Unser Brexit – Einpacken

[Maus] Es war eine unruhige Nacht. Und kurz. Um sieben Uhr klingelt endlich mein Wecker und ich habe, dank Clubzimmer, eine Kaffeemaschine, die es mir erlaubt, zu „frühstücken“.

Kurz nach acht komme ich am Haus an und warte. Das kann ich inzwischen prima, denn die vergangen Monate bestanden aus sehr viel davon. Einen Anruf von der Umzugsfirma später, und ich weiß, dass ich bis mindestens zehn warten muss. Als sie dann ankommen, führe ich die drei jungen Männer durchs Haus. Soweit so gut. Der Teppich bekommt einen Überzug und das Verpackungsmaterial wird ins Haus geschafft. Die Kommunikation ist schwierig, da die Drei nicht so gut Englisch sprechen. Einer sagt mir in seinen paar Brocken Englisch, dass er erst seit zwei Monaten in London lebt.

Es ist Mittag und ein junger Mann klopft an die Tür. Er stellt sich als Handyman vor und fragt nach dem Schrank, den er auseinandernehmen soll. Außerdem ruft das Londoner Büro bei mir an und fragt, ob die Drei sich angemessen vorgestellt haben und alles in Ordnung ist. Der einzige der drei Packer, der halbwegs gut Englisch spricht, macht sich auf den Weg, um Hotelzimmer zu buchen. Die anderen beiden bleiben, um weiter zu packen.

Bei einem kurzen Rundgang durchs Haus stelle ich fest, dass alles in Papier verpackt wurde. Sogar die Regale haben eine braune Papierverpackung bekommen. So gut war das nicht eingepackt als wir nach England gezogen sind und wenn man den Wert der Gegenstände kennt, ist es nochmal so lustig sie so gut verpackt zu sehen.

Es rummst und poltert den ganzen Tag im Haus, doch ich versuche das zu ignorieren. Stattdessen trainiere ich mal wieder Warten. Als es auf halb sechs zu geht, verabschieden sich die Drei von mir und wollen morgen um 9 Uhr wieder da sein. Ich besichtige noch einmal den Fortschritt im Haus und stelle fest, dass noch einige Möbel nicht in braunes Packpapier gewickelt wurden. Aber schon jetzt sieht es im Haus aus als hätten Christo und Jeanne-Claude hier gewütet. Ich versuche zu erraten, was wohl in den größeren Päckchen steckt.

Irgendwie ist es ganz nett, dass uns alles eingepackt wird. Mir zuckt es allerdings schon in den Fingern und ich würde viel lieber mit anpacken. Nicht zuviel, nur solang ich Lust dazu habe. Mein Highlight des Tages: „Madame, can I use your toilet?“. Braucht keine Übersetzung, oder?

 

Unser Brexit – Einpacken

Unser Brexit – es geht los

[Maus] This is the end. Hold your breath and count to ten…

Es geht los. Unser ganz persönlicher Brexit liegt vor uns.

Das Referendum hat damit allerdings nichts zu tun. Unser schon lange gehegter Plan, nach Deutschland zurückzukehren, wurde durch den Job, den ich hier in meiner ersten Woche nach Ende meines Uni-Vertrages gefunden hatte, aufgeschoben. Und eine Weile lang haben wir tatsächlich in Erwägung gezogen, in England zu bleiben.

Aber Großbritannien ist nun mal nicht Deutschland, und das alltägliche Chaos, mit dem wir es hier häufiger zu tun hatten, hat einen Großteil zu unserer Entscheidung beigetragen. Wir haben eine Pro- und Kontaliste, auf der Gr0ßbritannien gar nicht so schlecht abschneidet; aber eben nicht so gut wie Deutschland.

