Schokomutterhasen

[Mych] Dass man dieser Jahre schon im Spätsommer die ersten Dominosteine und zu Weihnachtsmännern transmutierten Osterhasen zu kaufen bekommt, kennt man ja schon.

Immerhin stimmt da die Reihenfolge.

Aber Muttertags-Marketing schon vor Ostern? Die Läden in Coventry sind seid Wochen voll davon. Stürzt das die Schokohasen nicht in eine Identitätskrise?

Tatsache: Die Briten feiern ihre Mütter im März. Mitten in der österlichen Fastenzeit, weil man da nämlich besonders fröhlich sein soll (gemessen daran, dass man seit Wochen am Fasten ist). Und sie nennen ihn Mothering Sunday – Bemutterungssonntag, sozusagen.

Der deutsche Muttertag ist ja bekanntermaßen nach guter alter USA-nischer Tradition erst Mitte Mai. (Die amerikanische Begründerin dieses Festtags hatte irgendwann begonnen, ihn wieder abschaffen zu wollen, nachdem die Blumen- und Schokoladenindustrie davon Wind bekommen hatte. Das scheint nicht geklappt zu haben.)

Naja. So kam es jedenfalls, dass ich im Nahverkehrszug zwischen Basel und Rheinfelden einer (durchaus netten) Zollbeamtin erklären durfte, dass ich für meine Mutter Süßkram für den „englischen Muttertag“ im Koffer hatte.

Frohen englischen Muttertag!

Schokomutterhasen

Alarm

[Maus] Heute habe ich einen Feueralarm miterleben dürfen. Doch wie kam es eigentlich dazu?

Alles begann am Donnerstag.

Der Donnerstag begann als ganz normaler Arbeitstag — ich war den ganzen Tag mehr oder weniger beschäftigt. Meistens leider eher weniger, weil ein wichtiges Gerät komplett ausgefallen war und ich diese Woche damit zugebracht hatte, die Formalitäten zum Bestellen eines Bakterienstammes aus Japan und einer Gelfiltrationssäule zu klären. Beides hatte ich nun am Donnerstag endlich hinter mich gebracht und freute mich nun darauf, dass ich endlich richtig loslegen könnte, wenn erst einmal alles angekommen ist.

Am frühen Nachmittag befiel mich dann ein merkwürdiger Husten, der wie aus dem Nichts kam. Ich hatte mich bis dahin nicht krank gefühlt, aber ganz plötzlich fühlte ich mich elend.

Unglücklicherweise war für den Freitagabend eine Abschiedsparty für meine italienische Kollegin geplant und ich wollte unbedingt mitfeiern. Also bin ich Donnerstag auf dem Heimweg noch in eine Apotheke und habe mir einen Hustensaft gekauft. Meine üblichen Medikamente gab es leider nicht. Zu Hause habe ich dann noch einen Kartoffel- und einen Eiersalat für die geplante Abschiedsparty zubereitet und bin dann ins Bett geschlichen.

Am nächsten Morgen weckte mich mein Wecker. Ich hatte rasende Kopfschmerzen, mein Brustkorb brannte und meine Stimme war komplett weg. Zunächst einmal habe ich mich von der Arbeit abgemeldet, um mich gleich wieder ins Bett zu packen. Ein paar Stunden später rief mich meine italienische Kollegin an, um sich nach mir zu erkundigen. Ich piepste mit krächzender Stimme in mein Handy, dass mir Sprechen unmöglich wäre, und hörte am anderen Ende nur irres Gekichere und ein „Lass uns texten, okay?“. Ich schrieb also, dass ich vorbeikäme, wenn es mir bis zum Abend besser ginge. Leider wurde es nicht besser. Keine Party! Kein Abschied! Und eine große Portion Kartoffelsalat für mich allein.

Das einzige Highlight des Tages war Bijous reicher Onkel, der offenbar einen Freund im selben Garten hat — und meinen Vermietern gehört. Ach, die Geschichte hätte nicht besser enden können. Ich muss mir keine Sorgen mehr um das Häschen machen.

Na jedenfalls, zurück zum Feueralarm. Heute schlief ich also wieder lang und quälte mich gegen Mittag aus meinem Bett, weil ich mir noch ein paar gesunde Früchte kaufen wollte. Ich schlich also Richtung Earlsdon Zentrum, um in den dort ansässigen Supermarkt zu gehen. Nachdem ich fast alles zusammengesucht hatte, ging plötzlich der Feueralarm los, und nach anfänglicher Verwirrung ging der Store Manager laut rufend durch den Supermarkt, dass dies ein Feueralarm sein und alle den Supermarkt verlassen sollten. Ich stand nun also draußen bei strahlendem Sonnenschein und hoffte, meine Einkäufe noch erledigen, zu können, bevor ich mich mitten in Earlsdon zum Ausruhen auf den Bürgersteig legen müsste. Aber es dauerte nicht lang, da gab es Entwarnung und wir durften weiter einkaufen.

