Konten

[Mych] Zwei Dinge habe ich mir im Laufe der vorigen Woche für letzten Samstag vorgenommen: Ich möchte ein Bankkonto eröffnen, und ich möchte endlich auch in England Internet in der Hosentasche haben.

Am Samstag Morgen betreten wir die Hallen der Lloyds-Bank in Coventry: ein beeindruckendes Gebäude direkt an der High Street. Unter dem gewaltigen Eingangsbogen ist der Name der Bank in edler Antiqua in den hellgrauen Stein gemeißelt. Drinnen ist es licht und modern. Wir haben mir Lloyds ausgesucht, weil ich dort als Neuzugang im Vereinigten Königreich mit europäischer Identity Card (also meinem Personalausweis) ganz einfach ein Konto eröffnen kann — verspricht zumindest die Lloyds-Website. Wer keine Identity Card hat, muss mühsam mit seinem Führerschein oder seinem Pass, Wasser- oder Stromrechnung erst seine Identität, dann seinen Wohnort nachweisen; das ist ganz normal hierzulande.

Während wir in der kurzen Schlange vor dem Beratungstresen warten, spricht uns eine bekopftuchte junge Inderin im professionellen Hosenanzug an und fragt uns sehr höflich, was wir zu tun beabsichtigen. Wir teilen mit, dass ich ein Konto eröffnen möchte. „Haben Sie einen Identitäts- und einen Adressnachweis mitgebracht?“, fragt sie. „Mein deutscher Personalausweis müsste reichen“, erwidere ich. Damit scheint sie sich nicht auszukennen, also bittet sie uns freundlich, uns kurz zum Warten in eine nahe gelegene Couch niederzulassen, während sie einen Kollegen holt.

Es dauert nicht lang, bis uns ein Herr abholt und zu einer der Beratungssitzgruppen führt. Er kann nicht viel älter sein als wir beide; und offenbar hat er sehr junge Kinder, wie er uns entschuldigend erzählt, als er sich beim Übertragen meines gar nicht so unenglischen Vornamens in das Formular auf seinem Bildschirm vertippt. Als meine englische Adresse nimmt er die von Judiths aktueller Mietwohnung zur Kenntnis — dorthin wird dann auch meine Bankkarte geschickt werden. Das einzige offizielle Dokument, das ich ihm zeige, ist tatsächlich mein deutscher Personalausweis.

Er seufzt in komischer Verzweiflung, als ich ihm meine geschäftliche Visitenkarte vorlege, von der er Namen und Adresse meines Arbeitgebers abtippen darf, und dann überlegen wir uns zusammen, welche der allesamt ungeeigneten Berufsbezeichnungen aus der Auswahlliste wohl am wenigsten unpassend für mich ist. Auf meiner Karte steht „Senior Software Engineer“, aber er verwirft den „Computer Programmer“ und entscheidet sich für „Professional“. Nachdem er einen Stapel Papier ausgedruckt und mich an einem halben Dutzend verschiedenen Stellen hat unterschreiben lassen, drückt er mir die Hand, und ich habe ein englisches Bankkonto — samt £50 Dispokredit, an deren Aushandlung ich nur in Form faszinierter, passiver Beobachtung seines Computerbildschirms beteiligt gewesen war. Vielleicht kriegt er Provision dafür; mir soll’s recht sein.

Wir verlassen die Bank in guter Stimmung und gehen zum O₂-Laden, der nur wenige Schritte entfernt liegt. Ich möchte eine O₂-Prepaid-SIM haben, weil O₂ eine für meine Situation besonders interessante Option anbietet: Ich kann eine Handvoll deutscher Rufnummern konfigurieren und die dann über inländische Rufnummern mit einem gewaltigen Inklusivkontingent von Gesprächsminuten anrufen; und ich kann mir eine deutsche Rufnummer einrichten lassen, die direkt auf mein Mobiltelefon führt. Das ist zumindest die Theorie — aber die will ich ausprobieren.

Als wir den Laden betreten und uns suchend umschauen, spricht uns eine lässig an den Auslagetresen gelehnte junge Frau im O₂-T-Shirt an und hüllt sich dabei in eine Aura so enormer Gelangweiltheit, dass ich dahinter schon fast eine Kunstform zu vermuten beginne. Ich erkläre ihr, was ich möchte, und sie begibt sich zum Tresen und holt eine kleine Pappschachtel hervor. Ich halte ihr vorauseilend meine Visitenkarte mit meinem Namen hin — Judiths T-Mobile-SIM-Karte war noch im Laden auf ihren Namen registriert worden — aber die junge Frau scheint mit dieser Vorstellung nicht das Geringste anfangen zu können und schaut mich an, als hätte ich sie gefragt, ob es die SIM-Karte auch in DIN A4 gäbe. Und während sie mir Anweisungen zur Aktivierung meines Tarifs auf einen Zettel kritzelt, sinniere ich fasziniert darüber, wie speziell doch unsere deutsche Bundesnetzagentur ist, die mit eiserner Hand darüber wacht, dass es zu jeder deutschen Rufnummer auch einen gemeldeten deutschen Wohnsitz gibt.

