doch wir erreichen unser Ziel unfallfrei und können den Geocache-Container mit Hilfe einer kleinen Winde vom Baum herhunterholen. Doch damit nicht genug, wir steigen den Abhang wieder hinunter, um diesmal direkt am Meer über die schroffen und rutschigen Felsen zu klettern. Der Halbling ist plötzlich nicht mehr müde und steigt mutig voran, bis sie schließlich abrutscht und mit dem Knie im Schlamm landet. Doch statt des üblichen Dramas fängt sie sich schnell, denn auch sie ist im Abenteuerfieber und Dose Nummer zwei soeben geborgen worden.

Wir wandern zurück, um uns den kleinen Dennis noch anzuschauen. Modderlena und ich klettern noch ein letztes Mal über die am Meeresrand liegenden schroffen Strukturen. Wir kehren als erfolgreiche Entdecker und Abenteuerer in unsere heimelige Unterkunft zurück.

Brombeeren der Begierde

Der Erde so nah

[Mych] Die stürmische Brandung schlägt in der Entfernung gegen die Klippen; die Gischt der windzerzausten Wellen hüllt die Felsen in einen feinen Nebel wie einen Schleier.

Die Tasse in meinen Händen wärmt meine Finger, verströmt den willkommenen Duft frisch gebrauten Kaffees, der uns für die Anstrengungen des Tages stärken soll – die Abenteuer, denen wir uns heute aussetzen werden. Mein Blick schweift von der nahen Bucht in die Ferne, zu dem Leuchtturm, der unbeirrt sein Lichtzeichen gibt, an–aus, an–aus, treu und standhaft den Seefahrern ein Freund, und zu dem fast verloren wirkenden Segelboot, das sich aus der schützenden Nähe des Ufers hervorwagt in die kalten und unerbittlichen Weiten der See.

Der Rat hat gesprochen; die Entscheidung ist getroffen. Wir werden heute zu einer Exkursion gen Nordosten aufbrechen, nach Saint Austell, wo das Eden Project seinen Sitz hat. Wir packen unsere Vorräte, unsere nötigsten Ausrüstungsgegenstände, unsere Jacken und Taschen. Der Wagen fährt uns über gewundene Straßen, kreiselt durch Roundabouts, bringt uns über Hügel und Täler; wir waren gewarnt worden, nicht den kürzeren, gefährlich sich windenden Zuweg zu nehmen, den TomTom uns sicherlich führen würde, sondern die gut ausgebaute Straße den Schildern nach, und werden mit sechs Minuten der Verzögerung bestraft.

Endlich sind wir da. Der Wagen steht auf „Plum 3“. Wir prägen uns die Frucht und die Zahl ein – die Frucht: eine Pflaume, keine Limone, keine Banane; die Zahl: eine Drei, keine Vier, keine Zwei – die Fünf scheidet völlig aus. Unerträglich ist die Vorstellung, am Ende des Tages unseren Wagen womöglich nicht wiederfinden zu können, alleine dazustehen ohne unser treues Gefährt, unseren Skoda, der uns schon so weit auf unseren Reisen begleitet hat. Es sind einige Schritte bis zum Eingang von Eden; auf dem Weg treffen wir eine kleine Gruppe von Mitreisenden von einer anderen Frucht (oder Zahl), wie wir auf der Suche nach dem Zentrum, die sich dankbar von uns führen lassen, wiewohl auch wir nur raten können, welcher Weg der rechte ist.

Wir verlassen das Besucherzentrum in den Sonnenschein und erblicken die majestätischen Dome von Eden, die filigran wirkenden geodätischen Kuppen aus Thermoplastik und Stahl, die sich in die Tiefe der ehemaligen Kaolingrube schmiegen.