Viel ist bis zum heutigen Tag passiert, und wenig ist davon nach außen gedrungen. So viel kann ich sagen – es war nervenaufreibend. Für mich vor allem, weil ich mich nicht explizit gegen etwas entschieden habe, sondern nur für etwas. Deutschland ist in vielerlei Hinsicht progressiver, und ich, für meinen Teil, mag das sehr. Wir recyclen besser, nutzen den öffentlichen Nahverkehr häufiger, isolieren unsere Häuser bis zur Energieklasse A, unsere Geräte verbrauchen möglichst wenig Strom, reparieren Sachen richtig oder entsorgen sie, wenn sie irreparabel werden, wir essen und leben gesünder und bestehen weniger auf Traditionen. Kurzum, wir sind grüner. In Zeiten des Klimawandels finde ich das wichtig.

Trotzdem werde ich meine Kollegen vermissen, und obwohl ich mich freue, mit Micha ein neues Kapitel aufzuschlagen, bin ich doch ein wenig wehmütig. Sei’s drum – die Taschen sind nun gepackt, und heute sind wir in ein Hotel in Coventry umgezogen. Wir haben die notwendigsten Dinge dabei (Outfits für zwei Hochzeitsfeiern, Wandersachen, allen technischen Schnickschnack usw.). Montag morgen geht es zurück zur Wohnung, um den Packern beim Packen zuzuschauen. Eine Firma wird unser Hab und Gut einpacken, einen Teil davon per Flugcontainer nach München fliegen und den großen Rest einlagern, bis wir eine Wohnung in München gefunden haben.

Gestern haben wir noch schnell unseren Skoda Fabia verkauft. Das war noch mal besonders aufregend, denn der Verkäufer hatte am Wochenende keine Zeit, das Auto abzuholen. Also entschieden wir uns, es stattdessen hinzufahren. Nun stellte sich aber heraus, dass dieser Autohändler nicht in der Nähe von Coventry ist, sondern eine gute Stunde entfernt von uns. Mit den öffentlichen Transportmitteln wieder zurückzuwollen ist hier in England, gelinde ausgedrückt, keine Freude. Nicht umsonst besitzt hier jede Familie genug Autos für alle Volljährigen. Also wurde kurzerhand ein Auto gemietet – natürlich nicht um die Ecke, die machen ja am Wochenende zu früh zu, sondern am Flughafen. Zu jenem ist Micha also per Bus gefahren, hat dort ein Auto gemietet (für £14/Tag) und ist zum Autohändler gefahren, während ich mit dem Skoda direkt dorthin gefahren bin. Hat alles reibungslos geklappt. Puh.

Heute war dann Geräteabstöpsel- und -einpackmarathon, Essen aufessen, Koffer packen, Dinge für den Luftcontainer markieren und Wegschmeißen an der Reihe. Als alles fertig war, sind wir ins Hotel gezogen, sind direkt zum Pool gegangen und haben uns erstmal entspannt.

Mal sehen, wie es weitergeht …

Unser Brexit – es geht los

Don’t cross the streams!

[Maus] Eine Frage, die mir lange im Kopf herumschwirrte, konnte ich dank eines YouTube-Videos klären: Warum benutzen die Briten separate Heiß- und Kaltwasserhähne?

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Diese Wasserhähne sind schon recht nervig. Man muss sich jedesmal beim Händewaschen entscheiden, ob man sich die Hände verbrühen oder lieber mit kaltem Wasser waschen möchte. Ich liebe lauwarm, aber das ist hier nur mit unserer PowerShower zu bekommen. Mischbatterien sieht man höchst selten und wir grübelten ein ums andere Mal, warum die Briten es sich so schwer machen.

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=HfHgUu_8KgA?feature=player_detailpage&w=640&h=360]

In dem YouTube-Video wird (in Englisch) erklärt, was der Grund für die getrennten Hähne ist: In vielen Häusern, die nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurden, gibt es auf dem Dachboden einen Kaltwassertank. Dieser speist einen Heißwassertank. Das heiße Wasser aus diesem Tank ist kein Trinkwasser! Dadurch, das es sich über längere Zeit im Kaltwassertank befindet, ist die Wasserqualität entsprechend schlecht. Das Kaltwasser dagegen kommt direkt aus der Hauptleitung und ist trinkbar.

Wenn man nun eine Mischbatterie einbauen würde, bestünde die Gefahr, dass das „kontaminierte“ Heißwasser sich mit dem trinkbaren Kaltwasser mischt und im schlimmsten Fall in die Hauptleitung zurückfließt und das Trinkwasser eines gesamten Straßenzuges verunreinigt.

