Skyewalkers: Fairy Pools und Höhlen

[Maus] Kristallklares Wasser fließt in kleinen Wasserfällen vom Black Cuillins von Becken zu Becken. Kein Wunder, dass man bei diesem Anblick an Feen denkt. Verwunschen wirkt dieser Ort, auch weil Nebelschwaden langsam über die Bergspitzen schweben. Die saftig grünen Berge im Hintergrund der Fairy Pools laden zum Träumen ein. Ich möchte am liebsten in eines dieser blauglitzernden Becken springen und baden. Vermutlich ist das Wasser aber viel zu kalt, um es genießen zu können.

Wir sind heute früh aufgebrochen und taten gut daran, denn auf dem Rückweg zum Auto war es auf dem Parkplatz, der bei unserer Ankunft fast leer war, gerammelt voll und eine Busladung deutscher Schüler kam uns entgegen.

Für den zweiten Teil des Tages hatten wir uns wieder in unsere matschkompatible Klamotte geschmissen, denn wir wollten Höhlen erkunden. Entdeckt hatten wir die natürlich (wie soll es auch anders sein?) durch Geocaching. Der Weg zur Parkkoordinate war schon abenteuerlich: Die Straße ist einspurig und schlängelt sich wild durch die Hügel. Alle paar hundert Meter gibt es Passierpunkte. Michael sprescht mutig voran. Mir ist übel. Die Camas Malag Cave ist unser erstes Ziel.

Der Eingang ist schnell gefunden aber die Beschreibung ist zunächst verwirrend. Stromaufwärts? Stromabwärts? Schließlich kriechen wir durch ein schmales Loch und krauchen auf allen Vieren, bis wir endlich aufrecht stehen können. Vor uns befindet sich ein schmaler Gang, gefüllt mit knöcheltief Wasser. Nach einigen Metern scheint der Endpunkt erreicht und wir suchen nach der Dose. Das Biest hat sich ziemlich gut versteckt, aber wir haben es gefunden.

Die Beinn An Dubhaich Höhle liegt versteckt in den Hügeln. Nach circa 15 Minuten querfeldein kommen wir an der Höhle an. Der Einstieg hat es schon in sich. Drei Meter müssen wir hinab. Halt zu finden an den feuchten Steinen und dem matschigen Untergrund ist schwierig. Fast lande ich auf meinem Allerwertesten (nein, nicht auf Michael), weil ich den passenden Tritt nicht finde. (Deswegen klettert man Berge hinauf und nicht hinab.). Nach einer kurzen Passage, die wir nur gebückt durchqueren können, finden wir einen Gang vor. Eine Schlucht durch die Felsen führt tiefer in die Höhle hinein. Der Cachebesitzer empfiehlt jedoch, die obere Passage zu benutzen.

Auf allen Vieren kraucht Michael voran, ich hinterher. Neben uns die etwa vier Meter tiefe Schlucht. Ich habe fast Muffensausen, reiße mich aber zusammen. Nach wenigen Metern geht es bäuchlings weiter. Der Kram in meinen Jackentaschen behindert mich. Der schmale Kriechgang verbreitert sich wieder und die obere Passage und die Schlucht führen in eine kleine Kammer. Um dort hinzukommen, pressen wir uns durch eine enge Passage. Mein Mut hat mich vollends verlassen. Den Cachecontainer muss Michael allein bergen. Unter ihm wieder ein großes schwarzes Loch und noch nicht einmal richtige Klettergriffe.

Eine Höhle hatten wir noch vor uns. Wir mussten auf Ebbe warten, um zum Eingang gelangen zu können. Die Spar Cave erreichen wir nach einem Abstieg über die Klippen. Wir klettern über die Mondlandschaft mit schroffen Felsen und Algenteppich. Wir haben Glück: Obwohl wir ein wenig zu früh dran sind, ist der Zugang schon möglich. Diesmal müssen wir nicht kriechen.

