Island: Hengifoss, Öxi, und die Straßenschafe

[Mych] „It’s well worth it!“, ruft uns ein gut gelaunter Amerikaner zu, als wir den Berg in Richtung des Hengifoss hochsteigen. Die meisten Leute sind offenbar früher aufgestanden als wir, um die knappe Dreiviertelstunde vom Parkplatz hoch zu Islands vierthöchstem Wasserfall über den nur mittelmäßig wegsamen Wanderweg zurückzulegen. Wir haben dreihundert Höhenmeter auf zweieinhalb Kilometer Wegstrecke vor uns; selbst in Island würde man dafür schon ein Schild an den Straßenrand stellen.

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Gegenüber, auf der anderen Seite der Schlucht, auf gleicher Höhe wie wir, sehen wir ein Trio von Schafen parallel zu uns den Abhang hochkraxeln. Schafe bewegen sich hier offensichtlich besonders gerne in Dreiergrüppchen übers Land. Manchmal sind die Schafhaufen auch größer, aber nur ganz selten sieht man mal ein Schafpaar oder etwa ein Einzelschaf. Eins, zwei, viele. So funktioniert das, nehme ich an, wenn man im zotteligen Schafspelz den ganzen Tag nichts anderes zu tun hat, als gelegentlich von den würzigen Grasbüscheln zu den leckeren Blaubeergründen zu migrieren und ansonsten nur mal dem einen oder anderen vorbeifahrenden Auto hinterherzuschauen.

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Auf halber Strecke kommen wir am Litlanesfoss vorbei, der hierzulande wahrscheinlich nur deswegen Erwähnung findet, weil er auf halbem Weg zum Hengifoss liegt, aber an jedem anderen Ort der Erde auch selbst schon ein bemerkenswertes Naturschauspiel darstellen würde. Turmhohe Basaltsäulen umrahmen den kleinen Bruder des Wasserfalls weiter oben.

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Wir kraxeln weiter und sind schließlich oben. 118 Meter tief fällt hier das Wasser, mehr als ein Viertel der Strecke über Normalnull. In der ausgehöhlten Bergwand sind horizontale Schichten zu erkennen: meterdicke Lava, getrennt von dünneren Schichten eines rötlichen Materials – Mutterboden, der sich in den ruhigeren Zeitaltern auf den ausgekühlten Lavaschichten angesammelt hatten, bevor der nächste Ausbruch die nächste Schicht glühenden Gesteins darüber legte. Man kann die Schichten zählen wie Baumringe; Dutzende von Malen muss das geschehen sein. Bis jetzt.

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Auf dem Rückweg kommen wir kurz unterhalb des Litlanesfoss an einem von silbrig glänzender Thermofolie bedeckten Häufchen Mensch vorbei, um das sich gerade eine forsch wirkende Frau mit Erste-Hilfe-Köfferchen kümmert, umgeben von einer kleinen Gruppe wohlmeinender Schaulustiger – wahrscheinlich hat die junge Frau beim Abstieg den Fuß umgeknickt. Wir sind froh um unser gutes Schuhwerk; halbhohe Sportschuhe, wie wir sie bei vielen der anderen Wanderer sehen, sind einfach nichts abseits der zivilisiertesten Wege. (Ich bin Experte.) Als wir unten ins Auto einsteigen, kommt gerade die Ambulanz an.

Im Auto überlegen wir, welchen Weg wir zu unserem nächsten Zwischenstopp nehmen wollen: das Hafenörtchen Djúpivogur, das sich vor allem dadurch auszeichnet, dass es in seinem Gemeindegebiet einen der kleinsten unabhängigen Gletscher beherbergt und dass man von hier aus auf die vorgelagerte Insel Papey übersetzen kann, denn da gibt es Puffins zu betrachten. Die sind zwar niedlich, aber das Boot geht nur einmal am Tag um 13 Uhr, und wir entscheiden, dass es unvernünftig wäre, die 80 Straßenkilometer in den bis dahin verbleibenden zwanzig Minuten zurücklegen zu wollen.

Wir grübeln, ob wir den direkten Weg nehmen wollen oder einen deutlichen Umweg an der Küste entlang – auf dem direkteren Weg dräut eine der uns bereits bekannten unasphaltierten Straßen, hat Judith auf der in unserer letzten Unterkunft ausliegenden Umgebungskarte gesehen. Ich will Judith den Spaß mit den Schotterpisten nicht ganz alleine lassen; also machen wir uns auf den kürzeren Weg.