Zwei Minuten später ging der Alarm wieder los. Diesmal war der Store Manager ein wenig aufgeregter: Wild mit den Armen fuchtelnd und laut rufend scheuchte er uns alle wieder aus dem Laden. Eine Angestellte hatte inzwischen ein Telefon in der Hand und rief die Feuerwehr. Wieder stand ich draußen und hoffte darauf, dass ich meinen Einkauf noch beenden können würde. Nach zehn Minuten war ein Löschzug da, der dann einen Brand im Lager löschen musste. Weitere fünf Minuten später kam ein weiterer Löschzug, der im Laden nach dem Rechten schaute und ihn auch wieder freigab. Was für ein Glück — ich hatte noch genügend Kraft, meine Einkäufe zu bezahlen und nach Hause zu tragen. Bei Regen hätte ich sicher früher aufgegeben. Bei 15°C und Sonnenschein kann man es sich ja durchaus auch mal auf den Bürgersteig bequem machen. 🙂

Feuerwehr Das ist der erste Löschzug
Feuerwehr Das ist der erste Löschzug
Alarm

Konten

[Mych] Zwei Dinge habe ich mir im Laufe der vorigen Woche für letzten Samstag vorgenommen: Ich möchte ein Bankkonto eröffnen, und ich möchte endlich auch in England Internet in der Hosentasche haben.

Am Samstag Morgen betreten wir die Hallen der Lloyds-Bank in Coventry: ein beeindruckendes Gebäude direkt an der High Street. Unter dem gewaltigen Eingangsbogen ist der Name der Bank in edler Antiqua in den hellgrauen Stein gemeißelt. Drinnen ist es licht und modern. Wir haben mir Lloyds ausgesucht, weil ich dort als Neuzugang im Vereinigten Königreich mit europäischer Identity Card (also meinem Personalausweis) ganz einfach ein Konto eröffnen kann — verspricht zumindest die Lloyds-Website. Wer keine Identity Card hat, muss mühsam mit seinem Führerschein oder seinem Pass, Wasser- oder Stromrechnung erst seine Identität, dann seinen Wohnort nachweisen; das ist ganz normal hierzulande.

Während wir in der kurzen Schlange vor dem Beratungstresen warten, spricht uns eine bekopftuchte junge Inderin im professionellen Hosenanzug an und fragt uns sehr höflich, was wir zu tun beabsichtigen. Wir teilen mit, dass ich ein Konto eröffnen möchte. „Haben Sie einen Identitäts- und einen Adressnachweis mitgebracht?“, fragt sie. „Mein deutscher Personalausweis müsste reichen“, erwidere ich. Damit scheint sie sich nicht auszukennen, also bittet sie uns freundlich, uns kurz zum Warten in eine nahe gelegene Couch niederzulassen, während sie einen Kollegen holt.

Es dauert nicht lang, bis uns ein Herr abholt und zu einer der Beratungssitzgruppen führt. Er kann nicht viel älter sein als wir beide; und offenbar hat er sehr junge Kinder, wie er uns entschuldigend erzählt, als er sich beim Übertragen meines gar nicht so unenglischen Vornamens in das Formular auf seinem Bildschirm vertippt. Als meine englische Adresse nimmt er die von Judiths aktueller Mietwohnung zur Kenntnis — dorthin wird dann auch meine Bankkarte geschickt werden. Das einzige offizielle Dokument, das ich ihm zeige, ist tatsächlich mein deutscher Personalausweis.

Er seufzt in komischer Verzweiflung, als ich ihm meine geschäftliche Visitenkarte vorlege, von der er Namen und Adresse meines Arbeitgebers abtippen darf, und dann überlegen wir uns zusammen, welche der allesamt ungeeigneten Berufsbezeichnungen aus der Auswahlliste wohl am wenigsten unpassend für mich ist. Auf meiner Karte steht „Senior Software Engineer“, aber er verwirft den „Computer Programmer“ und entscheidet sich für „Professional“. Nachdem er einen Stapel Papier ausgedruckt und mich an einem halben Dutzend verschiedenen Stellen hat unterschreiben lassen, drückt er mir die Hand, und ich habe ein englisches Bankkonto — samt £50 Dispokredit, an deren Aushandlung ich nur in Form faszinierter, passiver Beobachtung seines Computerbildschirms beteiligt gewesen war. Vielleicht kriegt er Provision dafür; mir soll’s recht sein.

Wir verlassen die Bank in guter Stimmung und gehen zum O₂-Laden, der nur wenige Schritte entfernt liegt. Ich möchte eine O₂-Prepaid-SIM haben, weil O₂ eine für meine Situation besonders interessante Option anbietet: Ich kann eine Handvoll deutscher Rufnummern konfigurieren und die dann über inländische Rufnummern mit einem gewaltigen Inklusivkontingent von Gesprächsminuten anrufen; und ich kann mir eine deutsche Rufnummer einrichten lassen, die direkt auf mein Mobiltelefon führt. Das ist zumindest die Theorie — aber die will ich ausprobieren.

Als wir den Laden betreten und uns suchend umschauen, spricht uns eine lässig an den Auslagetresen gelehnte junge Frau im O₂-T-Shirt an und hüllt sich dabei in eine Aura so enormer Gelangweiltheit, dass ich dahinter schon fast eine Kunstform zu vermuten beginne. Ich erkläre ihr, was ich möchte, und sie begibt sich zum Tresen und holt eine kleine Pappschachtel hervor. Ich halte ihr vorauseilend meine Visitenkarte mit meinem Namen hin — Judiths T-Mobile-SIM-Karte war noch im Laden auf ihren Namen registriert worden — aber die junge Frau scheint mit dieser Vorstellung nicht das Geringste anfangen zu können und schaut mich an, als hätte ich sie gefragt, ob es die SIM-Karte auch in DIN A4 gäbe. Und während sie mir Anweisungen zur Aktivierung meines Tarifs auf einen Zettel kritzelt, sinniere ich fasziniert darüber, wie speziell doch unsere deutsche Bundesnetzagentur ist, die mit eiserner Hand darüber wacht, dass es zu jeder deutschen Rufnummer auch einen gemeldeten deutschen Wohnsitz gibt.

