So long, and thanks for all the miles

[Mych] Eigentlich war’s eher ein Versehen, dass wir meinen Seat mit nach England genommen habe. Aber niemand sonst wollte das Karnickel transportieren — außer vielleicht in einer dunklen Kiste im Frachtraum eines Fliegers.

Also kam er mit, statt dass ich ihn noch in Deutschland verkauft hätte. Mit fast anderthalb Jahrzehnten auf dem Buckel hätte er sich seinen Ruhestand auch redlich verdient gehabt; aber so musste er nochmal ran. 1300 Kilometer. Und er hat wacker durchgehalten. Aber England war einfach nicht der rechte Ort für ihn.

Ungefähr drei Optionen hatten wir:

  • Für den Zulassung in England umrüsten und ummelden. Das Umrüsten besteht aus eigentlich nur drei Dingen: Scheinwerfer so abkleben, dass sie den Gegenverkehr nicht blenden; eine Meilen-Skala auf den Tacho; und eine Nebelschlussleuchte rechts. Aber dann würden wir immer noch auf der falschen Seite sitzen, und die Gewalttour über die belgischen Autobahnen hatte den Seat mit einem beunruhigenden Klappern irgendwo vor oder unter uns hinterlassen, das nichts Gutes verhieß.
  • Verschrotten, und dann nur noch Fahrradfahren. Und tatsächlich kommt man zu Fuß oder mit dem Fahrrad in Coventry ziemlich weit — Judith fährt jeden Tag zur Arbeit und braucht dafür halb so lange wie mit dem Bus –, aber eben auch nicht viel weiter als bis knapp über Coventry hinaus. Ein Wochenendtrip nach Nottingham mit dem Fahrrad hat schon Charme, aber die Option, einfach ein Stündchen mit dem Auto dort hin fahren und dann dort um so mehr unternehmen zu können auch. (Vor allem, wenn man einen Kofferraum voll Geocaching-Ausrüstung mitnehmen möchte.)
  • Einen Gebrauchten kaufen und dem Händler dafür den Seat überlassen. Wenn wir einen finden, der ein altes Auto mit Linkslenkung in England haben will.

Übrigens — was zwar gerne gelebt wird, aber zumindest formell keine Option ist: einfach niemandem was sagen und mit der deutschen Zulassung weiter fahren. Meine deutsche Autoversicherung hatte mir zwar mitgeteilt, dass sie weiterhin haften würde, wenn was wäre, aber schon allein die Zulassung in Frankfurt ist ohne Wohnsitz in Deutschland eine fragwürdige Angelegenheit — und die britischen Behörden betrachten ein Auto, das von einem in England Ansässigen gefahren, aber nicht vor Ort versteuert wird, als Steuerhinterziehung. Und als ansässig gilt man spätestens dann, wenn man in England eine Wohnung mietet oder einen Job hat — sofort, nicht erst nach einem halben Jahr Aufenthalt. Man bekommt eine Gnadenfrist von 14 Tagen ab Ankunft, aber das war’s auch.

Naja. Klare Sache also: Wir besorgen uns einen Gebrauchten. Und nach gar nicht allzu langer Stöberei im Internet hatten wir einen Händler in Coventry ausgemacht, der einen gar nicht so alten Škoda Fabia zu einem vernünftigen Preis anbot.

Letzten Samstag waren wir da und sind probegefahren — mit der linken Hand zu schalten ist ziemlich ungewohnt, und irgendwie ist auch nicht auf Anhieb intuitiv, dass der größte Teil der Wagenbreite links und nicht rechts von einem ist. Aber ansonsten: Gar nicht so unähnlich meinem Seat, nur mit zwei Türen mehr und, naja, dem Lenker auf der Beifahrerseite. Und meinen Seat wollte mir der Händler für ein paar hundert Pfund auch noch abnehmen. Perfekt.

Also: Anzahlung am Samstag, und heute ging’s zum Autowechsel.

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Mit dem Travelbug auf dem neuen Wagen fühlt er sich schon fast so an wie Zuhause.