Ein sanft ansteigender Weg führt inmitten der Pflanzen entlang des Umkreises des Talkessels, bringt uns zu Konstrukten mit Informationen über den Kaolinabbau; zu einer kleinen Kuppel aus aufgeschichteten Steinen, in deren einzigem Lichtschacht eine Spinne ihr Netz gebaut hat; zu einer Hand, deren steinerne Finger aus dem hohen Gras kryptisch auf ein unerblickbares Ding deuten; zu einer überlebensgroßen Frau, die sich im Schatten der Bäume räkelt, ihre von Spiegelscherben gezierte rechte Gesichtshälfte kess gen Himmel gerichtet, die durch das Laubwerk scheinenden Bündel von Sonnenstrahlen reflektierend.

Wir begeben uns zur Talsohle und betreten das Gebäude, das die Lücke zwischen den gewaltigen Domen ausfüllt. Essen gibt es hier, und ja, es wäre uns willkommen, denn inzwischen ist die Mittagszeit gekommen und wieder gegangen; aber die Verlockungen halten uns nicht hier, sondern ziehen uns zur rechten Hand in die mediterrane Kuppel, die ein weiteres Restaurant verspricht – Paella, Pasta, Pizza soll es dort geben, die Schätze der Küche der Mittelmeerküste. Unsere Speisen sind wohlschmeckend und elegant angerichtet; eine Wohltat; ein Genuss. Kleine Vögel fliegen uns über die Köpfe, picken Krümel vom Boden, sitzen zwitschernd auf den Lehnen der leerer Stühle am Nachbartisch oder schauen uns keck an.

Wir beenden unser Essen und machen einen Rundgang durch das Gelände im Inneren der Kuppel – eine andere Welt; nur die Sonne am Himmel ist die gleiche. Wir sehen Pflanzen, die es sonst nirgends in Großbritannien geben kann; Weinreben, die man in Südfrankreich, Spanien, Italien erwarten würde; die Maquis, die den französischen Widerständlern im Zweiten Weltkrieg ihren Namen gab – jene, die sich in den unwegsamen, unwirtlichen Buschwäldern ihres Heimatlands verborgen hatten.

Der Weg zur anderen Kuppel führt erneut durch das verbindende Gebäude, zu einer elektrischen Schiebetür, die sich öffnet, als wir uns ihr nähern. Ein kräftiger Windstoß, fast eine Sturmböe, weht uns von achtern an, drängt uns gleichwohl in das tropische Biom. Unten ist es noch fast kühl, doch der Weg windet sich nach oben, an einem Teich vorbei; an den übergroß erscheinenden Pflanzen, die es nur in den wilden, wuchernden, lebensprallen Wäldern der Tropen gibt; immer höher geht es, immer drückender und feuchter wird die Atmosphäre, treibt uns den Schweiß auf die Stirn, lässt unsere Schritte immer träger werden.

Wir sind fast oben, können auf einer holzbeplankten Brücke durch die Wipfel der Bäume gehen – müssen bedauernd lesen, dass uns der Zugang zur Observationsplattform am höchsten Punkt der Kuppel verwehrt bleibt; vierzig Grad habe es dort, fast vierzig Prozent Luftfeuchte; zu groß das Risiko, dorthin zu gehen. Der Weg spaltet sich, bietet einen leichten Weg nach unten oder eine steile Treppe. Wir wählen den Weg zur Treppe und kommen an einem tosenden Wasserfall vorbei, von dem der wilde Bach gespeist wird, der sich durch den ganzen Lebensraum zieht, gekapselt in einer Hülle von Stahl und Kunststoff.

Die Stufen bringen uns wieder hinab; hinunter in mildere atmosphärische Schichten, vorbei an Installationen, die über die Schätze des Regenwalds informieren, an Bananenstauden und zum Trocknen gehängten Rohkautschukbahnen, zurück zu der elektrischen Schiebetür, bei der uns der vertraute und willkommene Wind entgegen weht und uns die Kühle verschafft, derer wir so lange entsagen mussten.

Der Erde so nah