Island: Nachlese

[Mych] Was auf der digitalen Filmrolle übrig blieb …

Ständiger Begleiter auf unserer Reise: Schafe links, Schafe rechts, und manchmal auch Schafe in der Mitte von der Straße. Kleine und große. Weiße, braune, gescheckte, schwarze. Vor dem Zaun und hinter dem Zaun. Schafe Schafe Schafe.

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In Egilsstaðir auch ein paar Enten.

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Beim Dettifoss entdecken wir das erste Drohnenverbotsschild:

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Das hier ist noch selbst gedruckt, aber an anderen Orten gibt’s das gleiche Drohnensymbol auch professionell gefertigt in schwarz auf gelbem Plastik.

Dieses Schild hier begründet das Drohnenverbot mit Tier- und Pflanzenschutz – so, wie sich manche Touristen hier auch drohnenlos schon verhalten, würde mich kein bisschen wundern, wenn der eine oder andere Drohnenbesitzer sein irgendwo im Steilhang abgestürztes bestes Stück ohne zu zögern unter völliger Missachtung von Tieren, Pflanzen, gesundem Menschenverstand und eigenem Leib und Leben hinterhersteigen würde.

Bei Seltún berichtet der Earthcache-Owner von den seltenen und scheuen Schlammtopf-Vögeln, die sich schnell in eine von den Schlammblubberblasen verziehen, sobald jemand in die Nähe kommt. So einen haben wir zufälligerweise schon bei den Hverir-Quellen auf einem Foto erwischt:

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Leben findet sich eh überall, auch im Vulkangeröllfeld:

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Feierabendbierchen auf der Freiterrasse im Laxá-Hotel. (Nein, das ist keine Fototapete.)

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Das Amphibienfahrzeug, mit dem wir in der Jökulsárlón-Gletscherlagune herumgeschippert sind, stammt offenbar aus US-Army-Altbeständen:

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Kurz nach Verlassen der Gletscherlagune kommen wir an Überresten der Múlakvisl-Brücke vorbei, die zerstört wurde, weil ein paar Eisberge dagegen geprallt sind:

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Detail vom unteren Ende des Svartifoss – sieht aus, als hätte jemand mit Bauklötzen gespielt:

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Unser kleiner silberner Škoda Fabia, der uns 2505,5 km lang um die Insel gefahren hat. Die Ringstraße selbst hat nur etwa 1400 km Gesamtlänge; offenbar haben wir ein paar Umwege gemacht.

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Ein neueres Modell als der, den wir in England hatten – merkten wir auch an der VW-artigen Innenausstattung. Die Kabelbinder zur Fixierung der Radkappen an der Felge gibt’s allerdings auch bei diesem Modell offenbar serienmäßig. Ist bei den halbmetergroßen Kratern in den Schotterpisten vielleicht auch einfach nötig.

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Und zuletzt – ein vorläufig letzter Abschiedsgruß, aufgenommen bei Aurora-Stufe 7 kurz nach dem Start aus Kevlavik:

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Ja, wir kommen wieder. Ganz sicher.

 

Island: Nachlese

Island: Ein würdiger Abschied

[Maus] Wehmut kommt auf. Der letzte Tag liegt vor uns, und wir haben uns für heute den südwestlichen Zippel um den Flughafen herum vorgenommen.

Doch gestern Nacht sind wir gegen 21 Uhr noch mal losgezogen. Am Þingvellir hatten wir noch etwas zu erledigen.

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Ein Geocache, der bei den Touristenmassen des Tages einfach nicht zu finden war, musste unbedingt noch geloggt werden. Dieser Geocache gehört zu einer GeoTour-Reihe, bei der an historischen nordischen und Wikingerorten Dosen versteckt wurden. Island macht den Anfang. Es folgen Norwegen, die Faröer Inseln, Orkney, Shetland, Highland Schottland, und die Isle of Man. Mal sehen, ob wir alle finden können.

Gestern sollte außerdem auch wieder Aurora borealis Aktivität vorhanden sein. Also bleiben wir ein wenig länger und können sogar ganz schwach das grüne Leuchten sehen. Doch kurz nach Mitternacht sind wir durchgefroren und müde genug, um endlich im Bett zu verschwinden.

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Vom nächsten Tag erwarten wir eigentlich nicht viel – die Gegend, in der wir unterwegs sind, ist touristisch nicht so überlaufen. Hier kommt man nur her, um die Blaue Lagune zu besuchen.

Als wir bei Seltún ankommen, werden wir doch noch überrascht. Es brodelt und kocht um uns herum. Wir sind hier im Geothermalgebiet Krýsuvík, das sich auf der Grabenbruchzone des mittelatlantischen Rückens befindet. Natürlich wird das Dampfen und Brodeln vom typischen faulen Eiergeruch begleitet.

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Es geht weiter zu einem unscheinbaren Parkplatz unfern der Blauen Lagune. Dort führt eine Treppe in eine natürliche Höhle, die wir nur auf Grund eines dort liegenden Geocaches gefunden haben. Man könnte mit entspechender Ausrüstung und Mut auch auf allen Vieren in die achtzig Meter tiefe Höhle hineinkrabbeln, aber wir entscheiden uns dann doch dagegen.

