When in Bath, do as the Romans do

[Maus] Ich grübelte geraume Zeit, was ich Michael zum Geburtstag schenken könnte, doch mir wollte partout nichts einfallen. Krampfhaft versuchte ich mich zu erinnern, was er sich irgendwann mal gewünscht hatte. Als einziges Ding fiel mir ein Raspberry Pi ein – aber das empfand ich dann doch als eher unpassend. Ich wünschte mir, ich wäre so ein grandioser Bastler wie Michael, damit ich ihn auch mal beeindrucken könnte …

Da wir aber immer noch dabei sind das Land zu entdecken, dachte ich mir, ein Kurztrip – irgendwohin, wo es schön ist – wäre besonders genug; und wenn ich schon nicht Basteln kann, im Organisieren bin ich gar nicht so schlecht.

Nach einiger Recherche (bei der ich immer wieder auf die gleichen Dinge stieß) entschied ich mich für einen Kurzurlaub in Bath. Bath liegt südlich von Coventry in der Grafschaft Somerset und ist berühmt für seine römischen Bäder – doch davon später. Ich buchte also drei Übernachtungen im Harington’s Hotel und, um in Zukunft mitreden zu können, einen Tag im Thermae Bath Spa.

Die erste Überraschung bei unserer Ankunft: Parken direkt am Hotel war nicht möglich (ich hatte einen Parkplatz dazugebucht, da die Altstadt, in der sich unser Hotel befand, nur sehr wenige Parkplätze hat). Als wir vor dem Hotel ankamen, war uns sofort klar, dass noch nicht mal Stehenbleiben eine Option war, denn viel breiter als das Auto war die Straße nicht.

Was nun? Wir beschlossen, erstmal in die nächste Straße einzubiegen, und siehe da: Parkplätze. Doch leider waren das alles reservierte Parkplätze und so parkte Michael ein und wartete dort, während ich ins Hotel ging, um nach dem gebuchten Parkplatz zu fragen. Der Herr am Empfang drückte mir ein laminiertes DIN-A4-Blatt mit der Beschreibung zum Parkplatz und einer Parkplakette in die Hand und bot an, dass wir ja erstmal unser Gepäck ausladen könnten. Ich lehnte dankend ab, da wir nicht viel Gepäck dabei hatten. Nach zehnminütiger Fahrt durch Einbahnsträßchen und Gässchen fanden wir unseren Parkplatz – und nach fünf Minuten Fußweg waren wir auch schon wieder zurück am Hotel.

Micha macht Foto

Das Hotel war klein, aber sehr gepflegt und modern eingerichtet. Wir bezogen unser Zimmer im dritten Obergeschoss und freuten uns über all die kleinen Details. Mein Highlight war die „Oops! Did you forget something?“-Karte mit Deodorant, groß, für Damen und Deodorant, klein, für Herren. Außerdem an der Rezeption zu erwerben: die „Love Box“. Ich frage mich, wie häufig die wohl an der Rezeption gekauft wird. Michael erfreute sich derweil an einer Möwe, die auf dem Schornstein des Nachbarhauses posierte.

MöweOops

Nach einer mittelschweren Kofferexplosion machten wir uns auf den Weg zu unserem ersten Ausflugsziel: dem Jane Austen Centre.

Wer Jane Austens „Stolz und Vorurteil“ kennt, weiß, dass die Protagonisten unglaublich gern zum Afternoon Tea einladen. Wir besuchten also den Regency Tea Room im Jane Austen Centre um „Tea with Mr. Darcy“ zu trinken. Man bekommt aber nicht einfach nur Tee serviert, sondern eine Auswahl leckerer Sandwiches und köstlicher Küchlein, getoppt von meinem persönlichen Favoriten: warmen scones mit clotted cream und Marmelade.

Der „Tea with Mr. Darcy“ war aber nur der Beginn einer unglaublichen kulinarischen Reise durch Bath. Egal, wo wir einkehrten – ob Pub, Spa oder Restaurant: wir bekamen immer vorzügliches Essen, das außerdem immer hervorragend präsentiert wurde.