Zu Hause angekommen führe ich getreulich alle Schritte durch, die mir zur Aktivierung meiner neuen SIM aufgetragen worden waren: Insbesondere das Abschalten mobiler Daten, bevor ich meinen Tarif (per SMS) aktiviere, damit ich nicht versehentlich einen Ein-Tages-Internet-Pass für £1 von meinen genau abgezählten £20 Initialaufladung abgezogen bekomme, bevor mein Wunschtarif mit Inklusivdaten aktiviert wurde. Eine SMS trifft ein, die mir mitteilt, dass mein Tarif zum heutigen Datum aktiv würde; also wähne ich mich in Sicherheit und gestatte meinem Telefon wieder Zugriff aufs mobile Internet.

O₂-Tarifwechsel. Man beachte das Datum unten.
O₂-Tarifwechsel. Man beachte das Datum unten.

Kurz darauf erhalte ich eine SMS mit der verwirrenden Mitteilung, ich möge mein Konto doch bitte aufladen, damit ich meine Tarifkontingente für diesen Monat nutzen könne. Wie bitte? Ich werfe einen Blick ins O₂-Webinterface und resigniere zähneknirschend vor dem Umstand, dass ich mir offensichtlich doch einen Datentagespass angelacht habe. Dann mache mich daran, £1 auf mein Prepaid-Konto zu laden. Zum Aufladen per Web oder Telefon braucht man eine Kreditkarte. Judiths englisches Konto ist noch komplett leer, ich habe für das meine noch keine Karten (und außerdem ist es auch noch komplett leer), aber ich habe ja eine deutsche Kreditkarte. Ich klicke mich durch das O₂-Webformular und bruchlande kopfkratzend an einer Stelle, an der ich die englische Rechnungsadresse meiner Karte einzugeben habe — es ist technisch völlig unmöglich, eine deutsche Adresse einzugeben. Von einer Einschränkung auf englische Kreditkarten war noch nie zuvor die Rede. Was sie soll, ist mir auch schleierhaft.

Nun ja. Also muss ich wohl erstmal darauf warten, dass Lloyds mir die Karte zu meinem neuen Konto an Judiths (und meine) englische Adresse zuschickt und ich seinen Kontostand auf mehr als „Nil“ anhebe; und das werde ich erst tun, wenn das Lloyds-Internet-Banking es zulässt, dass ich dortiges Geld auch wegüberweisen kann; aber das geht (aus sogar einigermaßen nachvollziehbaren Sicherheitsgründen) erst, wenn meine dort konfigurierte Rückrufnummer ein paar Tage lang unverändert bleibt, denn ein automatisierter Rückruf ist integraler Bestandteil jeder Online-Überweisung. Andere Banken, andere Sitten.

Bis dahin kann ich mir noch überlegen, wie ich mein Euro-Gehalt ohne allzu massiven Wechsel- und Transferverlust von der Deutschen Bank zu Lloyds bekomme. Wie das geht, und welchen amüsanten und leicht grotesken Austausch ich in diesem Zusammenhang mit dem CurrencyFair-Support in Bezug auf meinen Identitätsnachweis hatte — das erzähle ich beim nächsten Mal.

Konten

Heiter bis sonnig

[Maus] An diesem Wochenende war mal wieder Michael bei mir, und er hat mir einiges mitgebracht. Neben vier Flaschen Rotwein waren auch seine wasserdichten Stiefel dabei, die einem hier das Leben versüßen können. Es hat in den vergangenen zwei Wochen ja immer wieder mal geregnet, weswegen der Boden ziemlich matschig und die Pfützen kleine Seen sind. Mit den wasserdichten Stiefeln, die wir uns eigentlich mal für unsere Geocaching-Ausflüge gekauft haben, brauchen wir weder auf Matsch noch auf Pfützen achten, sondern können einfach losmarschieren. Bei dem herrlichen Sonnenschein an diesem Wochenende haben wir das natürlich auch getan. Normalerweise habe ich sonst nur zum Aufwachen und auf dem Weg zur Arbeit Sonne gehabt, was ja im Grunde genommen reicht, denn ich bin ja bis es dunkel wird im Institut. Aber dieses Wochenende war es fast durchgehend sonnig. 🙂

Heute waren wir im War Memorial Park, der ursprünglich mal an den ersten Weltkrieg erinnern sollte, aber nun auch den zweiten Weltkrieg mit einschließt. Dort lag ein riesiger umgestürzter Baum, der sich aufgrund seiner relativ oberflächlichen Verwurzelung, dem matschigen Boden und den stürmischen Tagen einfach nicht mehr halten konnte. Das war sehr beeindruckend. Offenbar handelte es sich hierbei um einen Flachwurzler. Ich schätze, das ist eine Fichte, aber Bäume sind mir ein Rätsel und ich rate nur wild herum.