Zu Hause angekommen führe ich getreulich alle Schritte durch, die mir zur Aktivierung meiner neuen SIM aufgetragen worden waren: Insbesondere das Abschalten mobiler Daten, bevor ich meinen Tarif (per SMS) aktiviere, damit ich nicht versehentlich einen Ein-Tages-Internet-Pass für £1 von meinen genau abgezählten £20 Initialaufladung abgezogen bekomme, bevor mein Wunschtarif mit Inklusivdaten aktiviert wurde. Eine SMS trifft ein, die mir mitteilt, dass mein Tarif zum heutigen Datum aktiv würde; also wähne ich mich in Sicherheit und gestatte meinem Telefon wieder Zugriff aufs mobile Internet.

O₂-Tarifwechsel. Man beachte das Datum unten.
O₂-Tarifwechsel. Man beachte das Datum unten.

Kurz darauf erhalte ich eine SMS mit der verwirrenden Mitteilung, ich möge mein Konto doch bitte aufladen, damit ich meine Tarifkontingente für diesen Monat nutzen könne. Wie bitte? Ich werfe einen Blick ins O₂-Webinterface und resigniere zähneknirschend vor dem Umstand, dass ich mir offensichtlich doch einen Datentagespass angelacht habe. Dann mache mich daran, £1 auf mein Prepaid-Konto zu laden. Zum Aufladen per Web oder Telefon braucht man eine Kreditkarte. Judiths englisches Konto ist noch komplett leer, ich habe für das meine noch keine Karten (und außerdem ist es auch noch komplett leer), aber ich habe ja eine deutsche Kreditkarte. Ich klicke mich durch das O₂-Webformular und bruchlande kopfkratzend an einer Stelle, an der ich die englische Rechnungsadresse meiner Karte einzugeben habe — es ist technisch völlig unmöglich, eine deutsche Adresse einzugeben. Von einer Einschränkung auf englische Kreditkarten war noch nie zuvor die Rede. Was sie soll, ist mir auch schleierhaft.

Nun ja. Also muss ich wohl erstmal darauf warten, dass Lloyds mir die Karte zu meinem neuen Konto an Judiths (und meine) englische Adresse zuschickt und ich seinen Kontostand auf mehr als „Nil“ anhebe; und das werde ich erst tun, wenn das Lloyds-Internet-Banking es zulässt, dass ich dortiges Geld auch wegüberweisen kann; aber das geht (aus sogar einigermaßen nachvollziehbaren Sicherheitsgründen) erst, wenn meine dort konfigurierte Rückrufnummer ein paar Tage lang unverändert bleibt, denn ein automatisierter Rückruf ist integraler Bestandteil jeder Online-Überweisung. Andere Banken, andere Sitten.

Bis dahin kann ich mir noch überlegen, wie ich mein Euro-Gehalt ohne allzu massiven Wechsel- und Transferverlust von der Deutschen Bank zu Lloyds bekomme. Wie das geht, und welchen amüsanten und leicht grotesken Austausch ich in diesem Zusammenhang mit dem CurrencyFair-Support in Bezug auf meinen Identitätsnachweis hatte — das erzähle ich beim nächsten Mal.

Konten

Heiter bis sonnig

[Maus] An diesem Wochenende war mal wieder Michael bei mir, und er hat mir einiges mitgebracht. Neben vier Flaschen Rotwein waren auch seine wasserdichten Stiefel dabei, die einem hier das Leben versüßen können. Es hat in den vergangenen zwei Wochen ja immer wieder mal geregnet, weswegen der Boden ziemlich matschig und die Pfützen kleine Seen sind. Mit den wasserdichten Stiefeln, die wir uns eigentlich mal für unsere Geocaching-Ausflüge gekauft haben, brauchen wir weder auf Matsch noch auf Pfützen achten, sondern können einfach losmarschieren. Bei dem herrlichen Sonnenschein an diesem Wochenende haben wir das natürlich auch getan. Normalerweise habe ich sonst nur zum Aufwachen und auf dem Weg zur Arbeit Sonne gehabt, was ja im Grunde genommen reicht, denn ich bin ja bis es dunkel wird im Institut. Aber dieses Wochenende war es fast durchgehend sonnig. 🙂

Heute waren wir im War Memorial Park, der ursprünglich mal an den ersten Weltkrieg erinnern sollte, aber nun auch den zweiten Weltkrieg mit einschließt. Dort lag ein riesiger umgestürzter Baum, der sich aufgrund seiner relativ oberflächlichen Verwurzelung, dem matschigen Boden und den stürmischen Tagen einfach nicht mehr halten konnte. Das war sehr beeindruckend. Offenbar handelte es sich hierbei um einen Flachwurzler. Ich schätze, das ist eine Fichte, aber Bäume sind mir ein Rätsel und ich rate nur wild herum.

