Island: Vom Götterfall dorthin, wo die Elfen und Trolle leben

[Mych] Über die einspurigen Brücken, die EINBREIÐ BRÚ, fetzen wir ja zwischenzeitlich schon routiniert wie die Einheimischen. Kurz nach Aufbruch in Richtung Mývatn heute allerdings treffen wir auf ein uns neues ominöses Verkehrszeichen: EINBREIÐ GÖNG steht da, symbolisch untermalt von einem stilisierten Tunneleingang, der genau breit genug für eine einzige stilisierte Autofront ist. Vor uns gähnt ein Loch, in das immerhin noch zwei Fahrspuren führen, aber zwanzig Meter in den Tunnel hinein verengt sich die Straße auf eine schmale Fahrbahn, und die Perlenkette trüber gelber Lichter an der niedrigen Decke des Stollens verliert sich in der stockfinsteren Ferne.

Mulmigen Gefühls fahren wir in das Loch, kurz nachdem ein Kleintransporter daraus hervorgedrungen ist. Wird schon keinen Gegenverkehr geben. Wird schon nicht so lang sein, wie es scheint. Die Brücken sind ja auch recht kurz. Links und rechts der mit Beton überspritzte rohe Fels, die dämmrige Beleuchtung über uns. Ein Auto kommt uns entgegen, aber zum Glück gibt es alle hundert Meter eine Ausweichstelle mitten im Berg. Wir versuchen, die Atmosphäre aus dem Auto heraus ins Foto zu bannen, aber das funktioniert nicht richtig, also bremse ich zum Stillstand ab, nehme den Gang raus, öffne die Tür und schieße untermalt vom protestierenden Piepen des Autos (Zündung noch an! Zündung noch an!) ein besseres Bild, das dem Fahrgefühl da unten immer noch keine Gerechtigkeit tut. Um mich herum plätschert das in die Höhle eindringende Wasser hinter einer provisorischen Abdeckung.

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Unser erstes Ziel des Tages ist der Goðafoss, der Götterfall – der Wasserfall, in den seinerzeit vor tausend Jahren der Gesetzsprecher Þorgeir die alten Götterbildnisse geworfen hatte, nachdem er zu Untersuchung aufgefordert worden war, ob die Isländer dem Christentum beitreten sollten, und schließlich festgestellt hatte, dass dies in der Tat geschehen solle.

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Im nahen Souvenirgeschäft erstehen wir eine hübsche Island-Kaffitasse und zwei Schokoriegel mit Lakritzdrops drin, die sich als sehr lecker erweisen. Kaffee können die Isländer übrigens sowieso gut; das ist sicher dem Umstand geschuldet, dass sie ihn selbst gern trinken, und das offensichtlich gern kräftig und dunkel – nicht zu vergleichen mit dem teeartigen dünnen Gebräu, das wir in vielen der englischen Bed-&-Breakfasts zum Frühstück zu trinken bekommen hatten.

Wir fahren weiter: ins Land der Elfen und Trolle, zu den Dimmuborgir, den dunklen Burgen – wieder mitten in die Lavalandschaft hinein. Hier hatte sich erst ein Lavasee auf nassem Untergrund gebildet, und ausdampfendes Wasser aus dem Boden hatte Schlote erstarrender Lava bis zur Oberfläche des Sees aus geschmolzenem Gestein gebildet; als schließlich die Lava abfloss, blieben die Schlote übrig und bildeten eine bizarre Landschaft aus grotesk geformten scharfkantigen Türmen. Menschen pflanzten im letzten Jahrhundert bodendeckende Pflanzen an, um die Gesteinsformationen davor zu bewahren, vom Flugsand verschüttet zu werden.

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Wir besuchen einen der Trolle in seiner Heimhöhle, Hallaflöt, aber er scheint gerade nicht da zu sein. Ich helfe ein bisschen, in dem ich mein Bestes tue, seinen ziemlich staubigen Boden ein wenig zu fegen.