Doch weiter zu den Dingen, die Michael aus seinem Koffer gezaubert hat. Ich habe jetzt ein kleines Heizkissen und eine wärmende Kamelhaardecke hier, die man sich praktischerweise auch noch zu einem aparten Überwurf zusammenknüppern kann. Außerdem ist es in meiner Bude überhaupt nicht mehr eisig. In dieser Woche wurde es ja jeden Tag ein wenig kühler, bis ich am Donnerstag Abend nur noch 17°C hatte und meinen eigenen Atem sehen konnte. Ich rief also kurzerhand John — meinen Vermieter — an, der gleich nebenan wohnt. Glücklicherweise wollte er schon in zwanzig Minuten rüber kommen. Doch eine Stunde später war er leider immer noch nicht da. Ich rief ein zweites Mal an und binnen 30 Sekunden war er da: ein freundlicher strubbeliger älterer Herr, der erstaunlich gut zu seiner chaotischen, aber freundlichen, Tochter Claire passt. Er brachte den Boiler wieder in Gang, und ich besorgte mir am Samstag für eventuelle zukünftige Ausfälle eine kleine Konvektionsheizung. Und nun ist es kuschelig warm.

Hier in Coventry habe ich noch keinen Laden gefunden, der Saturn oder Media Markt ähneln würde. Stattdessen habe ich einen Laden namens Argos gefunden. Dort habe ich meine Heizung gekauft — und das war echt spannend. Da gab es Computer und Kataloge, die dazu dienten, sich das gewünschte Produkt auszusuchen. Jedes Produkt hat eine Nummer, die man sich notiert und die man dann entweder an einer herkömmlichen Kasse, einem Cash-Automaten oder einem Kartenautomaten bezahlt oder zur Ansicht bestellt. Dann bekommt man eine Wartenummer und setzt sich in den Wartebereich bis die Nummer aufgerufen wird. Und das war es schon. Hat nur fünf Minuten gedauert und man wird kaum zu Impulsivkäufen animiert. Es steht ja nirgends etwas herum. Da ich Shopping ja eigentlich nicht besonders amüsant finde, ist dieser Laden wie für mich gemacht. Rein, bestellen, bezahlen, Artikel bekommen und wieder raus.

An diesem Wochenende konnten wir außerdem eine Menge nützlicher Dinge für Micha erledigen. Am Samstag war die erste Aufgabe, ein Konto für ihn zu eröffnen. Ich hatte ihm die Lloyds Bank vorgeschlagen, weil sie meine erste Wahl gewesen wäre und ich gern wissen wollte, ob sie tatsächlich für jeden, der seine Identität entsprechend nachweisen kann, ein Konto eröffnen. Ja, sie tun es — und unser freundlicher Bankberater versuchte mich auch gleich noch zu überreden, zu ihnen umzuziehen. Das werde ich tun, wenn mein erstes Gehalt auf meinem anderen Konto eingegangen ist.

Zweite Aufgabe: eine Pay-as-you-go-SIM für Micha. Eine extrem gelangweilte junge Frau gab ihm knappe Auskünfte über das, was er bekommen kann, schrieb ihm ein paar kryptische Ratschläge auf, und wir mussten dann erst einmal herausfinden, in welcher Reihenfolge alles geschehen sollte. Sie hatte uns auch gewarnt, alles in der richtigen Reihenfolge zu tun, da sonst ein Pfund von dem Top-Up-Betrag (ähnelt unseren Prepaid-Aufladungen) abgezogen wird und er dann den gewählten Tarif nicht nutzen kann. Nachdem wir alles wie beschrieben getan hatten, war das Pfund abgezogen. Wie wir später feststellten, waren wir zu schnell und hätten eine Bestätigung abwarten müssen. Top-Up geht nicht mit deutscher Kreditkarte, und daher hatten wir nun endlich einen Grund, mal mit dem Bus zu fahren — denn der einzige mir bekannte Laden, der zu dieser Uhrzeit noch geöffnet war, war der Tesco-Superstore an der Uni. Da haben wir Micha auch noch so ein kleines Billighandy, wie ich es für meine deutsche SIM-Karte habe, gekauft. Nun kann er endlich in England das Unterwegs-Internet nutzen.

Auf dem Rückweg sind wir dann ins City Arms gegangen. Das ist ein Pub hier in Earlsdon, das sehr gut besucht war. Micha holte für uns an der Bar ein Ale (für ihn), ein Cider (für mich) und bestellte uns zweimal prämierte Würstchen mit Kartoffelbrei, Erbsen und einer Zwiebel-Rotweinsoße. Man könnte sagen, alles zusammen für einen sagenhaft günstigen Preis (für englische Verhältnisse) und dazu auch noch richtig lecker. Die Unterhaltung gibt es gratis. Vor allem die Frauen sind eine Augenweide. 😀 Wer auch immer zu besucht kommt, wird uns wohl mal hierhin begleiten müssen.

Heiter bis sonnig

Gepäck

[Mych] Ich hoffe, die Kombination aus vier Flaschen Wein, einer Wanduhr und einer Heizdecke, die ich gerade in mein (Nicht-Hand-)Gepäck gepackt habe, hält am Flughafen beim Durchleuchten niemand für ’ne Zeitbombe …

Die Weine sind übrigens ein Lauffener Katzenbeißer Spätburgunder vom Kaiserstuhl, ein Cabernet Sauvignon und ein Zinfandel von der Gallo Family aus Kalifornien und ein, ähm, Domina aus Franken. Sag keiner, dass man sich beim Rotweinkaufen nicht amüsieren darf.