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Stattdessen fahren wir zum Hauptziel des Tages, zur Blauen Lagune. Diese ist halb natürlich und halb von Menschenhand geschaffen. Das Geothermalkraftwerk Svartsengi leitet sein „Abfallprodukt“, eine Mischung aus Süß- und Salzwasser, die zur Stromerzeugung aus zwei Kilometern Tiefe hochgepumpt wird, in das umliegende Lavafeld. Mineralsalze, Kieselerde und Algen sind in dem Wasser gelöst und beeinflussen die Farbe, die von blau bis grün sein kann, je nach Lichteinfall.

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Wir entspannen hier im angenehm warmem Wasser, unter freiem Himmel, schmieren uns mit „Silica mud mask“ (Kieselerdeschlammmaske) und „Algae mud mask“ (Algenschlammmaske) ein und lassen es uns fünf Stunden lang gutgehen.

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Angenehm erfrischt besuchen wir Gunnuhver. Hier gibt es mit 300°C die heißesten Quellen in Südwestisland. In den Höhlen und Spalten befindet sich hier kein Regenwasser sondern salzhaltiges Meerwasser. Das merken wir schnell als wir unter der riesigen Dampfwolke durchlaufen. Wir werden nicht nur nass, sondern schmecken das Salz auf unseren Lippen. Statt des typischen Eierdufts gibt es hier eine Mischung aus Eiern und Fisch.

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Als letzte Station vor dem Flughafen fahren wir einen weiteren Grabenbruch an und laufen über ein Brücke, die die nordamerikanische und die eurasische Platte trennt.

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Ein Urlaub mit vielen Eindrücken geht zu Ende und wir wissen, dass wir zurückkommen wollen.

 

Island: Ein würdiger Abschied

Island: Kontinentalplattenhopping

[Mych] Heute wird sich der Kreis schließen: Der Kilometerzähler unseres kleinen Škoda Fabia, den wir erbarmungslos über die kraterübersäten Schotterpisten gejagt haben, zeigt weit über zweitausend Kilometer mehr an als noch vor anderthalb Wochen, als wir ihn aus dem Flughafenparkplatz gefahren hatten. Heute fahren wir zurück nach Reykjavik.

Vorher werden wir aber noch einem der bedeutungsvollsten Orte auf Island einen Besuch abstatten: dem Þingvellir – dem Ort, wo sich tausend Jahre lang unter freiem Himmel einmal im Jahr, zur Sommersonnenwende, Menschen aus allen Ecken der Insel trafen, um Gesetze zu machen, Recht zu sprechen, zu handeln und zu feiern.

Þingvellir, der historische Ort, findet sich in Þingvellir, dem Nationalpark – und direkt auf der Grenze zwischen der eurasischen und der amerikanischen Kontinentalplatte. Das ganze Gebiet ist von aktiven Vulkanen durchsetzt, und die Schlucht Almannagjá, in der die das Althing besuchenden Menschen einmal im Jahr für zwei Wochen ihre Zelten und Buden aufstellten, ist in den letzten zehntausend Jahren um siebzig Meter breiter geworden: knapp ein Zentimeter jedes Jahr.

Wir spazieren, zusammen mit hunderten anderer Touristen, vom Aussichtspunkt in Richtung des Lögberg, des „Gesetzesbergs“ – so genannt und so gewählt, weil der Gesetzessprecher dort mit dem hinter ihm auftürmenden Schild aus Vulkanfelsen im Rücken seine Stimme kaum erheben musste, um von allen verstanden werden zu können, wenn er der Versammlung das jährliche Drittel aller geltender Gesetze zitierte.

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Auf unserem Pfad in die Schlucht zwischen den Kontinentalplatten hinein überqueren wir eine kurze hölzerne Brücke: Hier war vor ein paar Jahren unvermittelt ein kleines Loch im festgestampften Boden entstanden, und bei genauerer Untersuchung stellte man fest, dass sich darunter ein metertiefer Hohlraum befand, entstanden in Jahrhunderten der Kontinentaldrift.

Wir verlassen den großen Touristenstrudel am Besucherzentrum, fahren ein kleines Stück weiter und halten am Straßenrand nahe der Koordinaten eines Geocaches, den da jemand zwischen den Kontinentalplatten versteckt hat. Der Ort ist nicht ausgeschildert; wir sind fast alleine hier – ein paar vereinzelte Leute kennen den Geheimtipp offenbar auch und schauen ebenfalls neugierig in die tiefe Kluft, die die auseinanderdriftenden Erdplatten in den Felsboden gerissen haben.

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Und schließlich haben wir noch eine Aufgabe zu erledigen, die man uns zu Hause auf den Weg mitgegeben hat – unsere Island-Sweatshirts, handgefertigt mit Nähwana-Label, verkünden Geokoordinaten:

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Wir geben sie ins Navi ein und lassen uns führen – von der Ringstraße auf eine Nebenstraße, von der schließlich auf eine einspurige Schotterpiste, die schließlich in einen kleinen Schotterparkplatz mit Picknickbank mündet. Ein paar Schritte dahinter, hinter einem Zaun mit schafsicherem Wanderertreppchen, erhebt sich die Gischt eines Wasserfalls, den wir endlich mal ganz für uns haben: der Ægissíðufoss, so versteckt und beschaulich, dass noch nicht mal Wikipedia ihn kennt.

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Das GPS-Gerät führt uns zum Ufer des Flusses, aber wir sind immer noch hundert Meter entfernt von Ground Zero. Gegenüber erspähen wir eine Sitzbank: dorthin kommt man also auch, und unser Ehrgeiz ist geweckt, den Koordinatenpunkt genau zu finden. Wir nehmen uns das Navi zur Brust und finden die nächste Parkgelegenheit auf der anderen Flussseite, vier oder fünf Kilometer Fahrstrecke mit dem Auto entfernt.