Und deshalb kreuzt man niemals die Ströme!

Don’t cross the streams!

Live by the Internet, die by the Internet

[Mych] Judith und ich kamen ganz schön ins Grübeln, als wir hinter dem Vorhang im Wohnzimmer endlich unseren Telefonhauptanschluss gefunden hatten:

Phone Master Socket

Da sollte im Laufe des Tages Breitband-Internet mit 80 Mbit/s durchgejagt werden, oder so. („GPO“ steht für „General Post Office„. Definitiv ein Telefonanschluss, denn Post kommt da nicht raus.)

Das Loch führt direkt nach außen, und das zweiadrige Kabel dann an der Außenwand nach oben, bis es frei schwingend zum Telefonmast auf der anderen Straßenseite geht und sich dort mit ähnlichen Kabeln der anderen nahe liegenden Häuser vereinigt.

BT hatte uns uns den letzten Tagen auf allen Kommunikationskanälen mit freundlichen Erinnerungen behämmert, dass der nette BT-Installationsmensch am Montag kommen würde: per E-Mail (in doppelter Ausfertigung), per SMS, per Anruf, nochmal per E-Mail (wieder mit Durchschlag) und dann nochmal per SMS. Nicht, dass wir den Termin nicht etwa selbst ausgewählt hätten. Ich frage mich jetzt ernsthaft, wie häufig es wohl in der Praxis vorkommt, dass die BT-Leute vor verschlossenen Wohnungstüren stehen, wenn sie zum vereinbarten Termin auftauchen.

Der BT-Mann kam pünktlich am Morgen, ersetzte das antike Kabel erstmal durch ein deutlich mehr Vertrauen erweckendes schwarzes Netzwerkkabel und wies und netterweise nebenher noch auf unser Regenabflussrohr hin, das zurzeit ein bisschen bedeutungslos und traurig neben dem Ausflussstutzen der Regenrinne zur Seite hängt. (Das müssen wir auch mal reparieren, aber nicht heute.)

BT-Breitband-Internet-Installation

Dann kam ein neues Loch neben einer der Steckdosen im Wohnzimmer durch die Außenwand nach draußen. Und so schnell und leise, wie der BT-Mann mit seinem Akkubohrer durch die fette Wand kam, grüble ich jetzt gerade, aus was die wohl besteht. Pappmaché? Lose aufgeschichteter Sand? Fünfhundert Lagen antiker Tapete?

Wie dem auch sei: Jetzt haben wir im Wohnzimmer eine (erstaunlich voluminöse) nagelneue Anschlussdose von openreach, dem Letzte-Meile-Anbieter von BT, samt angeschlossenem BT-Home-Hub, aus dem das Internet rauskommt.

Die tatsächliche Bandbreite werde sich im Laufe der nächsten Tage noch einpendeln, sagte mir der BT-Mann (offenbar führt BT da jetzt erstmal immer wieder mal Leitungstests von der Vermittlungsstelle zu dem kleinen Internet-Kästchen in unserem Wohnzimmer durch, um die tatsächliche Bandbreite auf das leitungstechnische Optimum hochzudrehen), aber schon jetzt bekomme ich hier in meinem Arbeitszimmer per WLAN ein Mehrfaches der Internet-Geschwindigkeit, die ich in meiner Wohnung in Frankfurt per ADSL bekommen hatte. Und vor allem gehen die Daten in der gleichen hohen Geschwindigkeit, in der sie reinkommen, auch raus — schon jetzt mit gut 13 Mbit/s (von meinem WLAN-angebundenen Notebook aus). Da werden die Kollegen im Hangar bei Videokonferenzen mit Sicherheit jedes Dreitagebarthaar einzeln sehen können …

Mal sehen, auf was für eine fantastische Bandbreite sich die Leitung noch einpendeln wird, und wieviel davon über das WLAN durchkommt. Der Hub — und offensichtlich auch mein Notebook — können beide 802.11n, das angeblich bis zu 150 Mbit/s funken kann. Und mein WLAN-Empfang ist trotz mindestens einer Wand und einer Zimmerdecke hier oben hervorragend … aber dann wiederum ist die Bausubstanz aus Massivtapete wahrscheinlich eh transparent im Gigahertz-Funkbereich.

