Island: Nachlese

[Mych] Was auf der digitalen Filmrolle übrig blieb …

Ständiger Begleiter auf unserer Reise: Schafe links, Schafe rechts, und manchmal auch Schafe in der Mitte von der Straße. Kleine und große. Weiße, braune, gescheckte, schwarze. Vor dem Zaun und hinter dem Zaun. Schafe Schafe Schafe.

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In Egilsstaðir auch ein paar Enten.

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Beim Dettifoss entdecken wir das erste Drohnenverbotsschild:

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Das hier ist noch selbst gedruckt, aber an anderen Orten gibt’s das gleiche Drohnensymbol auch professionell gefertigt in schwarz auf gelbem Plastik.

Dieses Schild hier begründet das Drohnenverbot mit Tier- und Pflanzenschutz – so, wie sich manche Touristen hier auch drohnenlos schon verhalten, würde mich kein bisschen wundern, wenn der eine oder andere Drohnenbesitzer sein irgendwo im Steilhang abgestürztes bestes Stück ohne zu zögern unter völliger Missachtung von Tieren, Pflanzen, gesundem Menschenverstand und eigenem Leib und Leben hinterhersteigen würde.

Bei Seltún berichtet der Earthcache-Owner von den seltenen und scheuen Schlammtopf-Vögeln, die sich schnell in eine von den Schlammblubberblasen verziehen, sobald jemand in die Nähe kommt. So einen haben wir zufälligerweise schon bei den Hverir-Quellen auf einem Foto erwischt:

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Leben findet sich eh überall, auch im Vulkangeröllfeld:

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Feierabendbierchen auf der Freiterrasse im Laxá-Hotel. (Nein, das ist keine Fototapete.)

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Das Amphibienfahrzeug, mit dem wir in der Jökulsárlón-Gletscherlagune herumgeschippert sind, stammt offenbar aus US-Army-Altbeständen:

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Kurz nach Verlassen der Gletscherlagune kommen wir an Überresten der Múlakvisl-Brücke vorbei, die zerstört wurde, weil ein paar Eisberge dagegen geprallt sind:

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Detail vom unteren Ende des Svartifoss – sieht aus, als hätte jemand mit Bauklötzen gespielt:

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Unser kleiner silberner Škoda Fabia, der uns 2505,5 km lang um die Insel gefahren hat. Die Ringstraße selbst hat nur etwa 1400 km Gesamtlänge; offenbar haben wir ein paar Umwege gemacht.

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Ein neueres Modell als der, den wir in England hatten – merkten wir auch an der VW-artigen Innenausstattung. Die Kabelbinder zur Fixierung der Radkappen an der Felge gibt’s allerdings auch bei diesem Modell offenbar serienmäßig. Ist bei den halbmetergroßen Kratern in den Schotterpisten vielleicht auch einfach nötig.

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Und zuletzt – ein vorläufig letzter Abschiedsgruß, aufgenommen bei Aurora-Stufe 7 kurz nach dem Start aus Kevlavik:

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Ja, wir kommen wieder. Ganz sicher.

 

Island: Nachlese

Eiszeit

[Mych] Fenster freikratzen. Außen und innen.

Normalerweise sind wir nicht morgens mit dem Auto unterwegs – Judith fährt mit dem Fahrrad ins Labor, und ich stapfe normalerweise zu Fuß im Schlafanzug ins Büro. Aber wir wollen nächstes Wochenende zu einem Wellness-Wochenende nach Bath fahren. Da sind die einzigen heißen Quellen in England. Schon die Römer wussten davon.

Draußen ist es dieser Tage relativ kühl: knapp über dem Gefrierpunkt, und nachts offensichtlich kalt genug für zufrierende Pfützen und Autoscheiben. Wir haben zwar nicht vor, nachts zu fahren, aber Winterreifen im Winter klingen trotzdem wie eine gute Idee, und wir haben noch die Winterkompletträder von meinem alten Seat Ibiza in unserem Gartenschuppen rumliegen.

Nachdem die Scheiben (innen und außen) frei sind, fahren wir zur Volkswagen-Werkstatt im Arches Industrial Estate um die Ecke. Ein sehr großer Name für ein paar Lagerhallen unter den Bögen einer kleinen, gemauerten Eisenbahnbrücke; weniger als zehn Minuten zu Fuß von unserem Haus entfernt. Haufenweise kleiner Autowerkstätten und Gebrauchtwagenhändler haben sich dort angesiedelt, und ein Nissan-Händler, von dem man nachts nur das „SAN“ lesen kann.