Wir lassen das Auto am Ende eines Schotterwegs stehen und machen uns auf zu einem kleinen Spaziergang durch die Hügel und Wiesen, 700 Meter Luftlinie, entlang eines engen Trampelpfads am Ufer des Flusses entlang, der sich hier breit und gemächlich durch die Landschaft windet, wahrscheinlich auch in der Mitte kaum mehr als knietief.

Die Gischt des Wasserfalls ist schon von Weitem sichtbar. Unser Pfad führt uns direkt ans obere Ende des Falls, direkt zu den Steinplatten, die ins Wasser münden, bevor es über mehrere Stufen ein paar Meter in die Tiefe fällt. Irgendwer hat auf der anderen Seite eine Fischtreppe aus Beton an den Rand des Wasserfalls gebaut – ein ungewöhnlicher Anblick hier in Island. Wir grübeln, warum, und vermuten schlussendlich, dass das wahrscheinlich Anglern im Oberwasser zugute kommen soll.

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Wir setzen uns auf die Bank, nebeneinander, und blicken über unseren Wasserfall.

Island: Kontinentalplattenhopping

Island: Golden Circle

[Maus] Gestern sind wir hier am Golden Circle angekommen, aber das wirklich heftige Regenwetter mit Horizontalregen hatte uns in unser Hotelzimmer getrieben und da haben wir es uns gemütlich gemacht. Heute Morgen wurden wir dann glücklicherweise von der Sonne begrüßt.

Wir beginnen unseren Tag mit dem Gullfoss, dem goldenen Wasserfall. Gemeinsam mit den benachbarten Geysiren und dem Þingvellir gehört er zum Gullni hringurinn („Goldener Ring“). Gewaltige Wassermassen stürzen sich in zwei Stufen in eine Schlucht hinab. Die erste Stufe, die sich in mehrere kleinere Fälle aufteilt, ist 11 Meter hoch, von der zweiten Stufe stürzt das Wasser 20 Meter in die Tiefe. Die Gischt steigt weit über die Oberkante der Schlucht hinaus auf und durchnässt die Wiese unterhalb des Touristenpfades so stark, dass dort alles wie Sumpfland aussieht.

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Wir erfahren vor Ort, dass  der Wasserfall 1920 mal an englische Investoren verpachtet worden war, die vorhatten, dort einen Staudamm zu bauen. Zum Glück ist es nie dazu gekommen, da sich Sigríður Tómasdóttir dagegen einsetzte und Fußmärsche nach Reykjavik unternahm, um den Bau zu verhindern. Eine echte Zwickmühle, in der sich Island da befindet. Soll man diese Naturgewalten erhalten oder zur Energiegewinnung nutzbar machen?

Im selben Gebiet, dem Haukadalur, befindet sich DER Geysir, nach dem alle anderen Geysire benannt wurden. Leider schläft dieser Geysir inzwischen die meiste Zeit. Um uns herum steigt aus allen möglichen Löchern Eierduft und Dampf auf.

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Den Wasserspuckdienst hat Strokkur übernommen. Auch diese Fontäne ist beeindruckend. Strokkur zeigt sich von seiner besten Seite und speit sogar häufiger Wasser, als wir erwartet hatten.

Bei dem Versuch, Fotos davon zu schießen, werde ich von der Heftigkeit so überrascht, dass mir die Kamera vor Schreck aus der Hand fällt. Zu meinem Glück ist sie an meinem Handgelenk befestigt, wie wir es hier überall machen, damit sie nicht versehentlich in einem Abgrund oder irgendeinem Säuresee verschwindet.

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Es gibt vor Ort auch noch klitzekleine Anfängergeysire, die sicher irgendwann auch mal dran sind Fontänen zu speien. Im Moment steigt in den kleineren Geysiren nur ab und an ein Blub auf.

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Unsere ganze Reise lang freuen wir uns schon darauf einmal in einer heißen Quelle unter freiem Himmel zu baden. Heute war es dann so weit. Im Reykjadalur („Rauchtal“) fließt der Reykjadalsá, ein warmer Bach.

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Überall steigt hier Dampf aus der Erde auf und auf dem Weg zur Badestelle finden sich immer wieder kochende, nach Eiern duftende Wasserlöcher.

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Ein wenig durchgeschwitzt vom Aufstieg kommen wir an der Badestelle an, die praktischerweise mit einem hübschen Holzsteg und Schamwänden zum Umziehen ausgestattet ist.

Um die beste Badestelle zu finden, laufen wir bis zum Ende des Weges, als plötzlich eine junge Frau aus dem Wasser fragt: „Bist du Michael?“ – seine Großcousine urlaubt auch gerade auf Island und badet mit ihren Begleiterinnen in dieser unfassbar schönen Umgebung. Eine nette Überraschung. Kurze Zeit später steigen auch wir am oberen Ende der Badestelle ins heiße Wasser und entspannen uns. Es ist so heiß, dass man sich ab und zu an der Luft abkühlen muss.

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Wohlig ermattet machen wir uns auf den Rückweg und treffen auf unsere zotteligen Freunde, die Straßenschafe. Wäre man ein Schaf, man würde auf Island leben wollen. Überall laufen sie frei herum, dürfen sogar ihre Hörner behalten. Sie stehen wie ein Haufen Tratschtanten beisammen, blöken ab und zu und fressen das saftigste Gras.