Daniel aus dem IRC hatte noch die Idee, es eventuell mit PowerLAN-Adaptern über das hausinterne Stromnetz zu versuchen. Wir haben tatsächlich sogar noch zwei von den Dingern, natürlich mit deutschem Stromanschluss, aber vielleicht funktionieren die ja auch mit Steckeradaptern. Der einzige Nachteil, meinte Nico daraufhin, sei, dass PowerLAN „gerüchteweise die komplette Wohnung in einen Mikrowellensender verwandelt“ — aber „um das mit der Strahlung hab ich schon lang aufgegeben, mir Sorgen zu machen“.

Live by the Internet — die by the Internet. Vielleicht kriege ich ja auf diese Weise eine hübsche Bräune an meinem Heimarbeitsplatz.

Live by the Internet, die by the Internet

Jetzt geht’s los!

[Maus] Ich bin gerade in meinem Büro. Am Sonntag! Was soll ich hier auch sonst tun? Allein die Stadt erkunden ist nicht wirklich lustig. Heute Morgen habe ich den Fußboden in der Küche geschrubbt und na ja, meine neue PutzLEIDENschaft ausgeübt. Ich musste leider feststellen, dass die niegelnageneue Küche bei genauem Hinsehen auch überall kleine Farbspritzer hat. Da habe ich wahrscheinlich etwas typisch Englisches entdeckt, nämlich die fehlende Akribie, mit der ein deutscher Handwerker gearbeitet hätte. Mir sind auch noch andere Kleinigkeiten im Haus aufgefallen, die ich aber einfach ignorieren werde. Schließlich bin ich jetzt Engländerin und sollte mir ein wenig mehr Gelassenheit zulegen.

Gelassenheit ist auch das richtige Stichwort zum Thema Busse. Seit ich mich darauf eingestellt habe, dass die Busse fahren wie sie wollen, bin ich viel entspannter. Niemand erwartet von mir, dass ich pünktlich bin und so gewöhne ich mir so langsam den englischen Trödelgang an. Den gibt es übrigens nicht in London, da rennen alle. Das ist vielleicht so ein Großstadt-Ding, denn aus Berlin kenne ich das ja auch nicht anders.

Na jedenfalls, meine Wochenenden sind ziemlich ereignisarm und so verbringe ich einen Teil meines Sonntags im Labor. Ich mach‘ da nichts Anstrengendes, nur ein bisschen transformieren und Über-Nacht-Kulturen ansetzen. Die kommende Woche ist ja recht kurz und damit ich noch was reißen kann, arbeite ich heute eben ein wenig. So schlimm ist das auch nicht, denn so schön ruhig, wie am Wochenende ist es im Labor so gut wie nie.

In einer Woche ist Ostern und Michael und ich werden in Berlin sein. Am Samstag müssen wir meine Küche einlagern und Dienstag wird mein Zeug abgeholt. Jetzt geht es richtig los. Michael wohnt jetzt in einer Kistenburg und ich campe in meinem Schlafzimmer. Zum Glück ist das alles bald überstanden. Der ganze Stress mit dem Organisieren von diversen Dingen in Deutschland und England hat uns beide sehr viel Nerven gekostet. Wir müssen dann noch etwa eine Woche warten, bis unsere Möbel ankommen. Michael darf also mit mir zusammen campen. Das erste Maiwochenende wird dann nochmal ein Kraftakt, weil sämtliche Möbel aufgebaut werden müssen, aber danach wohnen wir endlich nach fast viereinhalb Jahren Fernbeziehung unter einem Dach. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass dieses Dach in England steht, aber ich freue mich sehr darüber.