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In den Dimmuborgir leben übrigens die dreizehn Yule-Gesellen, die Jólasveinar, dreizehn rauhbeinige Söhne der Trolle Grýla und Leppalúði, die sommers schlafen und so um die Weihnachtszeit herum beginnen, die Isländer heimzusuchen. Ihre Namen entsprechen dem, was sie am liebsten tun: Da ist der Skyr-Gierschlund, der Türenknaller, der Fensterglotzer und der Wurststibitzer samt ihrer neun weiteren Brüder ähnlicher Anlagen und Neigungen. Heutzutage sind sie offensichtlich etwas domestizierter geworden – sagt zumindest die Werbeindustrie, die sie dieser Tage auch lieber in rote Mäntel kleidet –, aber daran glaubt natürlich kein wahrer Isländer.

Judith hat noch ein besonderes Schmankerl gefunden: die Höhle, in der Ygritte und Jon gebadet hatten, damals in Staffel 3, jenseits der Mauer. Wir biegen von der großen Ringstraße ab und stehen vor einem verschlossenen Gattertor zwei Kilometer vor dem Ziel, aber das Schild an dem Gatter verbietet tatsächlich nicht etwa den Zutritt, sondern bittet nur ums Wiederschließen des Tors. Wir fahren über eine anderthalbspurige Straße aus gestampftem Vulkanboden, bis wir am Ziel ankommen.

In der Grjótagjá-Höhle ist eine Atmosphäre wie im Dampfbad, und ein Finger ins Wasser belegt Temperierung wir beim gemütlichen Vollbad zu Hause mit Schaum und Rotwein. Baden ist leider seit einigen Jahren verboten – das begann, als die Wassertemperatur aufgrund steigender Vulkanaktivität plötzlich deutlich anstieg und man befürchtete, dass die ganze Region instabil werden könnte.

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Die lokalen Freunde des wonnigen Höhlenbadens wichen einfach auf die nahe gelegene Stóragjá-Höhle aus, der wir als nächstes einen kurzen Besuch abstatten, denn da ist eine Geocache-Box verborgen und der Cache-Owner lädt zum Baden ein. Hier wären wir auch wenigstens unter uns – in Ygrittes Höhle herrschte einiger Publikumsverkehr –, aber wir haben unsere Handtücher im Auto gelassen und tragen uns daher nur ins Logbuch ein, in dem wir beim Durchblättern auf einen Geocacher-Bekannten aus Berlin stoßen; die Welt ist klein.

Schließlich landen wir in unserem Hotel für die Nacht, dem Laxá, das mitten in dem großartigsten Nichts liegt, das wir auf unserer Reise bis jetzt erfahren durften. Wir beziehen unser Zimmer mit Blick auf die kraterübersäte Seelandschaft ein paar Kilometer entfernt, an der wir früher am Tag vorbei gekommen waren; trinken ein Víking-Bier draußen auf der Terasse im Freien in der untergehenden Sonne; nehmen ein fantastisches Abendessen im Hotelrestaurant zu uns; und setzen uns mit dem Rest unserer Flasche Rotwein noch in die Bar, um diesen Blog-Beitrag zu tippen, während wir auf die hinter den fernen Bergen untergehende Sonne hinaus schauen können.

Beim Einchecken hatte man uns gefragt, ob wir eventuell heute Nacht geweckt werden möchten, falls die Nordlichter zu sehen seien – das Wetter sei klar und die Vorhersage gut.

Wenn wir Glück haben, wird unsere Nacht kurz.

Island: Vom Götterfall dorthin, wo die Elfen und Trolle leben

2 Gedanken zu „Island: Vom Götterfall dorthin, wo die Elfen und Trolle leben

  1. Fifi schreibt:

    Übrigens, Elfen und Trolle lockt Ihr am besten mit einem Glas Milch 🥛 und Keksen 🍪 🍪 🍪 an…versucht es doch mal bitte für mich…
    Ich hoffe, Ihr habt Nordlichter gesehen…

    Liebe Grüße Vivi

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