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Morgen beenden wir dann den Besuch des Golden Circle mit dem Þingvellir.

Island: Golden Circle

Island: Der schwarze Strand

[Mych] Heute regnet es. In Strömen. Das hat es bis jetzt noch nie getan.

Wir halten einen netten Frühstücksschnack mit unseren neuen Bekannten aus Sydney und dem Vater aus Kanada – seine beiden Söhne hatten es noch nicht aus den Federn geschafft – und fahren weiter. Wir wollen zu Vík í Mýrdal, den schwarzen Strand.

Als wir von der Hauptstraße abbiegen, passieren wir ein Warnschild, das uns in mehreren Sprachen (neben den üblichen Gefahren wie bröckelnden Abhängen, fallenden Steinen, mümmelnden Schafen usw.) vor den „sneaker waves“ warnt, die am schwarzen Strand drohen. Wir sollen uns von der Brandung fern halten: Zwischen den harmlosen Wellen kommt hin und wieder auch mal unvermittelt ein Brecher herein, der jeden unachtsamen Touristen ergreift und ins Meer verschlingt.

Judith hat vorausschauenderweise ihre wasserdichten Hosen angezogen, die sie sich fürs Fahrradfahren in Coventry gekauft hatte, aber ich besitze keine. (Ich hatte vor unserem Urlaub daran gedacht, mir auch welche zu kaufen, aber irgendwie war das in den Vorbereitungen für unsere Party untergegangen. Keine Ahnung, wie das geschehen konnte.) Nach ein paar Kilometern schlaglöchriger Schotterstraße parken wir zwischen einer erstaunlichen Menge anderer Autos und begeben uns in den fast horizontalen Regen.

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Der schwarze Strand besteht aus winzigen schwarzen Kieseln. Rechts Brandung, links die senkrechte Basaltwand. Das Meer verschwindet nach einigen Dutzend Metern im dichten Nebel. In der Ferne hören wir das Nebelhorn eines Schiffs, wieder und wieder.

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In regelmäßigen Abständen hat das Meer die Felswand unterspült, die Basaltsäulen von unten her Stück für Stück abbröckeln lassen und Hohlräume geschaffen, die einige Meter in den Fels vordringen und Unterschlupf vor dem Wetter gewähren.

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Oben auf den Felsen entdecken wir einige Papageitaucher zwischen den ganzen Möven.

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Halb durchnässt setzen wir uns wieder ins Auto und fahren einen Umweg von dreißig Kilometern zum anderen Ende des schwarzen Strands, wo ein natürlicher Felsbogen und das Wrack einer Douglas C117-D auf uns warten. Die letzten Kilometer führen uns wieder über eine anderthalbspurige Schotterstraße, diesmal mit braunen Sturzbächen durchsetzt und in Serpentinen eine zehnprozentige Steigung den Berg hoch. Der Regen ist jetzt so waagrecht, dass die Frontscheibe unseres geparkten Autos trocken bleibt, während das Wasser gegen die Rückscheibe prasselt.

Wir steigen aus und gehen den Weg entlang, sehen den mit einer schlichten kniehohen Kette abgesperrten Abgrund, und dahinter nur hellgraues Nichts. Wir umrunden das kleine Leuchtturmhäuschen, das sich auf der Felsspitze befindet, während meine Jeans langsam von der Nässe schwer werden. Bevor wir an den Aussichtspunkt kommen, an dem wir den Felsbogen hinter der weißen Wand wahrscheinlich nur vermuten könnten, kehren wir um – das macht keinen Sinn so. Da fahren wir lieber gleich zu unserem nächsten Hotel und machen uns einen gemütlichen Resttag.

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Entlang der Strecke biegen wir noch kurz zum Skógafoss ab. Wir grübeln kurz hin und her, ob wir tatsächlich das warme Auto verlassen wollen, um noch näher ranzugehen, und entscheiden uns schließlich dafür – wo sonst kann man schon ungehindert bis auf ein paar Meter ans untere Ende eines Wasserfalls ran?

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Am frühen Nachmittag kommen wir in unserem Hotel für die nächsten beiden Nächte an. Reykjavik ist nur noch knapp sechzig Kilometer entfernt; wir wollen die nächsten beiden Tage nutzen, die Umgebung zu erkunden und erst übermorgen Abend zu unserer (vorläufig) letzten Übernachtung in Island in die Hauptstadt zu fahren.

Island: Der schwarze Strand

Island: Heißkalte Tage im Süden

[Maus] Da, wo gestern noch eine Nebelwand unser Ausblick war, können wir am Morgen eine Gletscherzunge des Vatnajökull sich den Berg hinabschlängeln sehen. Das Wetter bietet heute viel Dramatik und soll sich bei der ersten Station des Tages als bestens erweisen.

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Blaue Eisberge begrüßen uns, als wir am Jökulsárlón ankommen. Hier, wo das Meer auf eine Gletscherzunge trifft, hat sich ein Gletschersee gebildet, der auf Grund der Gletscherschmelze seit 1975 von knapp acht auf 18 Quadratkilometer angewachsen ist. Ein Amphibienfahrzeug soll uns näher an die riesigen Gletscherbruchstücke heranbringen.

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Unsere spanische klitzekleine Erklärbärin weist uns darauf hin, dass wir nur deswegen so schöne blaue Eisberge sehen, weil es heute so trübe ist – bei Sonnenschein würden alle Eisberge nur weiß erscheinen. Zu unserem Glück hatte sich auch einer der Eisberge erst kürzlich gedreht und das Eis hatte noch keine Lufteinschlüsse, war also klar wie Glas.

