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[Mych] Mein PAX ist ein Klamottengrab.

Bis Judith und ich ihn letztes Wochenende mit vereinten Kräften abgebaut haben, nahm den größten Teil der Westwand meiner Ein-Zimmer-Wohnung einer von diesen großen PAX-Kleiderschränken von IKEA ein — zwei Meter breit, bis knapp unter die Decke, und 60 Zentimeter tief.

Mir war schon immer klar gewesen, dass in den hinteren zwei Dritteln meines PAX alle möglichen verborgenen Schätze schlummern müssten. Ich habe Judith gefragt, wie sie mit den unzugänglichen Tiefen bei ihrem eigenen PAX umgegangen ist, und sie lagert in der hinteren Hälfte halt immer ihre nicht zur aktuellen Saison passenden Klamotten; aber wer mich kennt, weiß, dass ich im Sommer Jeans und T-Shirt trage und im Winter vielleicht noch einen Pulli drüber.

Das Ausräumen meines Kleiderschranks hatte daher etwas Archäologisches an sich: Je tiefer ich vordrang, desto antiker wurden die Fundstücke. Ganz hinten fand ich: Hemden, die ich zuletzt in meinem Abi-Jahr getragen hatte; meine Leder-Bomberjacke, Modell „Tom Cruise“; eine ganze Reihe von Hosen mit einer Handbreite Luft um die Taille (heh!); und eine Riesenmenge Schlabberpullis und schlecht geschnittener T-Shirts, die ich bevorzugt getragen hatte, als ich noch deutlich pummeliger war.

Am Ende hatte ich ein gutes Dutzend 30-Liter-Müllsäcke voller alter Klamotten, die ich beim besten Willen auch nicht als Souvenirs aufbewahren wollte. Der Altkleidercontainer vom Roten Kreuz in Seckbach hat sich gefreut.

Nur nicht über die Bomberjacke. Denn für besonders gut erhaltene Fundstücke, die ich loswerden wollte, habe ich vor mein Büro einen „Dinge, die Michael nicht nach England umziehen will“-Tisch aufgestellt, um diese Dinge einem neuen freundlichen Zuhause zuzuführen:

Dinge, die Michael nicht nach England umziehen will

Den Auftakt machte ungefähr ein Drittel meiner vor allem für mich erstaunlich großen Sammlung von DVDs (und ein paar Musik-CDs), die ich in den ersten Tagen meiner Packerei aus praktisch allen Fächern, Nischen und Schubladen barg, die meine Wohnung so zu bieten hatte.

Überraschend viel geht weg, aber einige Dinge sind offensichtlich Ladenhüter: Niemand will sich zum „Wixxer“ bekennen, und Kylie Minogue teilt sich seit Wochen die hintere Ecke des Tischs mit den All Saints. Von der Bomberjacke dachte ich auch eine ganze Weile, dass sie übrig bliebe, aber dann war sie eines Morgens doch weg. Vielleicht finde ich ja noch raus, wo sie gelandet ist …

Schnellvorlauf bis ein oder zwei Wochen später: Grabungsarbeiten in meinem Kellerabteil.

Dessen Inhalt bestand, wie ich jetzt weiß (und vorher vermutete), zu einem großen Teil aus Elektroschrott aus den Zeitaltern, als man noch Desktop-Computer hatte und ich den meinen regelmäßig mit neuen Komponenten aufgerüstet hatte. Irgendwann auch mal mit einer 3D-Grafikkarte, die eine Shutterbrille mitbrachte, die sich auch als modisches Accessoire für einen Shadowrunner gut machen würde:

Shutterbrille

Und meine erste Digitalkamera — mit zwei Megapixeln Auflösung, einem Batteriefach für vier Mignon-Zellen, optischem Sucher und einer „Compact Flash“-Speicherkarte, auf deren großzügigen 8 MB Speicherplatz man immerhin noch drei Fotos von meinem iPhone unterbringen könnte:

Kodak-Digicam

Die hatte ich mir damals gekauft, als ich noch zu meinen aktiven Jugendmedienzeiten im Bildungszentrum Nürnberg ein Wochenendseminar übers Medienmachen halten sollte und die progressive Idee hatte, Fotos nicht erst vom Film über den Scanner in den Computer bekommen zu wollen. Und: Sie funktioniert noch! — ich musste nur ein bisschen korrodiertes Metall von den Batteriekontakten abkratzen. Die hab ich natürlich behalten.