Mr. Darcy

Um aus dem Urlaub noch etwas Erinnerungswürdiges zu machen, hatte ich im Thermae Bath Spa ein „Time for Two Package“ gebucht. Ich war furchtbar gespannt, denn während wir am Sonntag durch Bath bummelten, entdeckten wir eine sehr lange Menschenschlange und aus Neugierde schauten wir nach, wofür denn angestanden wird. Nach ein paar Metern entdeckten wir einen Aufsteller, der sagte, dass man ab diesem Punkt nur noch 90 Minuten warten müsste. Ein weiterer Aufsteller ein paar Meter weiter kündigte an, dass es von diesem Punkt aus nur noch 60 Minuten seien. Am Ende der Schlange standen wir vor dem Eingang des Thermae Bath Spa, dass wir am darauffolgenden Montag besuchen wollten.

Hier ist also die Frauen-Wand?
Hier ist also die Frauen-Wand?

Das Thermae Bath Spa wird von Englands einziger Thermalquelle gespeist, die schon die Römer im ersten Jahrhundert entdeckten und nutzen. Um die heiße Quelle wurde eine riesige Tempelanlage mit Badehaus gebaut. Vor ein paar hundert Jahren entdeckte man bei Ausgrabungen die römischen Anlagen und machte sie wieder begehbar (ein sehr sehenswertes Museum).

Am Montag war es glücklicherweise nicht so überfüllt. Am Empfang wurden wir angenehm überrascht: Es gab Bademäntel, Handtücher und Schlappen für uns und für unsere Spa-Behandlung auch noch einen Gutschein. Auch Shampoo, Conditioner und Duschgel waren in den Duschkabinen vorhanden. Und bevor man wieder nach Hause geht, kann man seine Badesachen sogar noch in einer kleinen Zentrifuge trockenschleudern.

Auf den vier Etagen des Spas befinden sich das Minerva-Bad (ein mittelgroßer Pool mit einem Whirlpool-Bereich, in dem es alle paar Minuten mal whirlt, und einem Suppentopf-Strudel außen herum), Steamrooms (vier Dampfsaunen mit unterschiedlichen Aromen und Temperaturen zwischen 45 und 50°C, und in der Mitte des Raumes befindet sich eine Regendusche), der Anwendungsbereich (mit einem Angebot an verschiedenen Massagen, Gesichts- und anderen Schönheitsbehandlungen) mit anschließendem Restaurant und einem Pool auf dem Dach (ebenfalls mit Whirlelementen).

Wir ließen uns den ganzen Tag lang mit Poolnudeln durchs Wasser treiben und genossen unsere einwandfreie Partnermassage. Die fand zwar im selben Raum statt, aber ich habe von Michael nichts gehört oder gesehen, denn entweder schaute ich auf den Boden unter mir oder hatte ein warmes Lavendelkissen auf den Augen.

Der einzige Wermuthstropfen des Tages war das Verschwinden meines Bademantels samt Gutschein für die Partnermassage, Handtuch und Schlappen während unseres Aufenthaltes in den Steamrooms. Aber das freundliche Personal am Empfang stattete mich einfach neu aus, inklusive riesiger Schlappen, die selbst Michael zu groß waren.

Ein großartiger Kurzurlaub mit allem, was ein Römer so braucht.

Absolutely!
Absolutely!
When in Bath, do as the Romans do

Party like it’s 1651

[Mych] „Da seid ihr ja gleich am tiefen Ende eingestiegen“, sagt Tom mit einem halben Grinsen.

Mir steht der Schweiß auf der Stirn, während ich an meinem Tee nippe. Jen, die junge blonde Frau mit Uni-Warwick-Pulli, hatte uns erklärt, was passieren würde: zuerst ein bisschen tanzen, dann Pause und Tee trinken, und dann noch ein bisschen mehr tanzen. Dass der Saal kaum geheizt ist, fiel uns nur am Anfang auf. „Smashing!“, wie Jen sagen würde.

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Ich hatte nicht so recht gewusst, worauf wir uns heute Abend einlassen würden. Wir waren in erster Linie wegen der Musik auf die Idee gekommen, hierher zu gehen: Blast from the Past spielt auf. Die hatten wir zuletzt im Sommer in Kenilworth Castle gesehen, während im Hintergrund Apotheker vor ihrem Zelt ihre pharmazeutischen Pülverchen und Tränke feil boten, Ritter mit langen Lanzen gegeneinander ritten und Gaukler das Fußvolk bespaßten. Heute Abend sitzen Chris und Sophie mit ihren Instrumenten in normalen Klamotten auf dem kleinen Podest am Ende des Saals und haben sich einen Fiedler als Verstärkung geholt.