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Nach diesem deutlich unterkühlten Erlebnis sollte es auf dem Weg zum Svartifoss wieder so heiß werden, dass ein T-Shirt vollkommen ausreicht.

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Man meint ja nach einer Weile in Island, man hätte alle Fossarten schon gesehen, und doch überrascht einen der Anblick dieses Wasserfalls. Da türmen sich Säulen auf wie in einer Kathedrale und man meint fast ein Gewölbe zu erkennen, dort wo sich die meist regelmäßig geformten Hexagone am oberen Ende zum Wasser hin neigen. Svartifoss sieht aus wie der verfallene Palast der Schneekönigin, die nun irgendwo auf dem Vatnajökull einen neuen Palast gebaut hat.

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Auf dem Weg zum Canyon mit dem unaussprechlichen Namen Fjaðrárgljúfur bekommen wir einen Eindruck von der Größe des Vatnajökull und seinen Gletschern.

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Der Weg dorthin und der Parkplatz ist für die Masse an Schaulustigen noch nicht gut genug ausgebaut. Ein relativ kleines Flüsschen meandert hier am Boden einer Schlucht in die Hügel hinein, und man kann am Ende der Schlucht hineinspazieren und direkt einen Blick hineinwerfen.

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Läuft man zum anderen Ende der Schlucht, entdeckt man eine Art Wasserfall, die wir so auch zum ersten Mal so in Island sehen: Das Wasser fällt hier nicht, es rutscht auf einer riesigen Wasserrutsche in die Schlucht.

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Die kommende Nacht verbringen wir in einer niedlichen kleinen Anlage, die von einer Familie geführt wird. Zum Abendessen hat die Herrin des Hauses leckeres isländisches Essen gekocht. Wir sitzen mit drei Amerikanerinnen aus Seattle, zwei Australiern aus Sydney und drei Kanadiern am Tisch und essen zusammen, wie eine große Familie. Schöner hätte der Abend nicht enden können.

Island: Heißkalte Tage im Süden

Island: Hengifoss, Öxi, und die Straßenschafe

[Mych] „It’s well worth it!“, ruft uns ein gut gelaunter Amerikaner zu, als wir den Berg in Richtung des Hengifoss hochsteigen. Die meisten Leute sind offenbar früher aufgestanden als wir, um die knappe Dreiviertelstunde vom Parkplatz hoch zu Islands vierthöchstem Wasserfall über den nur mittelmäßig wegsamen Wanderweg zurückzulegen. Wir haben dreihundert Höhenmeter auf zweieinhalb Kilometer Wegstrecke vor uns; selbst in Island würde man dafür schon ein Schild an den Straßenrand stellen.

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Gegenüber, auf der anderen Seite der Schlucht, auf gleicher Höhe wie wir, sehen wir ein Trio von Schafen parallel zu uns den Abhang hochkraxeln. Schafe bewegen sich hier offensichtlich besonders gerne in Dreiergrüppchen übers Land. Manchmal sind die Schafhaufen auch größer, aber nur ganz selten sieht man mal ein Schafpaar oder etwa ein Einzelschaf. Eins, zwei, viele. So funktioniert das, nehme ich an, wenn man im zotteligen Schafspelz den ganzen Tag nichts anderes zu tun hat, als gelegentlich von den würzigen Grasbüscheln zu den leckeren Blaubeergründen zu migrieren und ansonsten nur mal dem einen oder anderen vorbeifahrenden Auto hinterherzuschauen.

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Auf halber Strecke kommen wir am Litlanesfoss vorbei, der hierzulande wahrscheinlich nur deswegen Erwähnung findet, weil er auf halbem Weg zum Hengifoss liegt, aber an jedem anderen Ort der Erde auch selbst schon ein bemerkenswertes Naturschauspiel darstellen würde. Turmhohe Basaltsäulen umrahmen den kleinen Bruder des Wasserfalls weiter oben.

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Wir kraxeln weiter und sind schließlich oben. 118 Meter tief fällt hier das Wasser, mehr als ein Viertel der Strecke über Normalnull. In der ausgehöhlten Bergwand sind horizontale Schichten zu erkennen: meterdicke Lava, getrennt von dünneren Schichten eines rötlichen Materials – Mutterboden, der sich in den ruhigeren Zeitaltern auf den ausgekühlten Lavaschichten angesammelt hatten, bevor der nächste Ausbruch die nächste Schicht glühenden Gesteins darüber legte. Man kann die Schichten zählen wie Baumringe; Dutzende von Malen muss das geschehen sein. Bis jetzt.

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Auf dem Rückweg kommen wir kurz unterhalb des Litlanesfoss an einem von silbrig glänzender Thermofolie bedeckten Häufchen Mensch vorbei, um das sich gerade eine forsch wirkende Frau mit Erste-Hilfe-Köfferchen kümmert, umgeben von einer kleinen Gruppe wohlmeinender Schaulustiger – wahrscheinlich hat die junge Frau beim Abstieg den Fuß umgeknickt. Wir sind froh um unser gutes Schuhwerk; halbhohe Sportschuhe, wie wir sie bei vielen der anderen Wanderer sehen, sind einfach nichts abseits der zivilisiertesten Wege. (Ich bin Experte.) Als wir unten ins Auto einsteigen, kommt gerade die Ambulanz an.

