Ruf der Vergangenheit

[Fifi] Sechs Uhr im Paradies, die Sonne bahnt sich ihren Weg. Langsam färbt das erste Licht den Himmel in rot, rosa, orange, gelb …

Die Luft ist frisch, riecht nach Salz und Meer. Das noch feuchte Gras unter meinen Füßen fühlt sich kalt und doch erfrischend an. Mein Blick schweift über die Bucht, in seichter Bewegung gleiten die Wellen an den Strand. Ich bin nicht die Einzige, die den atemberaubenden Sonnenaufgang genießt, ein einsamer, mutiger Schwimmer läuft langsam ins Meer, mit jedem Schritt scheint er dem Morgen und der Sonne ein wenig entgegen zugehen. Ich sauge jede einzelne Sekunde dieses einmaligen Spektakels in mich auf, ständig verändert sich das Licht, zaubert tausende Farben an den Himmel und taucht alles andere auf der Welt in ein wunderschönes Licht. Die Blumen, Bäume, Gräser alles erscheint mir noch schöner als sonst – So ist es im Paradies…

… doch heute ruft die lange Vergangenheit Cornwalls nach uns. Wer sich mit der Geschichte Cornwalls beschäftigt, kommt am Bergbau nicht vorbei. Unser Weg aus dem Paradies führt uns heute in die Geevor Tin Mine

Nach einer guten Stunde Fahrt auf wirklich für englische Verhältnise breiten komfortablen Straßen, mal abgesehen von den vielen Roundabouts und Double-Roundabouts und den eher unprofessionellen Fahrfähigkeiten der anderen Verkehrsteilnehmer, kommen wir an.

Die nette Lady am Empfang löst unsere Tickets und händigt uns einen Lageplan aus. Zusätzlich sollen wir uns aus den bereitstehenden Kisten formschöne Schutzhelme aussuchen. Damit ist also heute mal ausgeschlossen, dass die Frisur bis zum Ende hält, aber der Wind hätte eh ganze Arbeit geleistet. Der Halblingskopf ist eher sehr klein. Wir probieren alle Größen von Kinderhelmen aus, keiner will so richtig passen. Ein zusätzlicher Kinngurt verhindert dann letztendlich das Abrutschen des Schutzhelmes.

Wir beginnen unsere Tour auf dem Gelände, arbeiten uns von Haus zu Haus.

Compressor House – große Maschinen reihen sich auf, alles was benötigt wird, um den Fels zu bezwingen, um später die Löcher zum Anbringen der Sprengladung zu erhalten. Winder House – wir sehen Winden die zur Beförderung der Kumpels in die Tiefe und wieder zurück verwendet wurden. Weiter geht’s an mehreren Werkstätten, einer Schmiede, Erste-Hilfe-Raum, Aufenthaltsraum, dem Labor, wo die Mineralien auf ihre Zusammensetzung getestet wurden.

Hard-Rock-Museum – Hier kommen nun alle auf Ihre Kosten: Der Halbling folgt den beiden Katzen Basil und Skraggs (die übrigens da wirklich gelebt haben) durch die Ausstellung und macht sich an allen interaktiven Exponaten zu schaffen. Aber auch wir Großen freuen uns über die anschaulichen Experimente, in denen uns gezeigt wird, wie der Abbau von Zinn funktioniert. Im Kino werden uns Zeitzeugenberichte gezeigt, die uns veranschaulichen, wie hart die Arbeit unter Tage ist, und wir sind tief bewegt von den Berichten, als die Kumpel von der Schließung der Mine erfahren.

Ich mache mir meine Gedanken … Ganz Cornwall lebt seit Generationen vom Bergbau – wie muss es sein, plötzlich seiner Existenz beraubt zu sein, seine Familie plötzlich nicht mehr ernähren zu können … Bei mir macht sich ein beklemmendes Gefühl breit. Den Anderen gehts ähnlich. Das Gefühl wird nun noch verstärkt, als wir im Dry House sehen wo die Kumpel ihre Sachen verstaut haben, sich nach der schweren Arbeit geduscht haben, sich vom Dreck der Mine befreit haben; alles ist getränkt von rotem durchdringendem Dreck, wir sehen jedoch auch wie ihr Zusammenhalt bis heute noch anhält.