Kurz hinter dem Eingang stoßen wir auf einen relativ steilen Aufgang. Im Licht unserer Stirnlampen sieht dieser Aufgang rutschig aus, aber man hat erstaunlich guten Halt an der rauhen Struktur. Insgesamt hat dieser Aufstieg geschätzt acht Meter Höhe. Nach zwei Dritteln wird der Aufstieg noch einmal steiler. Oben befindet sich ein Plateau. Von dort aus schauen wir hinunter in den Meerjungfrauen-Pool. Die Höhle ist atemberaubend schön.

Wir steigen langsam wieder hinab und hören plötzlich Stimmen. Eine Gruppe junger Männer hat das selbe Ziel wie wir. Der letzte der Truppe erreicht das Plateau auf dem wir beide gerade noch Fotos schießen und schaut uns an. Große Verwirrung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Er hatte offenbar nicht damit gerechnet, Fremde zu treffen.

Was für ein grandioser Abenteuertag.

Skyewalkers: Fairy Pools und Höhlen

Skyewalkers: Coral Beach

[Mych] Wir sind auf Skye in einem wundervollen Bed & Breakfast namens „The Tables“ untergekommen – in Dunvegan, und gar nicht weit weg von Dunvegan Castle, dem Stammsitz des Clans der MacLeods.

Wir werfen uns in matschkompatible Klamotte und packen die Rucksäcke – etwas leichter als vorgestern, denn heute wollen wir auf mehr oder weniger gleichem Niveau bleiben. Man könnte da sicher auch hinfahren, aber das Auto bleibt heute stehen.

Wir verzichten für die gute Meile bis zur Burg nicht nur aufs Auto, sondern auch auf die Straße und wandern gemütlich an einer winzigen Kirche vorbei über einen schmalen Trampelpfad zwischen den Wiesen, Büschen und Sträuchern. Die Sonne scheint. Der Pfad führt uns bis fast vor den Eingang zum Gelände der Burg.

Die Burg, die wir heute sehen, ist nicht das, was Leod – der Stammvater der MacLeods – seinerzeit als Festung an diesen Ort gestellt hatte. Über die Jahrhunderte hinweg wurde das Bauwerk von den Clanchiefs weiter befestigt, ausgebaut und modernisiert; auch heute leben noch MacLeods hier. Am Eingang zum Burggebäude begrüßt uns eine nette Schottin, die hocherfreut ist, dass wir Deutsche sind, und in überraschend gutem Deutsch mit uns ein Schwätzchen hält, bevor sie uns zum Beginn des Rundgangs weist. Wir gehen durch hübsch und stilvoll eingerichtete Räume mit schönen Möbeln und vielen Portraits. Fotos darf man hier (leider!) nicht machen; sonst hätte Judith eins vom Schubladenklo im Bettkasten gemacht.

Wieder draußen wandern wir, noch auf dem Burggelände, in Richtung Meer – Loch Dunvegan; der feine Unterschied zwischen Binnengewässer und offener See wird im Schottischen offenbar sprachlich nicht abgebildet. Da unten kann man sich im Bötchen zu den Robbenkolonien draußen auf den kleinen Inselchen nur ein paar hundert Meter vom Ufer entfernt fahren lassen. Wir sitzen zu sechst (plus Bootsführer) in einem kleinen Holzboot und kommen bis auf wenige Armlängen an die Viecher heran, die faul auf den algenbewachsenen Felsen liegen und höchstens mal träge in unsere Richtung blicken, wenn der Außenbordmotor lostuckert.

Unser eigentliches Ziel für heute ist aber noch ein Stückchen weiter entfernt: der Korallenstrand in der nordwestlichen Ecke der Landzunge, auf der wir uns gerade befinden. Es sind ungefähr acht Kilometer Fußmarsch bis dahin – bis auf die letzten anderthalb auf der Straße, aber die ist einspurig und unmarkiert und schlängelt sich so malerisch zwischen den grasenden Schafen, Hügeln und Mini-Lochs (Lochen? Löchern?) durch, dass die paar vorbei kommenden Autos kaum auffallen.