Der Garten sieht immer noch chaotisch aus. Unsere beiden Landladies hatten den Zaun angefangen zu streichen und müssen noch ein wenig Müll abtransportieren. Da ich jetzt aber schon dort wohne, wollen sie nicht weitermachen. Sie befürchten wohl, mich zu stören. Mir wäre es egal, aber ich finde es sehr sympathisch, dass sie darauf Rücksicht nehmen. Sie wollen den Rest erledigen, wenn ich nach Berlin fliege. Na von mir aus.

Jetzt geht’s los!

Unser Haus

[Maus] Ich nutze mal die Putzpause, um von unserem neuen Haus zu berichten. Mein Einzug liegt ja nun schon ein paar Tage zurück und es wird Zeit, dass ich mich mal wieder zu Wort melde.

Eigentlich hatte ich meinen letzten Vermieter gebeten bis abends in meiner Bude bleiben zu können, denn am 1. April hatte meine neue Chefin ein Symposium an der Uni organisiert, bei dem wir natürlich mit aushelfen sollten. Das bedeutete um 8:45 Uhr bei ihr im Büro zu erscheinen, um als Tragehilfe auszuhelfen. Da ich aber morgens aus meiner Bude raus musste, hieß es auch, rechtzeitig aufzustehen, also 6:30 Uhr. In aller Eile habe ich meinen restlichen Kram zusammengepackt und meine zwei Koffer und 5 Taschen, sowie einen Rucksack rüber zu meinem Vermieter gebracht. Unglaublich, was ich in nur zwei Monaten alles rangeschafft habe. Den Bus den ich erwischen wollte, habe ich nicht mehr bekommen. Blöderweise blieb mir damit nicht genug Zeit, noch vor Beginn des Ganzen meine Auftragsbestätigung für meinen Umzug auszudrucken, zu unterschreiben, einzuscannen und per Email wegzuschicken. Auch das musste unbedingt noch am selben Tag geschehen, sonst wäre mein Umzug am 22. April nicht mehr möglich gewesen. Aber ich schaffte es immerhin pünktlich zu meiner Chefin ins Büro.

Ich war dann den ganzen Tag damit beschäftigt, Leute zu begrüßen, Vorträge zu hören, Poster anzuschauen und mit den dazugehörigen Studenten zu sprechen. Obendrein haben wir drei Postdocs Getränke besorgt und Knabbereien bereitgestellt. Während einer Pause habe ich dann schnell noch die Auftragsbestätigung auf den Weg gebracht. Als das Symposium zu Ende war, war ich auch schon am Ende, musste aber noch zu meinem alten Haus, um dort auf meine neue Landlady zu warten.

Wir waren um 19 Uhr verabredet aber sie tauchte nicht auf. Kurz nach 19 Uhr bekam ich von ihr eine Nachricht, dass ihr Flieger aus Berlin spät dran war und sie mich gegen acht abholen käme. Glücklicherweise durfte ich bei meinen Vermietern warten. Nancy (die Hausherrin) zeigte mir ihre Kaninchen, die alle drei (!) im Garten herumhoppelten. Um ehrlich zu sein, sah ich zunächst nur die Zwei, die ich schon kannte. Bijous reicher (und kastrierter) Onkel lebt mit zwei Damen zusammen. Die eine ist die Anführerin und sagt den anderen beiden wo es lang geht. Sie hat das auch mal demonstriert an der zweiten Häsin, die holte Nancy nämlich hinter einer im Garten gelagerten Matratze hervor. Die Anführerin hat sie gleich mal ein wenig gejagt und vom saftigsten Grün vertrieben.

Irgendwann um halb 10 kam meine Landlady dann endlich. Wir luden meine zahlreichen Sachen in ihren sehr großen Volvo und fuhren zum Haus, in dem sich leider nicht viel getan hatte seit unserem letzten Besuch. Hektisch zeigten mir die beiden Schwestern noch die Geräte und wollten auch noch schnell einen Filter in die Dunstabzugshaube einbauen. In Ermangelung einer Anleitung schlug ich nach 10 Minuten Diskussion vor, das auf ein anderes Mal zu verschieben. Ich bekam die Schlüssel und wir fummelten eine Weile an den verschlossenen Fenstern herum. Die Schlüssel für die Fenster fanden sich an diesem Abend nicht mehr an. Irgendwann gegen halb zwölf war ich endlich allein in unserem neuen Haus und wollte nur noch schlafen.