Die Zeit verrinnt und unsere Mägen verlangen nach Nahrung, im Count House Cafe, speisen wir nach Bergmanns-Art. Jeder von uns verspeist eine Pasty (in Teig gebackene Kartoffeln mit Kohl, Rüben und Fleisch oder Käse – die Kumpels haben die Pasties mit unter Tage genommen und dort kalt verspeist), die Männer mit Fleisch die Frauen mit Käse, der Halbling ein Törtchen und ein halbes Käse-Sandwich.

So gestärkt, geht es weiter. The Mill – wir folgen dem gelben Weg, der Halbling mimt den Fremdenführer und erklärt an jeder Biegung gekonnt und ausführlich den weiteren Weg. Vorbei geht es an Laufbändern mit Steinen, an einer Trommel in der das Gestein zerkleinert wird, an riesigen Rütteltischen, über die Wasser fließt, um den Sand und die Bodenschätze voneinander zu trennen.

Wie laut muss es hier früher gewesen sein? – Einer der Rütteltische ist in Betrieb, das Gerüttel erfüllt die ganze Halle mit dem immer gleichen lauten schrr, schrr, schrr … 25 Jahre sind vergangen, seit hier gearbeitet wurde, ein Lost Place, wie er im Buche steht, der gelbe Weg schlängelt sich Berg ab immer weiter nach unten. Der Halbling fragt, ob wir nun endlich unter der Erde sind, kann es kaum erwarten, aber nein – die Sonnenstrahlen fallen durch die kleinen Ritzen in den Wänden. Am Ende des gelben Weges werden wir erwartet; man bietet uns Kittel an, um unsere Kleidung zu schützen; die Wartezeit dürfen wir mit „Goldwaschen“ überbrücken. Der Halbling ist außer sich vor Freude, wähnt sich schon in Reichtum, fast Zwergen gleich.

Ein älterer Herr begrüßt uns, möchte mit uns in die Wheal Mexico Mine – er heißt Mike. Wir wandern bergab, bleiben vor einen Minen-Eingang stehen. Mike berichtet über den Aufbau der Mine, die senkrechten Gänge und die davon abgehenden Gänge, die immer von West nach Ost und von Nord nach Süd gehen. Einige Gänge gehen bis unters Meer, andere bis oben zur Hauptstraße, das Grundwasser muss ständig abgepumpt werden.

Wir wagen die ersten Schritte in die Mine, Mike bittet uns auf unsere Köpfe acht zu geben. Wie die Sieben Zwerge + Mike setzen wir uns in Bewegung. Es dauert nicht lange, da hört der Halbling und ich das erste Mal, wie ein Helm an den Fels pocht. Mike attestiert dem Halbling die perfekte Größe. Immer tiefer geht’s in den Fels, es wird enger. Die Decke wird niedriger, wir Großen laufen geduckt. Mike bleibt einige Male stehen, um uns Details zur Mine zu zeigen oder von der Arbeit der Bergleute zu berichten. Judith tropft eiskaltes Grundwasser in den Kragen …

Es ist bedrückend, ich fühle mich eingeengt, wie konnten die Kumpel das nur einen ganzen Arbeitstag aushalten? Es ist schummerig, ich sehe nur Umrisse, Mike leuchtet mit einer kleinen Lampe hin und her, um uns Details zu zeigen. Er sagt, die Kumpel haben manchmal Ihre Kerzen ausgeblasen, um Sauerstoff zu sparen, um dann im Dunkeln weiterzuarbeiten … was?! – ich fühle mich schon mit dem wenigen Licht unwohl.

Es wird noch enger, der Schacht ist nun schräg in den Fels gehauen, es wird noch nasser, auch der Halbling eckt an … Ich sehe Tageslicht … Wir treten wieder aus der Mine heraus, frische Meeresluft dringt in meine Nase, ich richte mich auf, fühle mich befreit … Was bleibt, ist dieses bedrückende Gefühl, das Mitgefühl für die Menschen die hier unter schwersten Bedingungen gearbeitet haben und dann am Ende nur einen f… Händedruck bekommen haben …

Am Ausgang legen wir unsere liebgewordenen Schutzhelme ab. Es fühlt sich an wie das umschlagen einer Buchseite im Fotoalbum. Wir zwängen uns in unseren kleinen Fabia und fahren zurück ins Paradies …

Ruf der Vergangenheit

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