Coventry Zesty Playford hat Jen ihre Veranstaltung genannt – nicht irgendein Playford, sondern eins voller Leben und Begeisterung. Und, schreibt sie auf ihrer Website mit Stolz: immer mit Live-Musik. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die £9 Eintritt pro Person überhaupt reichen, um die Band zu bezahlen. Aber auch die machen den Eindruck, als ob sie nicht nur wegen des Gelds hier sind.

Ein ‚Playford‘, erklärt Jen auf ihrer Website, ist „so ähnlich wie ein Ceilidh“ (gesprochen: ‚Key-Lie‘). John Playford hatte vor mehr als dreihundert Jahren ein Kompendium von Gesellschaftstänzen herausgegeben – über neunhundert Tanzbeschreibungen samt Melodien. Von Paartänzen ohne Partnerwechsel wusste damals noch niemand etwas; die kamen erst Ende des 18. Jahrhunderts in Mode. Früher tanzte man als Gruppe.

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Die Teepause ist um. Ed, der junge Mann mit dem rötlichen Vollbart im Zylinderhut, ruft uns Tänzer wieder in Formation. Es ist typisch für ein Ceilidh, dass ein Ausrufer die Tänzer durch die Schritte und Figuren des nächsten Tanzes führt, bevor die Musik losgeht. „Gebt euch zu viert die Hände“, weist er an, und wir tun das mit unserem Nachbarpaar. Wir müssen wissen, wer die ‚Ones‘ und wer die ‚Twos‘ sind – das erste und das zweite Paar des Vierergrüppchens. Am Ende jeder Runde werden sich die ‚Ones‘ eine Position weiter nach rechts bewegt haben und die ‚Twos‘ eine weiter nach links. Wenn ein ‚One‘-Paar am Ende der Reihe ankommt, wird es zum ‚Two‘-Paar und umgekehrt.

Judith und ich sind nicht die einzigen Neulinge im Saal – und Judith kann wenigstens klassisch tanzen, ganz im Gegensatz zu mir. Zum Glück kann ich mich erstmal darauf konzentrieren, die richtigen Figuren in der richtigen Reihenfolge zu machen. Und da wir zu viert oder zu sechst tanzen, ist fast immer jemand dabei, der weiß, wo’s als Nächstes hingeht.

Bei den doppelten Achtern fallen Judith und ich trotzdem aus der Formation. „Geht einfach durch die Lücke zwischen euren Gegenübern“, sagt Tom im Vorbeitanzen, aber bei dieser Figur sind alle Leute ständig in Bewegung; diese Lücken müssen virtuell sein. Naja, wie Tom ja auch schon gesagt hatte: Playford ist nicht gerade der einfachste Anfang für einen Neuling – wir sind am tiefen Ende eingestiegen.

Für den allerletzten Tanz bleiben Judith und ich am Rand sitzen. Drei Stunden hin- und her springen, sich drehen und sich gegenseitig an den Händen herumwirbeln (minus eine Viertelstunde für Tee) ist ein ganz schöner Workout.

Maureen spricht uns an, als sich nach dem finalen Applaus für die Band die Veranstaltung langsam auflöst: Wir hätten uns wacker geschlagen, und wir sollen auf jeden Fall weiter machen und uns nicht dadurch verunsichern lassen, dass wir vielleicht nicht alles auf Anhieb richtig gemacht hätten. Blast of the Past hat heute Abend offenbar ein eher ungewöhnlich flottes Tempo vorgelegt. Sie holt ihr Handy und schreibt uns eine Telefonnummer einer Bekannten auf, die auch gelegentlich Abende wie diesen veranstaltet, und wir sollen unbedingt dort anrufen und sagen, dass sie uns schickt.

Und sie ist nicht die Erste: Schon in der Pause hatte der Herr mittleren Alters mit dem „Party like it’s 1651“-T-Shirt Judith angesprochen und uns erzählt, dass er Anfang März ein Ceilidh mit einfacheren und anfängerfreundlicheren Tänzen veranstaltet und ob wir nicht kommen wollen (aber da sind wir schon für ein Mittelaltermahl in Coombe Abbey verplant). Und während ich gerade bei der Taxizentrale anrufe, sehe ich, wie eine Dame mittleren Alters an Judith herantritt und ihr sagt, wie sehr sie sich freut, dass wir da waren und dass wir unbedingt wiederkommen sollen.

Ich glaube, das werden wir.

Party like it’s 1651