Wir fahren und fahren und warten Kilometer für Kilometer darauf, dass der Asphalt endlich dem versprochenen Schotter weicht. Als fast schon Hoffnung aufkeimt, dass unsere Information veraltet war, endet die gepflasterte Straße dann doch noch. Zehn Minuten später passieren wir ein großes Schild am Straßenrand: Öxi, steht drauf, und: „Mesta hæð: 532 m“, „Lengd: 19 km“, und darunter ein Fahrbahnverengungssymbol mit der Angabe „4.5“ am schmalen Ende und ein Gefällesymbol mit einer „17%“ dran, und wenn man genau hinschaut, wirkt der stilisierte Abhang auf dem Gefällesymbol so, als hätte er einige mächtige Schlaglöcher. Und wenige Meter dahinter fahren wir durch ein Gatter, an dem ein weiteres Schild in mehreren Sprachen darauf hinweist, unter welcher Notrufnummer man Hilfe bekommt, wenn man auf der Strecke in erhebliche Schwierigkeiten gerate.

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Der Weg über Öxi, den Pass über die hiesige namenlose Bergkette, erweist sich als ein wildes Abenteuer selbst im auslaufenden Sommer – ich will gar nicht daran denken, wie es hier im Winter wäre.

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Die Umgebung ist wunderschön, aber die Straße windet sich wie ein loser Bindfaden durch Hügel und Täler und an Abhängen entlang, und ihre Berandung ist fast überall nur durch einige schlichte gelbe Pfosten markiert, auch wenn es fünfzig Zentimeter dahinter in den Abgrund geht. Es gibt eine Leitplanke an zwei oder drei kurzen Steckenabschnitten, wo man ansonsten direkt in einen See fahren würde – wahrscheinlich, um die dortige Fauna zu schützen. Gefahrenstellen sind gut ausgeschildert – BLINDHÆĐ, gerne auch in Kombination mit einer darauf folgenden EINBREIÐ BRÚ oder einer plötzlichen Kurve vor dem nächsten Steilhang –, und Geschwindigkeitsangaben sind als freundliche blaue Empfehlungen ausgelegt: Wer sich nicht dran hält, ist selbst schuld.

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Nach 18 Kilometern sehen wir den Fjord vor uns liegen und einen kleinen Parkplatz, auf dem sich gerade ein chinesisches Pärchen Rührei auf dem Campingkocher brät, und halten an, um uns die verkrampften Beine zu vertreten und den dahinter liegenden Wasserfall anzuschauen.

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Den Rest des Wegs fährt Judith. Kurz nach Djúpivogur setzt sich ein Camper vor uns und fährt auf gerader Strecke inkonsistente fünf bis zwanzig Stundenkilometer unter dem Limit, und wenn gerade niemand entgegen kommt, driftet er gerne mal in die Mitte der Straße, wie man das auch die Einheimischen gerne mal tun sieht – offenbar völlig abseits jeder Zurkenntnisnahme des Verkehrs hinter ihm. Nach zwei abgebrochenen Versuchen schafft es Judith endlich, den Camper zu überholen, Hand auf der Hupe, damit er bemerkt, dass jemand neben ihm ist.

Eine halbe Stunde später müssen wir kurz anhalten, um einer Kleinfamilie Schafe den Übergang über die Straße zu gewähren. Und noch etwas später sehen wir ein Rentier im Grünstreifen zwischen der Straße und dem Meer grasen.

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Unsere heutige Unterkunft nennt sich GlacierWorld Hoffell – ein hübsches, modernes kleines Hotel mit einem theoretisch fantastischen Blick auf den nahen Gletscher, nur dass leider schon den ganzen Tag der Nebel so tief liegt, dass wir die Berge nur grob schemenhaft erahnen können.

Wir packen statt dessen die Badehose und das Handtuch ein und begeben uns vor unserem im Supermarkt in Djúpivogur eingekauften Abendessen aus Skyr und dicken fetten Blaubeeren noch zu den Hot Tubs, die ein paar hundert Meter vom Hotel entfernt im Windschatten eines Lavafelsens in den Boden eingelassen sind und von heißem Wasser gespeist werden, das in einem unauffälligen Container um die Ecke einfach so aus dem Boden kommt. Der Nebel legt sich wie ein leichtes Nieseln auf unsere Gesichter, während wir im warmen Wasser unter freiem Himmel liegen und in die neblige Ferne blicken.

Island: Hengifoss, Öxi, und die Straßenschafe

Island: Von magischen Nächten und brodelnden Säureseen

[Maus] Um Mitternacht, in der Geisterstunde, klingelt das Telefon. Nur wenige Augenblicke später stehen wir auf dem Parkplatz vor unserem Hotel und können unser Glück kaum fassen. Nordlichter. Der Nachthimmel ist klar, bis auf die grünlichen Schwaden, die sich über den Himmel bewegen, als seien sie lebendig.

