Island: Ein würdiger Abschied

[Maus] Wehmut kommt auf. Der letzte Tag liegt vor uns, und wir haben uns für heute den südwestlichen Zippel um den Flughafen herum vorgenommen.

Doch gestern Nacht sind wir gegen 21 Uhr noch mal losgezogen. Am Þingvellir hatten wir noch etwas zu erledigen.

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Ein Geocache, der bei den Touristenmassen des Tages einfach nicht zu finden war, musste unbedingt noch geloggt werden. Dieser Geocache gehört zu einer GeoTour-Reihe, bei der an historischen nordischen und Wikingerorten Dosen versteckt wurden. Island macht den Anfang. Es folgen Norwegen, die Faröer Inseln, Orkney, Shetland, Highland Schottland, und die Isle of Man. Mal sehen, ob wir alle finden können.

Gestern sollte außerdem auch wieder Aurora borealis Aktivität vorhanden sein. Also bleiben wir ein wenig länger und können sogar ganz schwach das grüne Leuchten sehen. Doch kurz nach Mitternacht sind wir durchgefroren und müde genug, um endlich im Bett zu verschwinden.

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Vom nächsten Tag erwarten wir eigentlich nicht viel – die Gegend, in der wir unterwegs sind, ist touristisch nicht so überlaufen. Hier kommt man nur her, um die Blaue Lagune zu besuchen.

Als wir bei Seltún ankommen, werden wir doch noch überrascht. Es brodelt und kocht um uns herum. Wir sind hier im Geothermalgebiet Krýsuvík, das sich auf der Grabenbruchzone des mittelatlantischen Rückens befindet. Natürlich wird das Dampfen und Brodeln vom typischen faulen Eiergeruch begleitet.

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Es geht weiter zu einem unscheinbaren Parkplatz unfern der Blauen Lagune. Dort führt eine Treppe in eine natürliche Höhle, die wir nur auf Grund eines dort liegenden Geocaches gefunden haben. Man könnte mit entspechender Ausrüstung und Mut auch auf allen Vieren in die achtzig Meter tiefe Höhle hineinkrabbeln, aber wir entscheiden uns dann doch dagegen.

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Stattdessen fahren wir zum Hauptziel des Tages, zur Blauen Lagune. Diese ist halb natürlich und halb von Menschenhand geschaffen. Das Geothermalkraftwerk Svartsengi leitet sein „Abfallprodukt“, eine Mischung aus Süß- und Salzwasser, die zur Stromerzeugung aus zwei Kilometern Tiefe hochgepumpt wird, in das umliegende Lavafeld. Mineralsalze, Kieselerde und Algen sind in dem Wasser gelöst und beeinflussen die Farbe, die von blau bis grün sein kann, je nach Lichteinfall.

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Wir entspannen hier im angenehm warmem Wasser, unter freiem Himmel, schmieren uns mit „Silica mud mask“ (Kieselerdeschlammmaske) und „Algae mud mask“ (Algenschlammmaske) ein und lassen es uns fünf Stunden lang gutgehen.

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Angenehm erfrischt besuchen wir Gunnuhver. Hier gibt es mit 300°C die heißesten Quellen in Südwestisland. In den Höhlen und Spalten befindet sich hier kein Regenwasser sondern salzhaltiges Meerwasser. Das merken wir schnell als wir unter der riesigen Dampfwolke durchlaufen. Wir werden nicht nur nass, sondern schmecken das Salz auf unseren Lippen. Statt des typischen Eierdufts gibt es hier eine Mischung aus Eiern und Fisch.

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Als letzte Station vor dem Flughafen fahren wir einen weiteren Grabenbruch an und laufen über ein Brücke, die die nordamerikanische und die eurasische Platte trennt.

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Ein Urlaub mit vielen Eindrücken geht zu Ende und wir wissen, dass wir zurückkommen wollen.