Der größte Teil der Küste hier ist Vulkangestein – tiefschwarze, vom Wellengang abgerundete Gesteinsformationen, so wie in Fife. Wir wandern über eine Hügelkuppe und sehen plötzlich zwischen schwarzen Felsen einen weißen Strand in der Sonne vor uns liegen. Wir gehen hin und lassen uns den Sand durch die Finger rieseln: winzige Korallenstücke. Judith findet eine Muschelschale, die von Korallen bewachsen ist wie mit einem Bart; wir würden sie mit nach Hause nehmen, aber das würde das fragile Gebilde eh nicht überleben.

Nachdem wir ein Weilchen die Füße ausgestreckt und einen Snack als Mittagessen zu uns genommen haben, umrunden wir den Hügel am Ende der Landzunge und holen uns den dortigen Geocache. Dann machen wir uns auf den Weg zurück. Am Ende des Wanderwegs, der zu einem Parkplatz führt, ist ein Viehgatter mit einem der hierzulande weit verbreiteten Kissing Gates, durch die man nur einzeln kommt. Wir haben Vortritt vor einem Pärchen, das vom Parkplatz kommt. Als sie Judiths GPS-Gerät am Rucksackgurt baumeln sehen, sagt der Mann (auf Deutsch): „Ah, sicher Geocacher!“ – wir grinsen, geben uns die Hand und schwatzen ein bisschen, wo wir herkommen. Dann gehen die beiden in Richtung Korallenstrand und wir in Richtung unseres Zuhauses hier auf Skye.

Skyewalkers: Coral Beach

Skyewalkers: Fort William

[Mych] Das ist kein normaler Wanderweg. Wir steigen über Schotter und Geröllbrocken; bergauf, immer nur bergauf. Fast anderthalb Kilometer in der Vertikalen über eine Wegstrecke von nur gut acht Kilometern.

Ben Nevis ragt 1344 Meter in den Himmel und ist der höchste Berg Schottlands – tatsächlich sogar auf der ganzen Insel. Und wer ihn besteigen will, beginnt ganz unten, fast auf Meereshöhe; das Besucherzentrum liegt auf 17 Metern über Normalnull. Dort haben wir auch unsere Göffel gekauft, die wir brauchen, um den Joghurt in unserem Lunchpaket zu verzehren, das wir aus dem letzten Hotel mitgenommen haben.

Der erste Teil der Strecke ist fast flach, von ein paar Stufen abgesehen. Wir wandern unter einer geschlossenen Wolkendecke; es nieselt. Und wir sind bei Weitem nicht die einzigen, die hier heute unterwegs sind – auf der Touristenroute, die eigentlich heute gar nicht mehr so genannt wird, weil das zu harmlos klang, sind heute hunderte von Leuten unterwegs. Fast alle sind so vernünftig gekleidet wir wir: wasserfeste Jacke, warme Kleidung, feste Schuhe. Unten hat es etwa 14°C, und oben sollen es fast zehn Grad weniger sein. Wind dazu, und es wird ungemütlich.

Kälte ist aber erstmal nicht unser Problem. Unsere Rucksäcke, unsere Funktionsklamotten und uns selbst den steilen und unebenen Weg hochzuwuchten bringt uns so zum Schwitzen, dass mein Pulli getrost verstaut bleiben kann. Die ersten zwei Schlucke aus dem Trinkschlauch, der in meinen Rucksack führt, sind immer angenehm kühl – danach kommt die warme Brühe, die die Abwärme aus meinem Rücken in der Wasserblase produziert hat.