Die erste Erkenntnis des Morgens: Die Volkswagen-Werkstatt macht keine Radwechsel – der freundliche Mann verweist uns an die spezialisierte Radwechselwerkstatt nebenan.

Dort wirft man einen Blick auf meine Ibiza-Räder. Ja, die werden schon passen, sagt der junge Mann. Ich hatte damit gerechnet, dass ich den Wagen da lasse und später wieder abholen werde, aber der junge Mann setzt sofort den Wagenheber an. Sein etwas älterer Kollege hebt die Räder aus dem Kofferraum; die Kreidemarkierung „V“ auf der Lauffläche steht für „vorne“, erkläre ich ihm. Aber als er die erste Radkappe entfernt hat, ist sofort klar, dass sie doch nicht passen: Der Škoda hat fünf Schrauben – die Räder vom Seat haben nur vier Löcher. Mist.

Wir fragen, ob wir vielleicht neue Winterräder bekommen könnten – und ob sie vielleicht die alten Winterreifen (erst eine Saison gefahren) in Zahlung nehmen würden. Der etwas ältere Mann kratzt sich am Kopf. „Nee“, sagt er. „Die werde ich nicht wieder los. Niemand in England fährt mit Winterreifen.“

Eiszeit

So long, and thanks for all the miles

[Mych] Eigentlich war’s eher ein Versehen, dass wir meinen Seat mit nach England genommen habe. Aber niemand sonst wollte das Karnickel transportieren — außer vielleicht in einer dunklen Kiste im Frachtraum eines Fliegers.

Also kam er mit, statt dass ich ihn noch in Deutschland verkauft hätte. Mit fast anderthalb Jahrzehnten auf dem Buckel hätte er sich seinen Ruhestand auch redlich verdient gehabt; aber so musste er nochmal ran. 1300 Kilometer. Und er hat wacker durchgehalten. Aber England war einfach nicht der rechte Ort für ihn.

Ungefähr drei Optionen hatten wir:

  • Für den Zulassung in England umrüsten und ummelden. Das Umrüsten besteht aus eigentlich nur drei Dingen: Scheinwerfer so abkleben, dass sie den Gegenverkehr nicht blenden; eine Meilen-Skala auf den Tacho; und eine Nebelschlussleuchte rechts. Aber dann würden wir immer noch auf der falschen Seite sitzen, und die Gewalttour über die belgischen Autobahnen hatte den Seat mit einem beunruhigenden Klappern irgendwo vor oder unter uns hinterlassen, das nichts Gutes verhieß.
  • Verschrotten, und dann nur noch Fahrradfahren. Und tatsächlich kommt man zu Fuß oder mit dem Fahrrad in Coventry ziemlich weit — Judith fährt jeden Tag zur Arbeit und braucht dafür halb so lange wie mit dem Bus –, aber eben auch nicht viel weiter als bis knapp über Coventry hinaus. Ein Wochenendtrip nach Nottingham mit dem Fahrrad hat schon Charme, aber die Option, einfach ein Stündchen mit dem Auto dort hin fahren und dann dort um so mehr unternehmen zu können auch. (Vor allem, wenn man einen Kofferraum voll Geocaching-Ausrüstung mitnehmen möchte.)
  • Einen Gebrauchten kaufen und dem Händler dafür den Seat überlassen. Wenn wir einen finden, der ein altes Auto mit Linkslenkung in England haben will.

Übrigens — was zwar gerne gelebt wird, aber zumindest formell keine Option ist: einfach niemandem was sagen und mit der deutschen Zulassung weiter fahren. Meine deutsche Autoversicherung hatte mir zwar mitgeteilt, dass sie weiterhin haften würde, wenn was wäre, aber schon allein die Zulassung in Frankfurt ist ohne Wohnsitz in Deutschland eine fragwürdige Angelegenheit — und die britischen Behörden betrachten ein Auto, das von einem in England Ansässigen gefahren, aber nicht vor Ort versteuert wird, als Steuerhinterziehung. Und als ansässig gilt man spätestens dann, wenn man in England eine Wohnung mietet oder einen Job hat — sofort, nicht erst nach einem halben Jahr Aufenthalt. Man bekommt eine Gnadenfrist von 14 Tagen ab Ankunft, aber das war’s auch.