Und dann noch: Backups auf Daten-CDs. Erhebliche Mengenanteile davon (legal!) heruntergeladene Software-Setups und Spiele-Demos aus Zeiten, als ein 20-Megabyte-Download noch eine erhebliche Zeit- und Geldinvestition darstellte. (Als ich in München einzog, hatte ich immerhin schon ISDN: Damit konnte man fast ein halbes Megabyte pro Minute runterladen, während der Gebührenzähler leise vor sich hin tickte.)

Ein paar Sachen habe ich (digital) aufgehoben — nicht zuletzt mein allererstes kommerzielles Software-Projekt, entstanden circa 1997 am blauen Highscreen-Colani-Laptop meiner Mutter in vielen Stunden des Zivi-Sonntagsdiensts in der Pforte der (mittlerweile nicht mehr existierenden) Frauenklinik Rheinfelden: der „ArthroAssistent“. Sogar die alten 3½-Zoll-Disketten-Labels habe ich gefunden:

20140401-arthroassistent

Die übrigen, seit Jahren unbedruckten Labels habe ich jetzt mit Aufschriften wie „Sperrmüll!“ und „Bitte nicht belasten!“ bedruckt (mit meinem übrigens fast genauso alten, aber noch tadellos funktionierenden HP LaserJet 6P, der wohl verpackt auf seine nächsten fünfzehn Jahre Dienstzeit wartet) und beppe sie auf allerlei Dinge, die so gerade in meiner Wohnung herumstehen, denn mit 3½-Zoll-Disketten werde ich wahrscheinlich so bald nicht mehr hantieren.

Und zu guter Letzt noch dieses Fundstück von unter meiner Spüle: ein 1995er Trollinger/Lemberger-Cuvée:

20140401-wein

Nach fast zwanzig Jahren der, hrm, Reifung (davon zehn unter meiner Spüle) sollte das doch ein recht edles Tröpfchen geworden sein, nicht wahr?

… nee, leider nicht. Nachdem ich den bröseligen Korken aus dem Flaschenhals gepfriemelt hatte, kam aus der Flasche nur eine blasse, rötlich-orange Flüssigkeit, die geschmacklich nicht mehr viel zu bieten hatte. Nun ja. Immerhin weiß ich, dass Rotwein bei Judith und mir dieser Tage sicher keine Gelegenheit mehr bekommt, in unserer Obhut so alt zu werden.

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Was zuletzt geschah

[Mych] Unser Schweigen ist nur äußerlich.

Für Ostern sind unsere beiden Umzüge geplant — meiner kurz davor, Judiths kurz danach –, und die organisatorischen Klimmzüge, die wir dafür machen müssen, haben am Abend nicht viel mehr Energie übrig gelassen als gerade genug für ein leises „Bleh“.

Was, unter anderem, in den letzten drei Wochen geschehen ist:

  • Wir haben den Mietvertrag für das Haus unterzeichnet. Unsere beiden Landladys waren wieder sehr zuvorkommend mit Tee und Gebäck, und das Wetter war fantastisch. Wir haben danach noch zu viert draußen auf der Terrasse in der Sonne gesessen und über Gott und die Welt gequatscht.
  • Wir haben uns ein gemeinsames Haushaltskonto (bei Lloyds) zugelegt, und Judith ist mit ihrem Privatkonto von Santander zu Lloyds umgezogen. Beides dauerte in Summe ungefähr eine Stunde, und auch von ihr wollten sie nicht mehr als ihren deutschen Personalausweis sehen. (Kein Adressnachweis, kein Pass, kein Gehaltsnachweis, nur den Perso.) Zufälligerweise waren wir an den gleichen sympathischen Berater geraten wie vor ein paar Wochen, als ich mein Konto dort eröffnet hatte. Im Online-Banking sehen wir beide jetzt jeweils unser Privat- und unser Haushaltskonto, und Geldüberweisungen vom einen zum anderen sind buchstäblich instantan. (Und Überweisungen zwischen verschiedenen Banken dauern höchstens zwei Stunden. Davon könnte sich das deutsche Bankwesen echt mal ’ne Scheibe abschneiden.)
  • Als Übergangslösung fürs im neuen Haus noch fehlende Internet haben wir uns bei O₂ einen „4G Mobile Broadband“-USB-Stick gekauft, den’s an diesem Wochenende zufälligerweise zum halben Preis gab. Das Ding stellt ein lokales WLAN zur Verfügung und ist schneller als mein alter DSL-Zugang in Frankfurt. (Und der nächste O₂-Funkmast ist zwei Straßenecken von unserem Haus entfernt.)
  • Unsere Logistikpläne für den finalen Umzug über Ostern haben wir zweimal umwerfen müssen, denn niemand will Judiths Hasen transportieren: GermanWings (fliegt von Berlin) nimmt gleich gar keine Tiere mit; Lufthansa (fliegt nur von Frankfurt) würde den Hasen im Laderaum mitnehmen, aber dann müssten wir den alten Herrn für mehrere Stunden alleine lassen; und der EuroStar durch den Eurotunnel lässt auch keine Karnickel im Gepäck zu. Es sei denn, man nimmt es im eigenen Auto über Eurotunnel Le Shuttle durch den Tunnel mit. Also fahre ich zu Karfreitag mit meinem Seat Ibiza nach Berlin und wir alle zusammen dann kurz nach Ostern erst nach Calais, dann durch den Tunnel, und dann weiter bis nach Coventry.
  • Ich habe amüsante und kuriose Dinge beim Zusammenpacken meiner Wohnung gefunden. Aber dazu gibt’s einen separaten Beitrag.

Ein paar Bemerkungen zum Haus:

  • Das Haus ist sowieso toll gelegen. Wenn man hinten durch die Tür im Gartenzaun rausgeht, steht man auf einer Privatstraße, von der aus man durch ein verschlossenes Gatter (zu dem wir einen Schlüssel bekommen) nur noch eine Straßenüberquerung entfernt ist vom Lake View Park — einem tollen, etwas wilden Riesenrasengelände mit anderthalb Flüsschen, keinem See (der war wohl mal geplant, wurde aber nie gebaut), dafür aber kleinen wilden Unterholz- und Baumgrüppchen. Da legen wir einen T4-er Geocache hin.
  • Wir haben den Grundriss unserer fünf Zimmer in SketchUp aufgemalt und auf diese Weise herausgefunden, dass wir in diesen Zimmern insgesamt etwa 50 Quadratmeter an Wohnfläche haben (plus Flur, Küche, Bad, Terasse, Abstellkammer, Garten, und Gartenklo). Aber wir haben’s tatsächlich geschafft, alle von Judiths Möbeln und den größeren Teil von meinen sinnvoll (virtuell) unterzubringen.
  • Angeblich bekommt man bei unserer neuen Adresse Glasfaser-Internet mit einer Bandbreite, die meinen klapprigen DSL-Zugang in Frankfurt alt aussehen lässt.
  • Ein paar der schönen alten Holzmöbel, die im Haus standen, haben wir übernommen; und Judiths Frage, ob sie vielleicht den einen oder anderen altersbedingten Makel durch Abschleifen und Neulackieren reparieren dürfte, wurde bedenkenlos bejaht. Da sind die ersten paar handwerklichen Projekte ja schon vorbestimmt.
  • Wir wissen noch nicht so recht, wie man die gasbetriebenen Kamine in Wohn- und Esszimmer anfeuert. Es gibt eine Anleitung mit ungefähr zwanzig einfachen Schritten, die durchgeführt werden müssen. Die werden wir einfach mal systematisch durchprobieren. (Marys Ansatz per Intuition funktionierte jedenfalls nicht auf Anhieb.)
Was zuletzt geschah