Die Vegetation wird kärglicher, und wir treten in die Wolkendecke ein, die heute auf etwa 700 Metern hängt und den Blick auf den Gipfel verwehrt. Unsere Sicht reicht jetzt höchstens noch fünfzig Meter. Alles, was weiter weg ist, ist nur noch schemenhaft zu erkennen. Der Nieselregen ist jetzt kontinuierlich und kommt von allen Seiten. Der Weg zickzackt sich nach oben. An den Kehren sind mannshohe Steinhaufen aufgeschichtet, damit niemand ins Geröllfeld jenseits des Pfads verloren geht. Wir gehen langsam, aber trotzdem noch schneller als manche andere Wanderer, die wir treffen. Ein paar Mal werden wir selbst überholt – einmal von einem Mann in Fahrradklamotten, der mit seinem Rad auf der Schulter den Weg nach oben joggt. Der Wanderer, der uns in diesem Moment von oben entgegen kommt, schaut ihm hinterher, als hätte er ein Gespenst gesehen.

Kurz vor dem Gipfel wird der Weg wieder flach. Das Gelände um uns herum besteht jetzt nur noch aus metergroßen, grauen Felsbrocken. Auf dem eigentlichen Weg liegt eine uneinheitliche Mischung aus faust- bis kopfgroßen, kantigen Schotterstücken. Wir kommen an etwas vorbei, was wie die Grundmauern eines kleinen Hauses aussieht, kniehoch aufgeschichtet aus den Steinen, die überall herumliegen. Vielleicht ist das die Ruine des „Temperance Hotel“, das zwei junge Damen um 1910 herum da oben eröffnet hatten. Ein paar Schritte weiter stoßen wir auf einen übermannshohen, von Menschenhand aufgeschichteten Steinhügel, dessen Spitze aus einem winzigen Holzhüttchen besteht: Das ist sicher der Turm des meteorologischen Beobachtungspostens, der 1884 dort errichtet worden war. Endlich sind wir angekommen.

Wir suchen uns einen Felsbrocken zum Sitzen, verzehren den Rest unserer Sandwichs samt der Salz-und-Essig-Chips und göffeln genussvoll den Joghurt, den man uns mit in die Pappbox gepackt hat. Uns zieht der Geruch von Gegrilltem an der Nase vorbei: Ein paar junge Männer haben nicht weit entfernt einen Mini-Alu-Einmalgrill auf ein paar Steine gelegt und braten sich dort Würstchen. Danach machen wir uns ein paar Notizen über Wind und Wolkendecke für den Ben-Nevis-Earthcache und machen uns auf die Suche nach Britanniens höchstem Geocache. Die Suche führt uns hundert Meter ins Geröllfeld hinein, aber die grüne Metallbox kann sich nicht lange zwischen den Felsbrocken verbergen.

Es wird schnell kalt, wenn man sich nicht bewegt – die Lufttemperatur ist gefühlt knapp unter null, und unsere Kleidung unter der Jacke ist völlig durchgeschwitzt. Wir machen uns auf den Rückweg.

Als wir auf dem Weg nach unten aus der Wolkendecke herauskommen, haben wir plötzlich einen fantastischen Blick auf den kleinen See auf halber Höhe, der es sich auf dem Sattel zwischen dem Ben und einem kleineren Nachbarberg eingerichtet hat. Im Tal, auf Meereshöhe, badet die Sonne ganze Dörfer in hellem Sonnenschein.

Der Weg den Berg hinab ist nicht mehr so anstrengend, aber er geht auf die Knie. Je weiter wir nach unten kommen, desto häufiger passieren wir Leute, die sich nur noch mit größter Mühe die teilweise kniehohen Felsstufen herunterwuchten können.

Sechseinhalb Stunden, nachdem wir aufgebrochen sind, sind wir wieder zurück auf dem Parkplatz beim Besucherzentrum. Als ich meine Jacke ausziehe, finde ich das Oberteil meiner Skiunterwäsche und das T-Shirt darüber klatschnass. Dreieinhalb Stunden haben wir für den Aufstieg gebraucht, zweieinhalb für den Abstieg; die Prognosen hatten bei sieben bis acht Stunden gelegen – wir sind zufrieden. Das Bier heute Abend haben wir uns redlich verdient.

Skyewalkers: Fort William