Im Auto überlegen wir, welchen Weg wir zu unserem nächsten Zwischenstopp nehmen wollen: das Hafenörtchen Djúpivogur, das sich vor allem dadurch auszeichnet, dass es in seinem Gemeindegebiet einen der kleinsten unabhängigen Gletscher beherbergt und dass man von hier aus auf die vorgelagerte Insel Papey übersetzen kann, denn da gibt es Puffins zu betrachten. Die sind zwar niedlich, aber das Boot geht nur einmal am Tag um 13 Uhr, und wir entscheiden, dass es unvernünftig wäre, die 80 Straßenkilometer in den bis dahin verbleibenden zwanzig Minuten zurücklegen zu wollen.

Wir grübeln, ob wir den direkten Weg nehmen wollen oder einen deutlichen Umweg an der Küste entlang – auf dem direkteren Weg dräut eine der uns bereits bekannten unasphaltierten Straßen, hat Judith auf der in unserer letzten Unterkunft ausliegenden Umgebungskarte gesehen. Ich will Judith den Spaß mit den Schotterpisten nicht ganz alleine lassen; also machen wir uns auf den kürzeren Weg.

Wir fahren und fahren und warten Kilometer für Kilometer darauf, dass der Asphalt endlich dem versprochenen Schotter weicht. Als fast schon Hoffnung aufkeimt, dass unsere Information veraltet war, endet die gepflasterte Straße dann doch noch. Zehn Minuten später passieren wir ein großes Schild am Straßenrand: Öxi, steht drauf, und: „Mesta hæð: 532 m“, „Lengd: 19 km“, und darunter ein Fahrbahnverengungssymbol mit der Angabe „4.5“ am schmalen Ende und ein Gefällesymbol mit einer „17%“ dran, und wenn man genau hinschaut, wirkt der stilisierte Abhang auf dem Gefällesymbol so, als hätte er einige mächtige Schlaglöcher. Und wenige Meter dahinter fahren wir durch ein Gatter, an dem ein weiteres Schild in mehreren Sprachen darauf hinweist, unter welcher Notrufnummer man Hilfe bekommt, wenn man auf der Strecke in erhebliche Schwierigkeiten gerate.

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Der Weg über Öxi, den Pass über die hiesige namenlose Bergkette, erweist sich als ein wildes Abenteuer selbst im auslaufenden Sommer – ich will gar nicht daran denken, wie es hier im Winter wäre.

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Die Umgebung ist wunderschön, aber die Straße windet sich wie ein loser Bindfaden durch Hügel und Täler und an Abhängen entlang, und ihre Berandung ist fast überall nur durch einige schlichte gelbe Pfosten markiert, auch wenn es fünfzig Zentimeter dahinter in den Abgrund geht. Es gibt eine Leitplanke an zwei oder drei kurzen Steckenabschnitten, wo man ansonsten direkt in einen See fahren würde – wahrscheinlich, um die dortige Fauna zu schützen. Gefahrenstellen sind gut ausgeschildert – BLINDHÆĐ, gerne auch in Kombination mit einer darauf folgenden EINBREIÐ BRÚ oder einer plötzlichen Kurve vor dem nächsten Steilhang –, und Geschwindigkeitsangaben sind als freundliche blaue Empfehlungen ausgelegt: Wer sich nicht dran hält, ist selbst schuld.

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Nach 18 Kilometern sehen wir den Fjord vor uns liegen und einen kleinen Parkplatz, auf dem sich gerade ein chinesisches Pärchen Rührei auf dem Campingkocher brät, und halten an, um uns die verkrampften Beine zu vertreten und den dahinter liegenden Wasserfall anzuschauen.

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Den Rest des Wegs fährt Judith. Kurz nach Djúpivogur setzt sich ein Camper vor uns und fährt auf gerader Strecke inkonsistente fünf bis zwanzig Stundenkilometer unter dem Limit, und wenn gerade niemand entgegen kommt, driftet er gerne mal in die Mitte der Straße, wie man das auch die Einheimischen gerne mal tun sieht – offenbar völlig abseits jeder Zurkenntnisnahme des Verkehrs hinter ihm. Nach zwei abgebrochenen Versuchen schafft es Judith endlich, den Camper zu überholen, Hand auf der Hupe, damit er bemerkt, dass jemand neben ihm ist.

Eine halbe Stunde später müssen wir kurz anhalten, um einer Kleinfamilie Schafe den Übergang über die Straße zu gewähren. Und noch etwas später sehen wir ein Rentier im Grünstreifen zwischen der Straße und dem Meer grasen.

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Unsere heutige Unterkunft nennt sich GlacierWorld Hoffell – ein hübsches, modernes kleines Hotel mit einem theoretisch fantastischen Blick auf den nahen Gletscher, nur dass leider schon den ganzen Tag der Nebel so tief liegt, dass wir die Berge nur grob schemenhaft erahnen können.

Wir packen statt dessen die Badehose und das Handtuch ein und begeben uns vor unserem im Supermarkt in Djúpivogur eingekauften Abendessen aus Skyr und dicken fetten Blaubeeren noch zu den Hot Tubs, die ein paar hundert Meter vom Hotel entfernt im Windschatten eines Lavafelsens in den Boden eingelassen sind und von heißem Wasser gespeist werden, das in einem unauffälligen Container um die Ecke einfach so aus dem Boden kommt. Der Nebel legt sich wie ein leichtes Nieseln auf unsere Gesichter, während wir im warmen Wasser unter freiem Himmel liegen und in die neblige Ferne blicken.