 

Island: Ein würdiger Abschied

Island: Der schwarze Strand

[Mych] Heute regnet es. In Strömen. Das hat es bis jetzt noch nie getan.

Wir halten einen netten Frühstücksschnack mit unseren neuen Bekannten aus Sydney und dem Vater aus Kanada – seine beiden Söhne hatten es noch nicht aus den Federn geschafft – und fahren weiter. Wir wollen zu Vík í Mýrdal, den schwarzen Strand.

Als wir von der Hauptstraße abbiegen, passieren wir ein Warnschild, das uns in mehreren Sprachen (neben den üblichen Gefahren wie bröckelnden Abhängen, fallenden Steinen, mümmelnden Schafen usw.) vor den „sneaker waves“ warnt, die am schwarzen Strand drohen. Wir sollen uns von der Brandung fern halten: Zwischen den harmlosen Wellen kommt hin und wieder auch mal unvermittelt ein Brecher herein, der jeden unachtsamen Touristen ergreift und ins Meer verschlingt.

Judith hat vorausschauenderweise ihre wasserdichten Hosen angezogen, die sie sich fürs Fahrradfahren in Coventry gekauft hatte, aber ich besitze keine. (Ich hatte vor unserem Urlaub daran gedacht, mir auch welche zu kaufen, aber irgendwie war das in den Vorbereitungen für unsere Party untergegangen. Keine Ahnung, wie das geschehen konnte.) Nach ein paar Kilometern schlaglöchriger Schotterstraße parken wir zwischen einer erstaunlichen Menge anderer Autos und begeben uns in den fast horizontalen Regen.

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Der schwarze Strand besteht aus winzigen schwarzen Kieseln. Rechts Brandung, links die senkrechte Basaltwand. Das Meer verschwindet nach einigen Dutzend Metern im dichten Nebel. In der Ferne hören wir das Nebelhorn eines Schiffs, wieder und wieder.

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In regelmäßigen Abständen hat das Meer die Felswand unterspült, die Basaltsäulen von unten her Stück für Stück abbröckeln lassen und Hohlräume geschaffen, die einige Meter in den Fels vordringen und Unterschlupf vor dem Wetter gewähren.

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Oben auf den Felsen entdecken wir einige Papageitaucher zwischen den ganzen Möven.

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Halb durchnässt setzen wir uns wieder ins Auto und fahren einen Umweg von dreißig Kilometern zum anderen Ende des schwarzen Strands, wo ein natürlicher Felsbogen und das Wrack einer Douglas C117-D auf uns warten. Die letzten Kilometer führen uns wieder über eine anderthalbspurige Schotterstraße, diesmal mit braunen Sturzbächen durchsetzt und in Serpentinen eine zehnprozentige Steigung den Berg hoch. Der Regen ist jetzt so waagrecht, dass die Frontscheibe unseres geparkten Autos trocken bleibt, während das Wasser gegen die Rückscheibe prasselt.

Wir steigen aus und gehen den Weg entlang, sehen den mit einer schlichten kniehohen Kette abgesperrten Abgrund, und dahinter nur hellgraues Nichts. Wir umrunden das kleine Leuchtturmhäuschen, das sich auf der Felsspitze befindet, während meine Jeans langsam von der Nässe schwer werden. Bevor wir an den Aussichtspunkt kommen, an dem wir den Felsbogen hinter der weißen Wand wahrscheinlich nur vermuten könnten, kehren wir um – das macht keinen Sinn so. Da fahren wir lieber gleich zu unserem nächsten Hotel und machen uns einen gemütlichen Resttag.

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Entlang der Strecke biegen wir noch kurz zum Skógafoss ab. Wir grübeln kurz hin und her, ob wir tatsächlich das warme Auto verlassen wollen, um noch näher ranzugehen, und entscheiden uns schließlich dafür – wo sonst kann man schon ungehindert bis auf ein paar Meter ans untere Ende eines Wasserfalls ran?