Gepäck

Shopping

[Maus] Ich hasse Shopping. Aber es muss manchmal sein. Leider fehlen in meiner Unterkunft einige Dinge, die ich für dringend notwendig halte. So fehlte hier in meiner Eisbude vor allem eine Kuscheldecke für mein Sofa. Ein Trip zu einem bekannten Möbelhaus sollte dieses Problem heute lösen. Einmal dort bin ich wie im Rausch von Regal zu Regal gepilgert und habe meinen gelben Beutel gefüllt. Nun habe ich neben einer roten Kuscheldecke auch noch eine kleine Pfanne, eine French-Press-Kaffeekanne, eine Kaffeetasse für die Uni, ein scharfes Messer, vier Geschirrtücher, eine Plastikbox für die Mikrowelle und eine vernünftige Klobürste. (Die hier bereits vorhandene Klobürste ist für die Toilette ungeeignet und ich habe hier so etwas wie ein Putzfimmel entwickelt.)

Anschließend bin ich in den Coventry Market gegangen — ein Markt, in dem man fast alles kaufen kann. Da habe ich dann auch entdeckt,wo die Engländer ihre Oma-Gardinen herbekommen. Ich konnte sogar ein Pärchen in meinem Alter beobachten, das sich gerade eine dieser hübsch-hässlichen Gardinen einpacken ließ. In der Mitte des Marktes gibt es sogar ein Kinderkarussell. Ich bin ein paar Mal im Kreis herumgelaufen und habe mal geschaut, was so Angeboten wird, aber ich fühlte mich wie auf einem Polenmarkt und kaufte dann nur ein paar Bananen und zwei Salatherzen. Es ist dort zwar alles billiger, aber auch alles ziemlich heruntergekommen. Die Zukunft wird zeigen, ob ich mich daran gewöhnen kann. Momentan ist dieser Markt die einzige vernünftige Alternative zu dem Super-Tesco.

Voll gepackt mit meinen Einkäufen wollte ich dann noch schnell eine DVD kaufen. Ha! Erstmal einen Laden finden, der so etwas Exotisches verkauft. Eine halbe Stunde Herumirren in der Einkaufspassage von Coventry und ich habe doch tatsächlich einen Laden gefunden, der ausschließlich DVDs und Blu-Rays verkauft. Die DVD, die ich haben wollte, ist die zweite Staffel von „Ripper Street„. Einsortiert war sie unter Drama. Ich habe trotzdem nur zehn Minuten gebraucht, um sie zu finden.

Wieder zu Hause haben ich den ziemlich stürmischen Tag dazu genutzt, um zu putzen. Das ist ein wenig zu einem Hobby ausgeartet, das ich ganz bald mal durch ein richtiges Hobby austauschen sollte. Aber meine Eisbude ist auch zu klein, um darin nicht ständig für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen.

Übrigens: Heute ist es so stürmisch, dass der Wind durchs geschlossene Fenster rein und zum Kamin wieder raus wedelt.

Shopping

Weinerei

[Mych] Wein ist im Tesco Superstore ganz schön teuer: Man findet kaum einen unter £6 (das sind gut 7€) — und nach oben ist die Skala natürlich offen. Zum Vergleich: In meinem Rewe-Markt hier um die Ecke in Deutschland gibt’s die günstigsten Flaschen schon ab 2€, und für meine Lieblingsweine lege ich kaum jemals mehr als 5€ hin.

Judith und ich haben erst spekuliert, dass das wahrscheinlich daran liegt, dass die ganzen Weinflaschen ja erstmal übers Wasser auf die Insel kommen müssen — es gibt tatsächlich britischen Weinbau, aber im Supermarkt gesehen habe ich noch nichts davon. (In England ist übrigens auch Kontinentaleuropa „Übersee“. Das ist für uns Kontinentaleuropäer erstmal etwas verwirrend, weil wir „Übersee“ normalerweise mit „jenseits des Atlantiks“ assoziieren, aber es ist natürlich technisch korrekt.)

Andererseits kommen auch die meisten Weine in meinem Rewe-Markt nicht aus Hessen, und selbst unser Lieblings-Spätburgunder aus Südbaden oder ein Cabernet Sauvignon von der Biscaya kostet keine 7€, ganz zu schweigen von den Weinen aus Kalifornien oder Australien. Das allein kann’s also eigentlich nicht sein.

Die Erklärung ist, zumindest zum Teil, viel simpler: die Steuer.

In Deutschland gibt’s zwar die Schaumweinsteuer und die Branntweinsteuer, aber für schlichten (nicht prickelnden, nicht verstärkten) Wein zahlt man nichts. (Letzteres ist nicht zu verwechseln mit „Es gibt keine Steuer auf Wein in Deutschland“ — doch, es gibt eine, aber sie ist auf 0% festgelegt. Für irgendjemanden ist diese Unterscheidung sicher sehr wichtig.)

In England hingegen gibt’s keine Sonderlocke für Wein — da schlägt die dortige Alkoholsteuer voll zu. Für einen normalen Wein mit so zwischen 10% und 12% Alkoholgehalt zahlt man gut £2 an Verbrauchssteuer für die typische 750-ml-Flasche (plus Mehrwertsteuer, die’s natürlich auch in England gibt).