Island: Hengifoss, Öxi, und die Straßenschafe

Island: Von magischen Nächten und brodelnden Säureseen

[Maus] Um Mitternacht, in der Geisterstunde, klingelt das Telefon. Nur wenige Augenblicke später stehen wir auf dem Parkplatz vor unserem Hotel und können unser Glück kaum fassen. Nordlichter. Der Nachthimmel ist klar, bis auf die grünlichen Schwaden, die sich über den Himmel bewegen, als seien sie lebendig.

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Es hat etwas Magisches an sich, dieses unvergessliche Naturschauspiel, das wir nun unbedingt auch noch einmal im Winter erleben wollen.

Am Morgen haben wir es nicht weit bis zum nächsten Naturschauspiel. Am Fuße des Berges Námafjall befindet sich ein Feld heißer Quellen, Hverir genannt. Schon von der Ringstraße aus kann man sehen, wie heißer Dampf aus dem Boden aufsteigt. In kleinen und großen Gruben köchelt in Säureseen der graue Schlamm, der nichts anderes ist, als die Felsen, die von der Schwefelsäure aufgelöst wurde.

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Aus den Schlammgruben und den dampfenden Schloten stinkt es erbärmlich nach faulen Eiern, und eine zeitlang habe ich das Gefühl, dass ich mir mein Frühstück noch einmal durch den Kopf gehen lassen muss. Nach einer Weile wird es besser, aber der Geruch bleibt an uns den ganzen Tag kleben. Selbst unser Auto riecht jedes Mal, wenn wir die Lüftung anschalten, nach faulen Eiern.

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Nicht weit von Hverir liegt der Krater Víti in der Krafla, ein vulkanischer See (Maar), der von Kieselsäurealgen ganz blau ist und den wir uns, weil es fast auf dem Weg liegt, auch anschauen. Víti bedeutet im Isländischen „Hölle“. In der isländischen Mythologie glaubte man, dass sich hier ein Zugang zur Hölle befand.

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Dem Geruch nach zu urteilen, glaube ich das gern. Und wenn man den Hinweisschildern glauben schenkt, kann man mit einem Schritt auf den falschen Untergrund direkt zur Hölle fahren (naja, ich übertreibe, man kann auf Grund der Instabilität der Kruste einbrechen und in einem Säuresee landen, aber das ist so gut wie zur Hölle fahren).

Um wieder frischere Luft zu bekommen, fahren wir zum Dettifoss, dem größten Wasserfall im Norden Islands. Der Weg dorthin ist wieder eine Schotterpiste und ich bin wieder die Fahrerin. Trotz Todesangst bleibt Michael relativ ruhig, nur ein Mal höre ich ein „Oh mein Gott“. Das kleine Stoßgebet scheint zu helfen, wir überleben schadensfrei. Nur der Angstschweiß fließt mal wieder in Strömen und das Traumwetter mit 24°C und die fehlende Klimaanlage tun ihr Übriges. Doch wir werden belohnt, mit einem beeindruckendem Blick auf den Dettifoss, der schon einen ansehnlichen Canyon in den Felsen gegraben hat.

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Auch hier gibt es wieder kaum Absperrungen – das einzige Warnschild verbietet die Benutzung von Drohnen.

Von hier aus fahren wir durch bis nach Egilsstaðir, der größten Stadt im Osten (ca. 2300 Einwohner). Nur zum Rast machen halten wir an einem der zahlreichen Straßenwasserfälle an.

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Island: Von magischen Nächten und brodelnden Säureseen

Island: Vom Götterfall dorthin, wo die Elfen und Trolle leben

[Mych] Über die einspurigen Brücken, die EINBREIÐ BRÚ, fetzen wir ja zwischenzeitlich schon routiniert wie die Einheimischen. Kurz nach Aufbruch in Richtung Mývatn heute allerdings treffen wir auf ein uns neues ominöses Verkehrszeichen: EINBREIÐ GÖNG steht da, symbolisch untermalt von einem stilisierten Tunneleingang, der genau breit genug für eine einzige stilisierte Autofront ist. Vor uns gähnt ein Loch, in das immerhin noch zwei Fahrspuren führen, aber zwanzig Meter in den Tunnel hinein verengt sich die Straße auf eine schmale Fahrbahn, und die Perlenkette trüber gelber Lichter an der niedrigen Decke des Stollens verliert sich in der stockfinsteren Ferne.

Mulmigen Gefühls fahren wir in das Loch, kurz nachdem ein Kleintransporter daraus hervorgedrungen ist. Wird schon keinen Gegenverkehr geben. Wird schon nicht so lang sein, wie es scheint. Die Brücken sind ja auch recht kurz. Links und rechts der mit Beton überspritzte rohe Fels, die dämmrige Beleuchtung über uns. Ein Auto kommt uns entgegen, aber zum Glück gibt es alle hundert Meter eine Ausweichstelle mitten im Berg. Wir versuchen, die Atmosphäre aus dem Auto heraus ins Foto zu bannen, aber das funktioniert nicht richtig, also bremse ich zum Stillstand ab, nehme den Gang raus, öffne die Tür und schieße untermalt vom protestierenden Piepen des Autos (Zündung noch an! Zündung noch an!) ein besseres Bild, das dem Fahrgefühl da unten immer noch keine Gerechtigkeit tut. Um mich herum plätschert das in die Höhle eindringende Wasser hinter einer provisorischen Abdeckung.