Naja. Klare Sache also: Wir besorgen uns einen Gebrauchten. Und nach gar nicht allzu langer Stöberei im Internet hatten wir einen Händler in Coventry ausgemacht, der einen gar nicht so alten Škoda Fabia zu einem vernünftigen Preis anbot.

Letzten Samstag waren wir da und sind probegefahren — mit der linken Hand zu schalten ist ziemlich ungewohnt, und irgendwie ist auch nicht auf Anhieb intuitiv, dass der größte Teil der Wagenbreite links und nicht rechts von einem ist. Aber ansonsten: Gar nicht so unähnlich meinem Seat, nur mit zwei Türen mehr und, naja, dem Lenker auf der Beifahrerseite. Und meinen Seat wollte mir der Händler für ein paar hundert Pfund auch noch abnehmen. Perfekt.

Also: Anzahlung am Samstag, und heute ging’s zum Autowechsel.

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Mit dem Travelbug auf dem neuen Wagen fühlt er sich schon fast so an wie Zuhause.

Womit ich mich am Vormittag noch rumgeschlagen hatte: Wie meldet man in England ein Auto mit deutscher Zulassung ab?

  • Das Internet ist, wie immer in solchen Fällen, eine Quell jeder Information, die man sich vorstellen kann. Will sagen: buchstäblich jeder. Richtiger, falscher, widersprüchlicher, veralteter, erhoffter, befürchteter und herbeigewünschter.
  • Irgendwer hatte mal behauptet, das Abmelden deutscher KFZ sei eine konsularische Leistung, die man in der Deutschen Botschaft in London in Anspruch nehmen könnte. Deren Website will davon aber nichts wissen, und das Kontaktformular (eine Telefonnummer gibt’s nicht) teilt in freundlicher fett-roter Schrift mit, dass Anfragen, die man zu stellen wage, obwohl deren Antwort irgendwo auf der Website zu finden ist, ignoriert werden.
  • Also, erste Anlaufstelle: die Zulassungsstelle in Frankfurt. Die Dame am Telefon teilt mir mit, ich könne meine Kennzeichen und meinen Fahrzeugschein nach Frankfurt schicken, um sie zu entstempeln. (Der Fahrzeugbrief wird nicht benötigt.) Aber, sagt sie, innerhalb der EU könne die Abmeldung eigentlich auch direkt vor Ort über den Behörden in England erledigt werden. Das klingt gut.
  • Zweite Anlaufstelle: Die DVLA (Driver & Vehicle Licensing Agency). Die dortige Dame sagt mir, dass ihre deutsche Kollegin mir nur die halbe Wahrheit gesagt hat: Ja, die englischen Behörden können eine Abmeldung vornehmen — aber nur im Zusammenhang mit einer Ummeldung auf einen englischen Fahrer. Hm, okay.
  • Jetzt will ich wissen, was meine deutsche Autoversicherung will, um mich rauszulassen. Ich gerate an einen sehr netten und sehr zum Plaudern aufgelegten Herrn, der mich umfassend informiert (auch über die Studienvorhaben seiner Tochter und seinen Bekannten mit dem alten Auto, das er verschenkt hat und jetzt wegen seiner Anhängerkupplung immer wieder mal ausleiht) und mir dabei mit Nachdruck nahe legt, die Abmeldung selbst in die Hand zu nehmen (per Päckchen nach Frankfurt).

Zum Glück hatte die Dame beim Gebrauchtwagenhändler keine Vorbehalte dagegen, dass ich die Kennzeichen abschraube und den Fahrzeugschein mitnehme.

Und, ach ja, mit der Versicherung und der Steuer ist das in England so: Versicherung ist natürlich Pflicht, aber komplett meine Angelegenheit (meine vielen Jahre Schadenfreiheitsrabatt konnte ich leider nicht mitnehmen) — und dass man Steuern zahlt, beweist man mit einer so genannten Tax Disc, die man in einem kleinen Täschchen hinter der Windschutzscheibe stecken hat und alle sechs bis zwölf Monate verlängern muss. (Es gibt auch eine anonyme Hotline zum Verpetzen von Autos ohne Tax Disc.)

Und mein alter Seat steht jetzt beim Händler. Ich habe eigentlich ein sehr pragmatisches Verhältnis zu Autos im Allgemeinen, aber vierzehn Jahre gehen auch an mir nicht ganz spurlos vorüber.

So long, and thanks for all the miles.

So long, and thanks for all the miles

The Karnickel has landed

[Mych] Abfahrt: 17:22 Uhr CEST. Ankunft: 11:02 BST. Karnickelstatus: hungrig und müde. Aber lebt.