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Am frühen Nachmittag kommen wir in unserem Hotel für die nächsten beiden Nächte an. Reykjavik ist nur noch knapp sechzig Kilometer entfernt; wir wollen die nächsten beiden Tage nutzen, die Umgebung zu erkunden und erst übermorgen Abend zu unserer (vorläufig) letzten Übernachtung in Island in die Hauptstadt zu fahren.

Island: Der schwarze Strand

Island: Vom Götterfall dorthin, wo die Elfen und Trolle leben

[Mych] Über die einspurigen Brücken, die EINBREIÐ BRÚ, fetzen wir ja zwischenzeitlich schon routiniert wie die Einheimischen. Kurz nach Aufbruch in Richtung Mývatn heute allerdings treffen wir auf ein uns neues ominöses Verkehrszeichen: EINBREIÐ GÖNG steht da, symbolisch untermalt von einem stilisierten Tunneleingang, der genau breit genug für eine einzige stilisierte Autofront ist. Vor uns gähnt ein Loch, in das immerhin noch zwei Fahrspuren führen, aber zwanzig Meter in den Tunnel hinein verengt sich die Straße auf eine schmale Fahrbahn, und die Perlenkette trüber gelber Lichter an der niedrigen Decke des Stollens verliert sich in der stockfinsteren Ferne.

Mulmigen Gefühls fahren wir in das Loch, kurz nachdem ein Kleintransporter daraus hervorgedrungen ist. Wird schon keinen Gegenverkehr geben. Wird schon nicht so lang sein, wie es scheint. Die Brücken sind ja auch recht kurz. Links und rechts der mit Beton überspritzte rohe Fels, die dämmrige Beleuchtung über uns. Ein Auto kommt uns entgegen, aber zum Glück gibt es alle hundert Meter eine Ausweichstelle mitten im Berg. Wir versuchen, die Atmosphäre aus dem Auto heraus ins Foto zu bannen, aber das funktioniert nicht richtig, also bremse ich zum Stillstand ab, nehme den Gang raus, öffne die Tür und schieße untermalt vom protestierenden Piepen des Autos (Zündung noch an! Zündung noch an!) ein besseres Bild, das dem Fahrgefühl da unten immer noch keine Gerechtigkeit tut. Um mich herum plätschert das in die Höhle eindringende Wasser hinter einer provisorischen Abdeckung.

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Unser erstes Ziel des Tages ist der Goðafoss, der Götterfall – der Wasserfall, in den seinerzeit vor tausend Jahren der Gesetzsprecher Þorgeir die alten Götterbildnisse geworfen hatte, nachdem er zu Untersuchung aufgefordert worden war, ob die Isländer dem Christentum beitreten sollten, und schließlich festgestellt hatte, dass dies in der Tat geschehen solle.

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Im nahen Souvenirgeschäft erstehen wir eine hübsche Island-Kaffitasse und zwei Schokoriegel mit Lakritzdrops drin, die sich als sehr lecker erweisen. Kaffee können die Isländer übrigens sowieso gut; das ist sicher dem Umstand geschuldet, dass sie ihn selbst gern trinken, und das offensichtlich gern kräftig und dunkel – nicht zu vergleichen mit dem teeartigen dünnen Gebräu, das wir in vielen der englischen Bed-&-Breakfasts zum Frühstück zu trinken bekommen hatten.

Wir fahren weiter: ins Land der Elfen und Trolle, zu den Dimmuborgir, den dunklen Burgen – wieder mitten in die Lavalandschaft hinein. Hier hatte sich erst ein Lavasee auf nassem Untergrund gebildet, und ausdampfendes Wasser aus dem Boden hatte Schlote erstarrender Lava bis zur Oberfläche des Sees aus geschmolzenem Gestein gebildet; als schließlich die Lava abfloss, blieben die Schlote übrig und bildeten eine bizarre Landschaft aus grotesk geformten scharfkantigen Türmen. Menschen pflanzten im letzten Jahrhundert bodendeckende Pflanzen an, um die Gesteinsformationen davor zu bewahren, vom Flugsand verschüttet zu werden.