Inzwischen habe ich mich mit meiner sehr puristischen Einrichtung arrangiert. Ich habe einen Kleiderschrank und eine Kommode, eine Luftmatratze und zwei Stühle. In der Küche ist ja alles außer Geschirr vorhanden. Meine beiden Landladies haben mir noch ein wenig Oma-Geschirr dagelassen. Im Badezimmer haben sie mir einen Handtuchhalter, ein kleines Metallregal, einen Klorollenhalter mit Klorollen und einen Mülleimer dagelassen. Ich habe mir dann bei IKEA noch einen Wäscheständer kaufen müssen, obwohl wir davon genug besitzen und zu allem Überfluß bringt Michael auch noch einen Wäschetrockner mit. 🙂

In Flur und Küche gibt es ein sehr hübsches Steinfliesenmosaik, was typisch ist für Großbritannien. Leider hat bei den Renovierungsarbeiten keiner darauf geachtet, die Fliesen vor Farbklecksern zu schützen. Ich habe also gestern und heute auch hier meinen neu erworbenen Putzzwang ausgelebt und Fliesen geschrubbt. Der Flur sieht jetzt schon ganz hübsch aus. Die draufgeschmierte Lackfarbe muss ich noch irgendwie entfernen aber der IST-Zustand ist akzeptabel.

Gestern wollte ich dann auch zum ersten Mal kochen. Ich schnibbelte also auf meinem neuen IKEA Holzbrett meine Zwiebeln und Pilze klein und wollte dann den Gasherd anschalten. Laut Anleitung drückt man dafür den Knopf rein und dreht ihn auf höchste Flamme. Als ich das tat, hörte ich lediglich das Gas ausströmen. Keine Zündung. Ich grübelte eine Weile, beschloss dann aber doch nach einer Anleitung zu suchen. Die hatte man mir leider nicht dagelassen, also musste ich im Internet suchen. Da stand genau das, was ich getan hatte. Mmh. Ich grübelte, ich las. Da steht was von elektrischer Zündung. Muss ich bei diesem Ding etwa erst noch den Strom einschalten? Ich suchte also nach einem Schalter. Dieser musste sich ja irgendwo in der Küche befinden. Nach gefühlten zwei Stunden (es waren wohl eher 30 Minuten) fand ich im Schrank einen Schalter, den ich noch nicht probiert hatte. Den hatte ich gefunden, weil ich mit meiner Taschenlampe dem Kabel vom Herd gefolgt war. Meine feingeschnittenen Schalotten waren schon halb vertrocknet als ich endlich mit dem Kochen loslegen konnte. Diese Schalter hier sind mir ein Rätsel.

Unser Haus

Was zuletzt geschah

[Mych] Unser Schweigen ist nur äußerlich.

Für Ostern sind unsere beiden Umzüge geplant — meiner kurz davor, Judiths kurz danach –, und die organisatorischen Klimmzüge, die wir dafür machen müssen, haben am Abend nicht viel mehr Energie übrig gelassen als gerade genug für ein leises „Bleh“.

Was, unter anderem, in den letzten drei Wochen geschehen ist:

  • Wir haben den Mietvertrag für das Haus unterzeichnet. Unsere beiden Landladys waren wieder sehr zuvorkommend mit Tee und Gebäck, und das Wetter war fantastisch. Wir haben danach noch zu viert draußen auf der Terrasse in der Sonne gesessen und über Gott und die Welt gequatscht.
  • Wir haben uns ein gemeinsames Haushaltskonto (bei Lloyds) zugelegt, und Judith ist mit ihrem Privatkonto von Santander zu Lloyds umgezogen. Beides dauerte in Summe ungefähr eine Stunde, und auch von ihr wollten sie nicht mehr als ihren deutschen Personalausweis sehen. (Kein Adressnachweis, kein Pass, kein Gehaltsnachweis, nur den Perso.) Zufälligerweise waren wir an den gleichen sympathischen Berater geraten wie vor ein paar Wochen, als ich mein Konto dort eröffnet hatte. Im Online-Banking sehen wir beide jetzt jeweils unser Privat- und unser Haushaltskonto, und Geldüberweisungen vom einen zum anderen sind buchstäblich instantan. (Und Überweisungen zwischen verschiedenen Banken dauern höchstens zwei Stunden. Davon könnte sich das deutsche Bankwesen echt mal ’ne Scheibe abschneiden.)
  • Als Übergangslösung fürs im neuen Haus noch fehlende Internet haben wir uns bei O₂ einen „4G Mobile Broadband“-USB-Stick gekauft, den’s an diesem Wochenende zufälligerweise zum halben Preis gab. Das Ding stellt ein lokales WLAN zur Verfügung und ist schneller als mein alter DSL-Zugang in Frankfurt. (Und der nächste O₂-Funkmast ist zwei Straßenecken von unserem Haus entfernt.)
  • Unsere Logistikpläne für den finalen Umzug über Ostern haben wir zweimal umwerfen müssen, denn niemand will Judiths Hasen transportieren: GermanWings (fliegt von Berlin) nimmt gleich gar keine Tiere mit; Lufthansa (fliegt nur von Frankfurt) würde den Hasen im Laderaum mitnehmen, aber dann müssten wir den alten Herrn für mehrere Stunden alleine lassen; und der EuroStar durch den Eurotunnel lässt auch keine Karnickel im Gepäck zu. Es sei denn, man nimmt es im eigenen Auto über Eurotunnel Le Shuttle durch den Tunnel mit. Also fahre ich zu Karfreitag mit meinem Seat Ibiza nach Berlin und wir alle zusammen dann kurz nach Ostern erst nach Calais, dann durch den Tunnel, und dann weiter bis nach Coventry.
  • Ich habe amüsante und kuriose Dinge beim Zusammenpacken meiner Wohnung gefunden. Aber dazu gibt’s einen separaten Beitrag.

Ein paar Bemerkungen zum Haus:

  • Das Haus ist sowieso toll gelegen. Wenn man hinten durch die Tür im Gartenzaun rausgeht, steht man auf einer Privatstraße, von der aus man durch ein verschlossenes Gatter (zu dem wir einen Schlüssel bekommen) nur noch eine Straßenüberquerung entfernt ist vom Lake View Park — einem tollen, etwas wilden Riesenrasengelände mit anderthalb Flüsschen, keinem See (der war wohl mal geplant, wurde aber nie gebaut), dafür aber kleinen wilden Unterholz- und Baumgrüppchen. Da legen wir einen T4-er Geocache hin.
  • Wir haben den Grundriss unserer fünf Zimmer in SketchUp aufgemalt und auf diese Weise herausgefunden, dass wir in diesen Zimmern insgesamt etwa 50 Quadratmeter an Wohnfläche haben (plus Flur, Küche, Bad, Terasse, Abstellkammer, Garten, und Gartenklo). Aber wir haben’s tatsächlich geschafft, alle von Judiths Möbeln und den größeren Teil von meinen sinnvoll (virtuell) unterzubringen.
  • Angeblich bekommt man bei unserer neuen Adresse Glasfaser-Internet mit einer Bandbreite, die meinen klapprigen DSL-Zugang in Frankfurt alt aussehen lässt.
  • Ein paar der schönen alten Holzmöbel, die im Haus standen, haben wir übernommen; und Judiths Frage, ob sie vielleicht den einen oder anderen altersbedingten Makel durch Abschleifen und Neulackieren reparieren dürfte, wurde bedenkenlos bejaht. Da sind die ersten paar handwerklichen Projekte ja schon vorbestimmt.
  • Wir wissen noch nicht so recht, wie man die gasbetriebenen Kamine in Wohn- und Esszimmer anfeuert. Es gibt eine Anleitung mit ungefähr zwanzig einfachen Schritten, die durchgeführt werden müssen. Die werden wir einfach mal systematisch durchprobieren. (Marys Ansatz per Intuition funktionierte jedenfalls nicht auf Anhieb.)
Was zuletzt geschah