Für Leute mit persönlichen Verbindungen nach Deutschland (wie uns) gibt’s allerdings einen Weg, wie wir von unserem heimatlichen vorteilhaften Weinsteuersatz profitieren können: Wir können uns Wein als Geschenk mitbringen lassen, wenn wir Besuch aus der Heimat bekommen. Wer aus einem (anderen) EU-Land nach Großbritannien kommt, darf Wein, der zum Eigenbedarf oder als Geschenk beabsichtigt ist, zollfrei einführen.

Achtung: Sobald man Geld dafür bekommt (auch einfach nur den ausgelegten Kaufpreis!), gilt die Zollfreiheit nicht mehr — es muss ein Geschenk sein. (Oder man muss alles selbst trinken wollen.) Und natürlich darf man keine 750-ml-Weinflasche im Handgepäck mit sich führen, weil man damit ja das Flugzeug in die Luft zu sprengen versuchen könnte. Und wenn man mehr als 90 Liter Wein auf einmal zu importieren versucht, wird man sich fast mit Sicherheit einige pointierte Fragen des Zolls zu seinen Trinkgewohnheiten gefallen lassen müssen.

Weinerei

Überlebenswerkzeug

[Mych] Überlebenswerkzeug für Judiths Mittagspause in der Uni-Cafeteria:

Swiss-Spice Reisegewürzstreuer. Essenzielles Überlebenswerkzeug in der salzarmen englischen Küche.

Salzt die Suppe, nicht die Handtasche. (Und ist sogar wasserdicht!)

Dass Tomatensuppe nach pürierter Tomate und Burger-King-Pommes nach heißer Kartoffel schmecken, ist ja eine gute Sache — aber für unsere ausländischen Gaumen macht eine gute Prise Salz den Geschmack erst rund. (Und, ganz ehrlich: An Pommes gehört Salz.)

DIese Eigenheit der englischen Küche ist auch uns nicht ganz neu. Man muss nur durch den Supermarkt gehen, um zu sehen, wie sich alle möglichen Nahrungsmittelprodukte an Salzarmut gegenseitig zu übertreffen versuchen. Offenbar ist das eine werbewirksame Behauptung. Unklar ist mir allerdings, ob salzarmes Kochen eine alte englische Tradition ist oder erst in der Neuzeit aufkam — und wenn Letzteres, ob das irgendwas mit der kolportierten Expertenmeinung zu tun hat, dass Salzkonsum schlecht für die Gesundheit sei. (Andere Experten sind anderer Meinung. Und am Ende ist es wahrscheinlich einfach sehr viel differenzierter und komplizierter, als eine Volksweisheit es je sein könnte.)

Naja. Mal abwarten, ob ich versuche, meinen Gaumen umzukultivieren oder häufiger mal nachsalze. Blöd nur, dass in der Uni-Cafeteria kein Salzfässchen rumstand, wie sie in den meisten Restaurants in Deutschland auf den Tischen stehen (wo ich sie kaum jemals nutze) — daher obiges Überlebenswerkzeug. Nichts für Ungut, ihr lieben Engländer.

Überlebenswerkzeug

There and back again

[Maus] Ach ja, viel zu tun im neuen Zuhause. Aber zunächst einmal will ich von meiner Reise berichten. Wie Michael schon beschrieben hat, bin ich mit einem 22,6 kg schweren Koffer und einem prall gefüllten Rucksack angereist. So langsam stelle ich auch fest, was hier alles nützlich gewesen wäre. Ein scharfes Messer zum Beispiel. Aber davon später mehr. Mein Flug war im Durchschnitt recht angenehm, aber 10 Minuten nach Abflug gab es einen gewaltigen Ruck, der einige meiner wenigen Mitreisenden hörbar erschreckte. Ich klammerte mich einige Sekunden an meinen Armlehnen fest und konnte ein leises Aufstöhnen, als meine Zähne aufeinander schlugen, nicht mehr unterdrücken. Glücklicherweise war dieser Augenblick so schneller vorbei als eine Achterbahnfahrt, und ich wurde nur noch ab und an leicht durch gerüttelt. Als ich bei ruhigerer Wetterlage mein Portomonnaie aus meiner Jackentasche holen wollte, war mein gesamter Kram bis ans andere Ende des Faches gerutscht. Wäre der Flieger voll gewesen, wäre das nicht passiert.

Bei der Landung gab es auch noch mal eine Schrecksekunde. In dem Augenblick als ich den Boden erblicken konnte, setzte das Flugzeug schon auf. Der reinste Suppenkessel in Birmingham und das Wetter … Micha hat ja schon davon berichtet.

Beim Einrichten in meiner vorübergehenden Unterkunft sind mir gleich am ersten Abend eine Menge Dinge aufgefallen, die nicht meinem deutschen Standard entsprechen. Das Schlimmste für mich ist der Dreck. Eigentlich ist es nicht furchtbar dreckig, aber es ist nicht mein Dreck. Also mussten wir am ersten Nachmittag zunächst mal Putzmittel kaufen und ich habe ein wenig den Kalk weg geschrubbt. Aber wir hatten auch noch eine Minzepflanze mit etwas mehr als drei Blättern hier herumstehen und eine Plastikflasche mit abgeschnittenem Hals, aber ohne erkennbare Funktion. Ach ja, den Kühlschrank habe ich einmal gründlich ausgewischt.