Doch weiter zu den Dingen, die Michael aus seinem Koffer gezaubert hat. Ich habe jetzt ein kleines Heizkissen und eine wärmende Kamelhaardecke hier, die man sich praktischerweise auch noch zu einem aparten Überwurf zusammenknüppern kann. Außerdem ist es in meiner Bude überhaupt nicht mehr eisig. In dieser Woche wurde es ja jeden Tag ein wenig kühler, bis ich am Donnerstag Abend nur noch 17°C hatte und meinen eigenen Atem sehen konnte. Ich rief also kurzerhand John — meinen Vermieter — an, der gleich nebenan wohnt. Glücklicherweise wollte er schon in zwanzig Minuten rüber kommen. Doch eine Stunde später war er leider immer noch nicht da. Ich rief ein zweites Mal an und binnen 30 Sekunden war er da: ein freundlicher strubbeliger älterer Herr, der erstaunlich gut zu seiner chaotischen, aber freundlichen, Tochter Claire passt. Er brachte den Boiler wieder in Gang, und ich besorgte mir am Samstag für eventuelle zukünftige Ausfälle eine kleine Konvektionsheizung. Und nun ist es kuschelig warm.

Hier in Coventry habe ich noch keinen Laden gefunden, der Saturn oder Media Markt ähneln würde. Stattdessen habe ich einen Laden namens Argos gefunden. Dort habe ich meine Heizung gekauft — und das war echt spannend. Da gab es Computer und Kataloge, die dazu dienten, sich das gewünschte Produkt auszusuchen. Jedes Produkt hat eine Nummer, die man sich notiert und die man dann entweder an einer herkömmlichen Kasse, einem Cash-Automaten oder einem Kartenautomaten bezahlt oder zur Ansicht bestellt. Dann bekommt man eine Wartenummer und setzt sich in den Wartebereich bis die Nummer aufgerufen wird. Und das war es schon. Hat nur fünf Minuten gedauert und man wird kaum zu Impulsivkäufen animiert. Es steht ja nirgends etwas herum. Da ich Shopping ja eigentlich nicht besonders amüsant finde, ist dieser Laden wie für mich gemacht. Rein, bestellen, bezahlen, Artikel bekommen und wieder raus.

An diesem Wochenende konnten wir außerdem eine Menge nützlicher Dinge für Micha erledigen. Am Samstag war die erste Aufgabe, ein Konto für ihn zu eröffnen. Ich hatte ihm die Lloyds Bank vorgeschlagen, weil sie meine erste Wahl gewesen wäre und ich gern wissen wollte, ob sie tatsächlich für jeden, der seine Identität entsprechend nachweisen kann, ein Konto eröffnen. Ja, sie tun es — und unser freundlicher Bankberater versuchte mich auch gleich noch zu überreden, zu ihnen umzuziehen. Das werde ich tun, wenn mein erstes Gehalt auf meinem anderen Konto eingegangen ist.

Zweite Aufgabe: eine Pay-as-you-go-SIM für Micha. Eine extrem gelangweilte junge Frau gab ihm knappe Auskünfte über das, was er bekommen kann, schrieb ihm ein paar kryptische Ratschläge auf, und wir mussten dann erst einmal herausfinden, in welcher Reihenfolge alles geschehen sollte. Sie hatte uns auch gewarnt, alles in der richtigen Reihenfolge zu tun, da sonst ein Pfund von dem Top-Up-Betrag (ähnelt unseren Prepaid-Aufladungen) abgezogen wird und er dann den gewählten Tarif nicht nutzen kann. Nachdem wir alles wie beschrieben getan hatten, war das Pfund abgezogen. Wie wir später feststellten, waren wir zu schnell und hätten eine Bestätigung abwarten müssen. Top-Up geht nicht mit deutscher Kreditkarte, und daher hatten wir nun endlich einen Grund, mal mit dem Bus zu fahren — denn der einzige mir bekannte Laden, der zu dieser Uhrzeit noch geöffnet war, war der Tesco-Superstore an der Uni. Da haben wir Micha auch noch so ein kleines Billighandy, wie ich es für meine deutsche SIM-Karte habe, gekauft. Nun kann er endlich in England das Unterwegs-Internet nutzen.

Auf dem Rückweg sind wir dann ins City Arms gegangen. Das ist ein Pub hier in Earlsdon, das sehr gut besucht war. Micha holte für uns an der Bar ein Ale (für ihn), ein Cider (für mich) und bestellte uns zweimal prämierte Würstchen mit Kartoffelbrei, Erbsen und einer Zwiebel-Rotweinsoße. Man könnte sagen, alles zusammen für einen sagenhaft günstigen Preis (für englische Verhältnisse) und dazu auch noch richtig lecker. Die Unterhaltung gibt es gratis. Vor allem die Frauen sind eine Augenweide. 😀 Wer auch immer zu besucht kommt, wird uns wohl mal hierhin begleiten müssen.

Heiter bis sonnig