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Es hat etwas Magisches an sich, dieses unvergessliche Naturschauspiel, das wir nun unbedingt auch noch einmal im Winter erleben wollen.

Am Morgen haben wir es nicht weit bis zum nächsten Naturschauspiel. Am Fuße des Berges Námafjall befindet sich ein Feld heißer Quellen, Hverir genannt. Schon von der Ringstraße aus kann man sehen, wie heißer Dampf aus dem Boden aufsteigt. In kleinen und großen Gruben köchelt in Säureseen der graue Schlamm, der nichts anderes ist, als die Felsen, die von der Schwefelsäure aufgelöst wurde.

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Aus den Schlammgruben und den dampfenden Schloten stinkt es erbärmlich nach faulen Eiern, und eine zeitlang habe ich das Gefühl, dass ich mir mein Frühstück noch einmal durch den Kopf gehen lassen muss. Nach einer Weile wird es besser, aber der Geruch bleibt an uns den ganzen Tag kleben. Selbst unser Auto riecht jedes Mal, wenn wir die Lüftung anschalten, nach faulen Eiern.

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Nicht weit von Hverir liegt der Krater Víti in der Krafla, ein vulkanischer See (Maar), der von Kieselsäurealgen ganz blau ist und den wir uns, weil es fast auf dem Weg liegt, auch anschauen. Víti bedeutet im Isländischen „Hölle“. In der isländischen Mythologie glaubte man, dass sich hier ein Zugang zur Hölle befand.

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Dem Geruch nach zu urteilen, glaube ich das gern. Und wenn man den Hinweisschildern glauben schenkt, kann man mit einem Schritt auf den falschen Untergrund direkt zur Hölle fahren (naja, ich übertreibe, man kann auf Grund der Instabilität der Kruste einbrechen und in einem Säuresee landen, aber das ist so gut wie zur Hölle fahren).

Um wieder frischere Luft zu bekommen, fahren wir zum Dettifoss, dem größten Wasserfall im Norden Islands. Der Weg dorthin ist wieder eine Schotterpiste und ich bin wieder die Fahrerin. Trotz Todesangst bleibt Michael relativ ruhig, nur ein Mal höre ich ein „Oh mein Gott“. Das kleine Stoßgebet scheint zu helfen, wir überleben schadensfrei. Nur der Angstschweiß fließt mal wieder in Strömen und das Traumwetter mit 24°C und die fehlende Klimaanlage tun ihr Übriges. Doch wir werden belohnt, mit einem beeindruckendem Blick auf den Dettifoss, der schon einen ansehnlichen Canyon in den Felsen gegraben hat.

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Auch hier gibt es wieder kaum Absperrungen – das einzige Warnschild verbietet die Benutzung von Drohnen.

Von hier aus fahren wir durch bis nach Egilsstaðir, der größten Stadt im Osten (ca. 2300 Einwohner). Nur zum Rast machen halten wir an einem der zahlreichen Straßenwasserfälle an.

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Island: Von magischen Nächten und brodelnden Säureseen

Island: Vom Götterfall dorthin, wo die Elfen und Trolle leben

[Mych] Über die einspurigen Brücken, die EINBREIÐ BRÚ, fetzen wir ja zwischenzeitlich schon routiniert wie die Einheimischen. Kurz nach Aufbruch in Richtung Mývatn heute allerdings treffen wir auf ein uns neues ominöses Verkehrszeichen: EINBREIÐ GÖNG steht da, symbolisch untermalt von einem stilisierten Tunneleingang, der genau breit genug für eine einzige stilisierte Autofront ist. Vor uns gähnt ein Loch, in das immerhin noch zwei Fahrspuren führen, aber zwanzig Meter in den Tunnel hinein verengt sich die Straße auf eine schmale Fahrbahn, und die Perlenkette trüber gelber Lichter an der niedrigen Decke des Stollens verliert sich in der stockfinsteren Ferne.

Mulmigen Gefühls fahren wir in das Loch, kurz nachdem ein Kleintransporter daraus hervorgedrungen ist. Wird schon keinen Gegenverkehr geben. Wird schon nicht so lang sein, wie es scheint. Die Brücken sind ja auch recht kurz. Links und rechts der mit Beton überspritzte rohe Fels, die dämmrige Beleuchtung über uns. Ein Auto kommt uns entgegen, aber zum Glück gibt es alle hundert Meter eine Ausweichstelle mitten im Berg. Wir versuchen, die Atmosphäre aus dem Auto heraus ins Foto zu bannen, aber das funktioniert nicht richtig, also bremse ich zum Stillstand ab, nehme den Gang raus, öffne die Tür und schieße untermalt vom protestierenden Piepen des Autos (Zündung noch an! Zündung noch an!) ein besseres Bild, das dem Fahrgefühl da unten immer noch keine Gerechtigkeit tut. Um mich herum plätschert das in die Höhle eindringende Wasser hinter einer provisorischen Abdeckung.