Karnickel angekommen

Der alte Hase hat uns kurz vor Ankunft in Coventry — buchstäblich auf den letzten paar Meilen — nochmal einen ordentlichen Schrecken eingejagt: Nachdem er praktisch die ganze 19-stündige Fahrt über rumgewurschtelt und an seiner Decke rumgezuppelt hatte, statt sich mal hinzulegen oder wenigstens was zu fressen, konnten wir durch die engen Schlitze seiner Transportbox nur noch sehen, wie er regungslos in der Ecke lag.

Aber das war zum Glück nur Erschöpfung. Und, wahrscheinlich, Hunger. Sogar von dem frisch gepflückten Löwenzahn aus unserem Vorgarten wollte er nichts wissen, solange er noch in seiner Box saß. Aber als Judith erst seine neue alte Wohnung aufgestellt hatte, sprang er sofort rein und hatte binnen Minuten das ganze Grünzeug aufgemampft:

Karnickel bezieht neue alte Wohnung

Und danach fiel er erstmal einfach in seinem Bettklo um:

Karnickel plumpsDas ist ein gutes Zeichen — sozusagen die ultimative Anti-Fluchthaltung. (Jetzt gerade mümmelt er wieder.)

Beobachtungen von unserer langen Reise:

  • Es ist offensichtlich ein aufwändiger und teurer Prozess, Benzin in die Niederlande einzuführen: Anders kann ich mir nicht erklären, dass der Liter knapp jenseits der Grenze gut 25 Eurocent teurer ist als in Deutschland.
  • Die Holländer machen bessere Autobahnen als die Belgier. Korrektur: Jeder macht bessere Autobahnen als die Belgier.
  • Aber dafür macht niemand so viel Tamtam um Autobahnbaustellen wie die Leute in Belgien. Erste Vorankündigung ungefähr 16 Kilometer vor der Baustelle; Tempolimit auf ungefähr Schritttempo gedrosselt; und nach zweihundert Metern ist der Spuk vorbei.
  • Es gibt unglaublich hohe Lastwagen in England: Die haben ungefähr das Querschnittsprofil von zwei regulären deutschen Lastern aufeinander. Keine Ahnung, warum ich sowas in Kontinentaleuropa noch nie gesehen habe. Vielleicht passen die einfach alle nicht durch den Eurotunnel?
  • Nichts, aber einfach gar nichts auf dieser Reise ist „bald“. Als ich auf der letzten Strecke quer durch England sowas sage wie „die nächste Routenanweisung ist dann endlich die Abfahrt vom Motorway“ (so in etwa 80 Kilometern), guckt Judith sich schon suchend nach dem Schild um.
  • Links fahren ist halb so wild. Allerdings hätten wir beim Beladen des Autos darauf achten sollen, dass ich einen unverstellten Schulterblick durchs rechte Rückfenster habe, denn nur mit meinem aus unerfindlichen Design-Gründen verkümmerten rechten Seat-Ibiza-Seitenspiegel habe ich offensichtlich einen nennenswerten toten Winkel. Aber Judith macht sich gut als Ersatzseitenspiegel bzw. Deputy-Schulterblickerin.
  • Es gibt „Berge“ in England. Damit man sie bemerkt, fahren da dann alle Lastwagen ganz langsam (steht auch auf Schildern am Rand: „slow lorries„), und die Autofahrer sind mittendrin in der Prozession.
  • Stadtverkehr mit Navi in Coventry: nein. Zum Glück erkannte Judith in dem Moment, als ich schon mit wilden Augen zum dritten Mal in irgendeinem Kreisverkehr falsch abfuhr, wo wir waren, und konnte mich nach Hause franzen. Unser netter alter Herr Nachbar zur Linken parkte nicht nur sein Auto um, damit wir direkt vor unserem Haus parken konnten, sondern bot sogar an, uns beim Schleppen zu helfen (aber das konnten wir natürlich nicht annehmen).

Was man nachts um halb vier am Eurotunnel-Terminal in Calais so tun kann:

Geocaching (mein Log, Judiths Log). Im Hintergrund ein Hintern ein Monument der Kunst.

Geocaching am Eurotunnel-Terminal Calais

Und zu guter Letzt: die Queen mit ihrem Corgi.

Die Queen und ihr Corgy Wie sagte einer meiner Ex-Kollegen so schön? „Nach müde kommt blöd.“

The Karnickel has landed