Womit ich mich am Vormittag noch rumgeschlagen hatte: Wie meldet man in England ein Auto mit deutscher Zulassung ab?

  • Das Internet ist, wie immer in solchen Fällen, eine Quell jeder Information, die man sich vorstellen kann. Will sagen: buchstäblich jeder. Richtiger, falscher, widersprüchlicher, veralteter, erhoffter, befürchteter und herbeigewünschter.
  • Irgendwer hatte mal behauptet, das Abmelden deutscher KFZ sei eine konsularische Leistung, die man in der Deutschen Botschaft in London in Anspruch nehmen könnte. Deren Website will davon aber nichts wissen, und das Kontaktformular (eine Telefonnummer gibt’s nicht) teilt in freundlicher fett-roter Schrift mit, dass Anfragen, die man zu stellen wage, obwohl deren Antwort irgendwo auf der Website zu finden ist, ignoriert werden.
  • Also, erste Anlaufstelle: die Zulassungsstelle in Frankfurt. Die Dame am Telefon teilt mir mit, ich könne meine Kennzeichen und meinen Fahrzeugschein nach Frankfurt schicken, um sie zu entstempeln. (Der Fahrzeugbrief wird nicht benötigt.) Aber, sagt sie, innerhalb der EU könne die Abmeldung eigentlich auch direkt vor Ort über den Behörden in England erledigt werden. Das klingt gut.
  • Zweite Anlaufstelle: Die DVLA (Driver & Vehicle Licensing Agency). Die dortige Dame sagt mir, dass ihre deutsche Kollegin mir nur die halbe Wahrheit gesagt hat: Ja, die englischen Behörden können eine Abmeldung vornehmen — aber nur im Zusammenhang mit einer Ummeldung auf einen englischen Fahrer. Hm, okay.
  • Jetzt will ich wissen, was meine deutsche Autoversicherung will, um mich rauszulassen. Ich gerate an einen sehr netten und sehr zum Plaudern aufgelegten Herrn, der mich umfassend informiert (auch über die Studienvorhaben seiner Tochter und seinen Bekannten mit dem alten Auto, das er verschenkt hat und jetzt wegen seiner Anhängerkupplung immer wieder mal ausleiht) und mir dabei mit Nachdruck nahe legt, die Abmeldung selbst in die Hand zu nehmen (per Päckchen nach Frankfurt).

Zum Glück hatte die Dame beim Gebrauchtwagenhändler keine Vorbehalte dagegen, dass ich die Kennzeichen abschraube und den Fahrzeugschein mitnehme.

Und, ach ja, mit der Versicherung und der Steuer ist das in England so: Versicherung ist natürlich Pflicht, aber komplett meine Angelegenheit (meine vielen Jahre Schadenfreiheitsrabatt konnte ich leider nicht mitnehmen) — und dass man Steuern zahlt, beweist man mit einer so genannten Tax Disc, die man in einem kleinen Täschchen hinter der Windschutzscheibe stecken hat und alle sechs bis zwölf Monate verlängern muss. (Es gibt auch eine anonyme Hotline zum Verpetzen von Autos ohne Tax Disc.)

Und mein alter Seat steht jetzt beim Händler. Ich habe eigentlich ein sehr pragmatisches Verhältnis zu Autos im Allgemeinen, aber vierzehn Jahre gehen auch an mir nicht ganz spurlos vorüber.

So long, and thanks for all the miles.

So long, and thanks for all the miles

5 Gedanken zu „So long, and thanks for all the miles

  1. […] Wir haben uns die Saga Class gegönnt und sind mit Beinfreiheit, leckerem Frühstück, Decke, Kissen und einem einzigen weiteren Fluggast in unserer Klasse geflogen. Völlig tiefenentspannt sind wir in Kevlavik gelandet und haben unseren Mietwagen am Flughafen abgeholt; ein silberfarbener Škoda Fabia. Dem aufmerksamen Leser unseres Blogs fällt natürlich sofort auf, dass wir dieses Auto auch schon in England gefahren haben. […]

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