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Wir besuchen einen der Trolle in seiner Heimhöhle, Hallaflöt, aber er scheint gerade nicht da zu sein. Ich helfe ein bisschen, in dem ich mein Bestes tue, seinen ziemlich staubigen Boden ein wenig zu fegen.

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In den Dimmuborgir leben übrigens die dreizehn Yule-Gesellen, die Jólasveinar, dreizehn rauhbeinige Söhne der Trolle Grýla und Leppalúði, die sommers schlafen und so um die Weihnachtszeit herum beginnen, die Isländer heimzusuchen. Ihre Namen entsprechen dem, was sie am liebsten tun: Da ist der Skyr-Gierschlund, der Türenknaller, der Fensterglotzer und der Wurststibitzer samt ihrer neun weiteren Brüder ähnlicher Anlagen und Neigungen. Heutzutage sind sie offensichtlich etwas domestizierter geworden – sagt zumindest die Werbeindustrie, die sie dieser Tage auch lieber in rote Mäntel kleidet –, aber daran glaubt natürlich kein wahrer Isländer.

Judith hat noch ein besonderes Schmankerl gefunden: die Höhle, in der Ygritte und Jon gebadet hatten, damals in Staffel 3, jenseits der Mauer. Wir biegen von der großen Ringstraße ab und stehen vor einem verschlossenen Gattertor zwei Kilometer vor dem Ziel, aber das Schild an dem Gatter verbietet tatsächlich nicht etwa den Zutritt, sondern bittet nur ums Wiederschließen des Tors. Wir fahren über eine anderthalbspurige Straße aus gestampftem Vulkanboden, bis wir am Ziel ankommen.

In der Grjótagjá-Höhle ist eine Atmosphäre wie im Dampfbad, und ein Finger ins Wasser belegt Temperierung wir beim gemütlichen Vollbad zu Hause mit Schaum und Rotwein. Baden ist leider seit einigen Jahren verboten – das begann, als die Wassertemperatur aufgrund steigender Vulkanaktivität plötzlich deutlich anstieg und man befürchtete, dass die ganze Region instabil werden könnte.

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Die lokalen Freunde des wonnigen Höhlenbadens wichen einfach auf die nahe gelegene Stóragjá-Höhle aus, der wir als nächstes einen kurzen Besuch abstatten, denn da ist eine Geocache-Box verborgen und der Cache-Owner lädt zum Baden ein. Hier wären wir auch wenigstens unter uns – in Ygrittes Höhle herrschte einiger Publikumsverkehr –, aber wir haben unsere Handtücher im Auto gelassen und tragen uns daher nur ins Logbuch ein, in dem wir beim Durchblättern auf einen Geocacher-Bekannten aus Berlin stoßen; die Welt ist klein.

Schließlich landen wir in unserem Hotel für die Nacht, dem Laxá, das mitten in dem großartigsten Nichts liegt, das wir auf unserer Reise bis jetzt erfahren durften. Wir beziehen unser Zimmer mit Blick auf die kraterübersäte Seelandschaft ein paar Kilometer entfernt, an der wir früher am Tag vorbei gekommen waren; trinken ein Víking-Bier draußen auf der Terasse im Freien in der untergehenden Sonne; nehmen ein fantastisches Abendessen im Hotelrestaurant zu uns; und setzen uns mit dem Rest unserer Flasche Rotwein noch in die Bar, um diesen Blog-Beitrag zu tippen, während wir auf die hinter den fernen Bergen untergehende Sonne hinaus schauen können.

Beim Einchecken hatte man uns gefragt, ob wir eventuell heute Nacht geweckt werden möchten, falls die Nordlichter zu sehen seien – das Wetter sei klar und die Vorhersage gut.

Wenn wir Glück haben, wird unsere Nacht kurz.

Island: Vom Götterfall dorthin, wo die Elfen und Trolle leben