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Unser erstes Ziel des Tages ist der Goðafoss, der Götterfall – der Wasserfall, in den seinerzeit vor tausend Jahren der Gesetzsprecher Þorgeir die alten Götterbildnisse geworfen hatte, nachdem er zu Untersuchung aufgefordert worden war, ob die Isländer dem Christentum beitreten sollten, und schließlich festgestellt hatte, dass dies in der Tat geschehen solle.

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Im nahen Souvenirgeschäft erstehen wir eine hübsche Island-Kaffitasse und zwei Schokoriegel mit Lakritzdrops drin, die sich als sehr lecker erweisen. Kaffee können die Isländer übrigens sowieso gut; das ist sicher dem Umstand geschuldet, dass sie ihn selbst gern trinken, und das offensichtlich gern kräftig und dunkel – nicht zu vergleichen mit dem teeartigen dünnen Gebräu, das wir in vielen der englischen Bed-&-Breakfasts zum Frühstück zu trinken bekommen hatten.

Wir fahren weiter: ins Land der Elfen und Trolle, zu den Dimmuborgir, den dunklen Burgen – wieder mitten in die Lavalandschaft hinein. Hier hatte sich erst ein Lavasee auf nassem Untergrund gebildet, und ausdampfendes Wasser aus dem Boden hatte Schlote erstarrender Lava bis zur Oberfläche des Sees aus geschmolzenem Gestein gebildet; als schließlich die Lava abfloss, blieben die Schlote übrig und bildeten eine bizarre Landschaft aus grotesk geformten scharfkantigen Türmen. Menschen pflanzten im letzten Jahrhundert bodendeckende Pflanzen an, um die Gesteinsformationen davor zu bewahren, vom Flugsand verschüttet zu werden.

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Wir besuchen einen der Trolle in seiner Heimhöhle, Hallaflöt, aber er scheint gerade nicht da zu sein. Ich helfe ein bisschen, in dem ich mein Bestes tue, seinen ziemlich staubigen Boden ein wenig zu fegen.

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In den Dimmuborgir leben übrigens die dreizehn Yule-Gesellen, die Jólasveinar, dreizehn rauhbeinige Söhne der Trolle Grýla und Leppalúði, die sommers schlafen und so um die Weihnachtszeit herum beginnen, die Isländer heimzusuchen. Ihre Namen entsprechen dem, was sie am liebsten tun: Da ist der Skyr-Gierschlund, der Türenknaller, der Fensterglotzer und der Wurststibitzer samt ihrer neun weiteren Brüder ähnlicher Anlagen und Neigungen. Heutzutage sind sie offensichtlich etwas domestizierter geworden – sagt zumindest die Werbeindustrie, die sie dieser Tage auch lieber in rote Mäntel kleidet –, aber daran glaubt natürlich kein wahrer Isländer.

Judith hat noch ein besonderes Schmankerl gefunden: die Höhle, in der Ygritte und Jon gebadet hatten, damals in Staffel 3, jenseits der Mauer. Wir biegen von der großen Ringstraße ab und stehen vor einem verschlossenen Gattertor zwei Kilometer vor dem Ziel, aber das Schild an dem Gatter verbietet tatsächlich nicht etwa den Zutritt, sondern bittet nur ums Wiederschließen des Tors. Wir fahren über eine anderthalbspurige Straße aus gestampftem Vulkanboden, bis wir am Ziel ankommen.

In der Grjótagjá-Höhle ist eine Atmosphäre wie im Dampfbad, und ein Finger ins Wasser belegt Temperierung wir beim gemütlichen Vollbad zu Hause mit Schaum und Rotwein. Baden ist leider seit einigen Jahren verboten – das begann, als die Wassertemperatur aufgrund steigender Vulkanaktivität plötzlich deutlich anstieg und man befürchtete, dass die ganze Region instabil werden könnte.

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Die lokalen Freunde des wonnigen Höhlenbadens wichen einfach auf die nahe gelegene Stóragjá-Höhle aus, der wir als nächstes einen kurzen Besuch abstatten, denn da ist eine Geocache-Box verborgen und der Cache-Owner lädt zum Baden ein. Hier wären wir auch wenigstens unter uns – in Ygrittes Höhle herrschte einiger Publikumsverkehr –, aber wir haben unsere Handtücher im Auto gelassen und tragen uns daher nur ins Logbuch ein, in dem wir beim Durchblättern auf einen Geocacher-Bekannten aus Berlin stoßen; die Welt ist klein.

Schließlich landen wir in unserem Hotel für die Nacht, dem Laxá, das mitten in dem großartigsten Nichts liegt, das wir auf unserer Reise bis jetzt erfahren durften. Wir beziehen unser Zimmer mit Blick auf die kraterübersäte Seelandschaft ein paar Kilometer entfernt, an der wir früher am Tag vorbei gekommen waren; trinken ein Víking-Bier draußen auf der Terasse im Freien in der untergehenden Sonne; nehmen ein fantastisches Abendessen im Hotelrestaurant zu uns; und setzen uns mit dem Rest unserer Flasche Rotwein noch in die Bar, um diesen Blog-Beitrag zu tippen, während wir auf die hinter den fernen Bergen untergehende Sonne hinaus schauen können.

Beim Einchecken hatte man uns gefragt, ob wir eventuell heute Nacht geweckt werden möchten, falls die Nordlichter zu sehen seien – das Wetter sei klar und die Vorhersage gut.

Wenn wir Glück haben, wird unsere Nacht kurz.

Island: Vom Götterfall dorthin, wo die Elfen und Trolle leben