Island: Kontinentalplattenhopping

[Mych] Heute wird sich der Kreis schließen: Der Kilometerzähler unseres kleinen Škoda Fabia, den wir erbarmungslos über die kraterübersäten Schotterpisten gejagt haben, zeigt weit über zweitausend Kilometer mehr an als noch vor anderthalb Wochen, als wir ihn aus dem Flughafenparkplatz gefahren hatten. Heute fahren wir zurück nach Reykjavik.

Vorher werden wir aber noch einem der bedeutungsvollsten Orte auf Island einen Besuch abstatten: dem Þingvellir – dem Ort, wo sich tausend Jahre lang unter freiem Himmel einmal im Jahr, zur Sommersonnenwende, Menschen aus allen Ecken der Insel trafen, um Gesetze zu machen, Recht zu sprechen, zu handeln und zu feiern.

Þingvellir, der historische Ort, findet sich in Þingvellir, dem Nationalpark – und direkt auf der Grenze zwischen der eurasischen und der amerikanischen Kontinentalplatte. Das ganze Gebiet ist von aktiven Vulkanen durchsetzt, und die Schlucht Almannagjá, in der die das Althing besuchenden Menschen einmal im Jahr für zwei Wochen ihre Zelten und Buden aufstellten, ist in den letzten zehntausend Jahren um siebzig Meter breiter geworden: knapp ein Zentimeter jedes Jahr.

Wir spazieren, zusammen mit hunderten anderer Touristen, vom Aussichtspunkt in Richtung des Lögberg, des „Gesetzesbergs“ – so genannt und so gewählt, weil der Gesetzessprecher dort mit dem hinter ihm auftürmenden Schild aus Vulkanfelsen im Rücken seine Stimme kaum erheben musste, um von allen verstanden werden zu können, wenn er der Versammlung das jährliche Drittel aller geltender Gesetze zitierte.

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Auf unserem Pfad in die Schlucht zwischen den Kontinentalplatten hinein überqueren wir eine kurze hölzerne Brücke: Hier war vor ein paar Jahren unvermittelt ein kleines Loch im festgestampften Boden entstanden, und bei genauerer Untersuchung stellte man fest, dass sich darunter ein metertiefer Hohlraum befand, entstanden in Jahrhunderten der Kontinentaldrift.

Wir verlassen den großen Touristenstrudel am Besucherzentrum, fahren ein kleines Stück weiter und halten am Straßenrand nahe der Koordinaten eines Geocaches, den da jemand zwischen den Kontinentalplatten versteckt hat. Der Ort ist nicht ausgeschildert; wir sind fast alleine hier – ein paar vereinzelte Leute kennen den Geheimtipp offenbar auch und schauen ebenfalls neugierig in die tiefe Kluft, die die auseinanderdriftenden Erdplatten in den Felsboden gerissen haben.

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Und schließlich haben wir noch eine Aufgabe zu erledigen, die man uns zu Hause auf den Weg mitgegeben hat – unsere Island-Sweatshirts, handgefertigt mit Nähwana-Label, verkünden Geokoordinaten:

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Wir geben sie ins Navi ein und lassen uns führen – von der Ringstraße auf eine Nebenstraße, von der schließlich auf eine einspurige Schotterpiste, die schließlich in einen kleinen Schotterparkplatz mit Picknickbank mündet. Ein paar Schritte dahinter, hinter einem Zaun mit schafsicherem Wanderertreppchen, erhebt sich die Gischt eines Wasserfalls, den wir endlich mal ganz für uns haben: der Ægissíðufoss, so versteckt und beschaulich, dass noch nicht mal Wikipedia ihn kennt.

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Das GPS-Gerät führt uns zum Ufer des Flusses, aber wir sind immer noch hundert Meter entfernt von Ground Zero. Gegenüber erspähen wir eine Sitzbank: dorthin kommt man also auch, und unser Ehrgeiz ist geweckt, den Koordinatenpunkt genau zu finden. Wir nehmen uns das Navi zur Brust und finden die nächste Parkgelegenheit auf der anderen Flussseite, vier oder fünf Kilometer Fahrstrecke mit dem Auto entfernt.

Wir lassen das Auto am Ende eines Schotterwegs stehen und machen uns auf zu einem kleinen Spaziergang durch die Hügel und Wiesen, 700 Meter Luftlinie, entlang eines engen Trampelpfads am Ufer des Flusses entlang, der sich hier breit und gemächlich durch die Landschaft windet, wahrscheinlich auch in der Mitte kaum mehr als knietief.

Die Gischt des Wasserfalls ist schon von Weitem sichtbar. Unser Pfad führt uns direkt ans obere Ende des Falls, direkt zu den Steinplatten, die ins Wasser münden, bevor es über mehrere Stufen ein paar Meter in die Tiefe fällt. Irgendwer hat auf der anderen Seite eine Fischtreppe aus Beton an den Rand des Wasserfalls gebaut – ein ungewöhnlicher Anblick hier in Island. Wir grübeln, warum, und vermuten schlussendlich, dass das wahrscheinlich Anglern im Oberwasser zugute kommen soll.

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Wir setzen uns auf die Bank, nebeneinander, und blicken über unseren Wasserfall.

Island: Kontinentalplattenhopping

3 Gedanken zu „Island: Kontinentalplattenhopping

  1. Fifi schreibt:

    Meine Lieben,
    wie cool, als wenn Frooonck nochmal seine Finger im Spiel gehabt hätte 😉
    Ein Wasserfall ganz für Euch allein und bei bestem Wetter…
    Perfekt!!!
    Und egal wie ihr Euch zusammen stellt, die Pullover sehen super an Euch aus und nebeneinander als wenn Ihr zusammengehört…ein Puzzle passt in das Andere…macht ihr ja jetzt auch…
    Da hat sich das Nähwana in jedem Fall gelohnt…
    Alles liebe ❤️ 😘
    Eure Vivi

  2. Neben all den tollen Beiträgen und Bildern (herzlichen Dank für diese Blog!) bin ich auch ganz fasziniert von dem Sweatshirt-Puzzle. Egal wie sich Mych und Maus aufstellen, sie passen und fügen sich kleidungstechnisch immer zusammen – irre! Das ist super, wie Du das hingekriegt hast Vivi!
    LG Euer Sten

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