Hier ist es auch staubig. Die Wollmäuse hängen hier von der Decke herunter. Dieses Problem werde ich im Laufe der nächsten Tage lösen. Vielleicht stelle ich eine Wollmausfalle auf. Mal sehen. Es ist hier auch ziemlich kühl. Ich habe hier in der Wohnung immer zwei Pullover an und kuschelige Hausschuhe. Wenn man sich einige Bewohner dieser Gegend anschaut, muss man sich auch nicht über diese unterkühlte Unterkunft wundern. Am Flughafen habe ich jemanden in kurzer Hose und ohne Schuhe gesehen. Als Einzelfall betrachtet, könnte man meinen, es war ein Verrückter unterwegs, aber ich habe hier in Coventry schon drei Herren ohne Jacken und nur im T-Shirt angetroffen. Ich gewöhne mich ja vielleicht noch an das Seeklima.

Heute wollten wir dann extra früh aufstehen, damit wir genug Zeit für alle anstehenden Erledigungen haben. Ich war schon vor dem Weckerklingeln wach, weil unsere Mitbewohner offenbar schon aus den Federn gesprungen waren. Es ist hier sehr hellhörig. Gestern konnten wir zuhören, wie eine junge Frau ziemlich lange telefoniert hat. Ich glaube, sie wohnt direkt über mir; ich habe sie Trampeltier getauft. Wahrscheinlich läuft sie ganz normal in ihrem Zimmer von einer Ecke in die andere, aber es klingt, als würde sie eine neue Choreographie einstudieren. Kurz nach dem Aufstehen wollte ich dann meine Kamera startklar machen. Nach der Formatierung der Karte wollte die Kamera diese dann nicht mehr erkennen. Mein erster kleiner Wutausbruch folgte. Das zweite Ärgernis des Tages ließ nicht lange auf sich warten. Die einzigen beiden Schüsseln in dieser Wohnung sind eigentlich zu klein für alles außer ein paar Nüsschen oder Gummibärchen. Wir wollten aber Porridge zum Frühstück essen. Solches, was man in der Mikrowelle zubereiten kann. Ein englisches Frühstück mit gebackenen Bohnen, Pilzen, Würstchen usw. werde ich mir hier auch nicht zubereiten können. Ich habe nur zwei Herdplatten, und aus einem mir nicht bekannten Grund schalten die sich jeweils nach 15 Minuten Benutzung aus. Ich rate mal ins Blaue hinein, dass es sich dabei um eine Sicherheitsabschaltung handelt, für den Fall, dass man vergessen hat, sie auszuschalten. Nervig ist das alle Mal, da das auch immer mit lautem Piepen angekündigt wird. Die Mikrowelle ist auch so ein nerviger Piepser. Alles wird mit Piepsen quittiert. Alles.

Nachdem ich das Kameraproblem auf später verschoben hatte, sind wir dann wieder ins Zentrum des „Dorfes“ marschiert. Ich brauchte ja ganz dringend eine englische Telefonnummer. Das Unkomplizierteste ist eine sogenannte „Pay as you go“ SIM Card. Auf Deutsch eine Prepaid-SIM-Karte. Komisch, dass der deutsche Begriff, obwohl er englisch ist, für mich mehr Sinn ergibt. Die SIM Card haben wir in einem T-Mobile/Orange/EE-Shop gekauft. Ich bekomme für £10 100 Minuten Telefonieren, 400 SMS und 1 GB Daten. Ein gutes Angebot.

Danach sind wir zu IKEA rüberspaziert. Hier ist alles nur einen Katzensprung voneinander entfernt. Daher kommt wahrscheinlich auch unser Eindruck, bei Coventry handele es sich in Wahrheit um ein Dorf. Den Speckgürtel haben wir uns allerdings noch nicht angeschaut.  Angekommen im IKEA haben wir jeweils eine Portion „Swedish Meatballs“ verputzt. Schade, das die Dinger hier nicht auch Köttbullar heißen. Die Engländer mögen ja vielleicht kein ausländisch?  Ach ja, Kaffee haben wir auch getrunken, aber  eigentlich sah er weder danach aus, noch hatte er die Wirkung von Kaffee. Egal, wir müssen uns eben anpassen und vielleicht zu Tee wechseln, der darf nämlich so aussehen.

Gekauft haben wir dann: zwei Geschirrtücher (ich weiß nicht, wieso, aber sowas wurde hier in der Wohnung offenbar noch nie benutzt), zwei große Schüsseln für Porridge aus der Mikrowelle, zwei tiefe Teller (für Nudeln mit Tomatensoße, die es gestern von flachen Tellern gab) und zwei ordentlich große Kaffepötte (oh Kaffee wäre jetzt schön — Micha?). Unsere Einkäufe brachten wir nach Hause und nach einer kurzen Kaffeepause sind wir dann mal Richtung Uni losgezogen. Letztlich haben wir eine 10-km-Runde gedreht, bei der wir auch einen Abstecher zum Tesco Superstore gemacht haben.

Das Erlebnis des Tages war die Abkürzung, die wir auf dem Rückweg ausprobiert haben. Die führte uns am „Canley Ford“ entlang. Das Problem mit diesem wirklich zauberhaften Pfad war die Dunkelheit und das viele Wasser. Aber es war immerhin eine echte Abkürzung, die bei schönem Wetter sehr zu empfehlen ist.

