Island: Über Snæfellsjökull in den Schatten des Grábrók

[Mych] Reykjavik hat eine rauhe Ästhetik, denke ich mir, als ich um sechs Uhr morgens über die rostige Betonarmierung des Gebäudes gegenüber auf den namenlosen Berg jenseits der Bucht blicke, der so wirkt, als würde er gerade frisch von der zurückweichenden Wolkendecke für den kommenden Tag geformt. Wir haben gut geschlafen, und das Wetter verspricht, schön zu werden.

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Wir verlassen Reykjavik gen Nordosten und unterqueren den Hvalfjörður – den Wal-Fjord – in einem Tunnel, der uns direkt ins Zentrum der Erde zu führen scheint: Ein in den rohen Fels gehauenes Loch verschluckt die beiden Fahrspuren der Straße. Wir fahren fast drei Kilometer lang in die Erde hinunter, bevor es – noch steiler – wieder bergauf geht. Der Fjord ist an dieser Stelle nur knapp vierzig Meter tief, aber der Tunnel unterquert ihn in 165 Metern Tiefe unter dem Wasserspiegel.

Unser erstes Ziel des Tages ist der Djupalonssandur, ein Vulkanstrand in der südwestlichsten Ecke des Snæfellsjökull-Nationalparks. Wir biegen von der nur dünn befahrenen Ringstraße ab in Richtung Nordwesten. Viel Verkehr gibt es hier ohnehin nicht, aber abseits der Ringstraße sehen wir die meiste Zeit gar kein anderes Auto vor oder hinter uns. Die nationale Höchstgeschwindigkeit ist 90 km/h auf den besser befestigten Straßen; selbst ohne Tempomat habe ich das Motorgeräusch bald gut genug im Ohr, um nur noch sporadisch auf den Tacho schauen zu müssen.

Die Umgebung ändert sich, als wir in den Nationalpark einfahren – zwei Schilder, links und rechts neben der Straße, begrüßen uns in Isländisch und in Englisch. Wir fahren in eine Mondlandschaft aus mannsgroßen, von Moos überwachsenen Gesteinsbrocken auf beiden Seiten der Straße. Als wir ein paar Kilometer in das Gebiet eingedrungen sind, sehen wir zwei kuriose Gesteinspfeiler in der Entfernung in Richtung Küste: Lóndrangar werden sie genannt, und der Sage nach saß seinerzeit ein Troll auf dem größeren der beiden und unterhielt sich mit vorbei wandernden Menschen.

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Schließlich sind wir beim Djupalonssandur angelangt. Der Weg hinab zum Strand führt durch einen hohlen Weg zwischen rauhen Felsen.

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Seinerzeit war der Strand ein blühender Standort der Fischerei; die jungen Männer, die sich um einen Platz auf einem der Boote bewerben wollten, mussten ihre Eignung beweisen, indem sie einen von vier Steinen auf ein hüfthohes Podest hoben: ein Ganzstarker schaffte den 154-kg-Brocken; ein Halbstarker immerhin noch den mit 100 kg; ein Brauchbarer konnte wenigstens noch die 54 kg anheben – der kleinste Stein, mit 23 kg, qualifizierte nur als Schwächling, der auf einem Fischerboot nichts verloren hatte.

Der Strand selbst ist übersät mit runden Kieseln und verrosteten Metallfragmenten, die vom englischen Trawler Epine stammen, der vor einem halben Jahrhundert vor der Küste in Seenot geraten und vom Sturm zerschmettert worden war.

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Wir gehen einen schmalen Pfad hoch, weg vom Strand, über faustgroße Fragmente von Vulkangestein, und finden schließlich ein Labyrinth mitten in einem Blaubeerfeld. Fischersleute haben es wahrscheinlich angelegt.

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Wir fahren zurück, wieder aus dem Nationalpark heraus, und in Richtung des Grábrók-Vulkangipfels, in dessen Nähe unser Hotel für die Nacht sein wird.

Bevor wir dort hin fahren, machen wir aber noch einen Abstecher zu den Hraunfossar-Wasserfällen. Auf einer Länge von mehr als einem halben Kilometer strömt dort Wasser aus der Felswand direkt in den wilden Hvítá, nachdem es einen guten Kilometer flussaufwärts im porösen Lavagestein versickert war.

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Unser Hotel für die heutige Nacht liegt am Fuß des Grábrók-Vulkangipfels, der pechschwarz in die Höhe ragt. Den werden wir morgen früh besteigen.

Island: Über Snæfellsjökull in den Schatten des Grábrók

2 Gedanken zu „Island: Über Snæfellsjökull in den Schatten des Grábrók

  1. Maiky schreibt:

    Ach ihr hab’s gut, ist sicher äußerst entspannend dort. Die Blaubeeren sehen auf dem Foto übrigens mehr wie Perlen aus dem Meer aus; kein Stück blau. 😊

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