There and back again

Der Trek in die Innenstadt

[Mych] Der Freitag ist noch jung und der Kühlschrank leer, also planen wir einen ersten Einkauf in der neuen Stadt. Claire hatte uns auf die nahe gelegene Einkaufsstraße hingewiesen, denn die Innenstadt sei doch schon recht weit entfernt — mindestens zehn Minuten Fußweg, sehen wir auf der Karte; vielleicht sogar zwölf?

Aber wir lassen uns ja nicht so leicht schrecken und wappnen uns für die lange Wanderung. In der Innenstadt haben wir nämlich den nächst gelegenen Tesco identifiziert — die einzige englische Supermarktkette, mit der wir schon (aus London) Erfahrung gemacht haben. Bei Tesco gibt’s einfach alles, sagt uns unsere Erinnerung.

Unser Trek führt uns entlang einer Parkanlage zu einer schmalen Metallbrücke über die Bahngleise, auf denen wir gestern in die Stadt gefahren sind. Durch die dünne Asphaltschicht sieht man stellenweise den stählernen Untergrund hindurchblitzen. Weiße Fahrbahnmarkierung reserviert den rechten Dreiviertelmeter für Fahrräder, den linken für fußläufige Menschen. Wir versuchen, eine Familie mit einem kleinen Jungen zu überholen, der fröhlich versonnen auf dem Mittelstreifen balanciert; er entkommt uns ein paar Mal, aber am Ende lassen wir die drei dann doch hinter uns.

Ungefähr parallel zu den Schienen verläuft eine breite Straße, die wir mit Hilfe einer geräumigen Unterführung unterqueren können. Es sind einige Leute unterwegs. Zwei junge Männer kommen uns entgegen, die sich angeregt und gut gelaunt auf Chinesisch unterhalten. Coventry scheint eine ganz schön international bevölkerte Stadt zu sein. Dafür sprechen auch vielen Geldüberweisungsläden und Wechselstuben, an denen wir in den nächsten Minuten vorbeikommen. Ich hatte Coventry bis jetzt noch nie als touristisches Ziel wahrgenommen.

Wir gehen durch eine weitläufige Fußgängerzone, die offenbar die komplette Innenstadt einnimmt. Alles ist voller Menschen und Geschäfte. Der erste „£1“-Laden fällt mir noch auf, aber nach dem vierten habe ich sie schon ins Stadtbild eingeordnet. (Offenbar gibt es hier mindestens zwei konkurrierende Ketten: Eine verkauft alles für £1, die andere alles für 99 Pence. Sicherlich einschließlich aller Artikel, die woanders billiger wären.) Ebenfalls auffällig ist die grüne „Deichmann“-Leuchtschrift an einem Schuhladen; die internationale Bäckerei, die sich den Verkauf von ausländischen Brotspezialitäten (mit Kruste, in Abgrenzung zum typisch englischen Brot, nehme ich an) auf die Fahnen schreibt; die Statue für jene Lokalberühmtheit, die offensichtlich vor 200 Jahren eine Art Easy Rider im Hochrad-Look erfunden hat; die Crêpes-Bude, die „Pancakes“, und die Würstchenbude, die metrische Längen von „Bratwurst“ und „spicy Krakauer“ verkauft; und der schiere Umstand, dass jetzt gerade, kurz nach 17 Uhr, mindestens die Hälfte der Läden bereits geschlossen hat, und die restlichen ihnen das um halb sechs gleichzutun versprechen. Wir müssen uns also beeilen.

Mit Hilfe unseres Mobiltelefon-GPS entdecken wir den angepeilten Tesco Express an einer Straßenecke. Der Laden ist winzig und eng. Ich muss eine Zahnbürste kaufen, aber Zahnbürsten sind aus. Ersatzweise lege ich „20 Flapjack Bites“ in den Einkaufskorb, weil ich sowas noch nie in Deutschland gesehen habe. (Ich werde mich sowieso im Laufe der nächsten zwei Jahre durch all die unbekannten Dinge durchfuttern müssen, die ich hier so in den Ladenregalen entdecke.) Judith greift an der einzeln verpackten Küchenrolle vorbei zum Doppelpack, und wir legen noch Nudeln und eine Nudelfertigsoße in unseren Korb; die Idee, selbst eine kochen zu können, geben wir angesichts des Nicht-Angebots von Zwiebeln auf. An der Kasse werden unsere paar Artikel ungefragt in nicht weniger als vier Plastikbeutelchen eingetütet, die wir danach in unseren mitgebrachten Rucksack stopfen.

Meiner Zahnbürstenmisere können wir — kurz vor Ladenschluss um 17:30 Uhr — dann zum Glück noch im nahe gelegenen Drogeriemarkt entkommen; dort herrscht das geschäftstypische Überangebot an in jeder denkbaren, irrelevanten Dimension unterschiedenen Zahnbürstenmodellen. Nach kurzem verwirrten Grübeln über deren relative Vorzüge greife ich nach dem Modell mit dem ergonomischst aussehenden Griff. Im nächsten Regal finde ich Duschgel und Deo der Marke, deren deutscher Markenname im Englischen nach Waldarbeiter oder mittelerdischem Zwerg klänge und die hier daher „Lynx“ heißt. („For a deeper clean, use a Manwasher!“ — das Marketing ist jedenfalls identisch.)

Der Trek in die Innenstadt