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Unser erstes Ziel des Tages ist der Goðafoss, der Götterfall – der Wasserfall, in den seinerzeit vor tausend Jahren der Gesetzsprecher Þorgeir die alten Götterbildnisse geworfen hatte, nachdem er zu Untersuchung aufgefordert worden war, ob die Isländer dem Christentum beitreten sollten, und schließlich festgestellt hatte, dass dies in der Tat geschehen solle.

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Im nahen Souvenirgeschäft erstehen wir eine hübsche Island-Kaffitasse und zwei Schokoriegel mit Lakritzdrops drin, die sich als sehr lecker erweisen. Kaffee können die Isländer übrigens sowieso gut; das ist sicher dem Umstand geschuldet, dass sie ihn selbst gern trinken, und das offensichtlich gern kräftig und dunkel – nicht zu vergleichen mit dem teeartigen dünnen Gebräu, das wir in vielen der englischen Bed-&-Breakfasts zum Frühstück zu trinken bekommen hatten.

Wir fahren weiter: ins Land der Elfen und Trolle, zu den Dimmuborgir, den dunklen Burgen – wieder mitten in die Lavalandschaft hinein. Hier hatte sich erst ein Lavasee auf nassem Untergrund gebildet, und ausdampfendes Wasser aus dem Boden hatte Schlote erstarrender Lava bis zur Oberfläche des Sees aus geschmolzenem Gestein gebildet; als schließlich die Lava abfloss, blieben die Schlote übrig und bildeten eine bizarre Landschaft aus grotesk geformten scharfkantigen Türmen. Menschen pflanzten im letzten Jahrhundert bodendeckende Pflanzen an, um die Gesteinsformationen davor zu bewahren, vom Flugsand verschüttet zu werden.

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Wir besuchen einen der Trolle in seiner Heimhöhle, Hallaflöt, aber er scheint gerade nicht da zu sein. Ich helfe ein bisschen, in dem ich mein Bestes tue, seinen ziemlich staubigen Boden ein wenig zu fegen.

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In den Dimmuborgir leben übrigens die dreizehn Yule-Gesellen, die Jólasveinar, dreizehn rauhbeinige Söhne der Trolle Grýla und Leppalúði, die sommers schlafen und so um die Weihnachtszeit herum beginnen, die Isländer heimzusuchen. Ihre Namen entsprechen dem, was sie am liebsten tun: Da ist der Skyr-Gierschlund, der Türenknaller, der Fensterglotzer und der Wurststibitzer samt ihrer neun weiteren Brüder ähnlicher Anlagen und Neigungen. Heutzutage sind sie offensichtlich etwas domestizierter geworden – sagt zumindest die Werbeindustrie, die sie dieser Tage auch lieber in rote Mäntel kleidet –, aber daran glaubt natürlich kein wahrer Isländer.

Judith hat noch ein besonderes Schmankerl gefunden: die Höhle, in der Ygritte und Jon gebadet hatten, damals in Staffel 3, jenseits der Mauer. Wir biegen von der großen Ringstraße ab und stehen vor einem verschlossenen Gattertor zwei Kilometer vor dem Ziel, aber das Schild an dem Gatter verbietet tatsächlich nicht etwa den Zutritt, sondern bittet nur ums Wiederschließen des Tors. Wir fahren über eine anderthalbspurige Straße aus gestampftem Vulkanboden, bis wir am Ziel ankommen.

In der Grjótagjá-Höhle ist eine Atmosphäre wie im Dampfbad, und ein Finger ins Wasser belegt Temperierung wir beim gemütlichen Vollbad zu Hause mit Schaum und Rotwein. Baden ist leider seit einigen Jahren verboten – das begann, als die Wassertemperatur aufgrund steigender Vulkanaktivität plötzlich deutlich anstieg und man befürchtete, dass die ganze Region instabil werden könnte.

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Die lokalen Freunde des wonnigen Höhlenbadens wichen einfach auf die nahe gelegene Stóragjá-Höhle aus, der wir als nächstes einen kurzen Besuch abstatten, denn da ist eine Geocache-Box verborgen und der Cache-Owner lädt zum Baden ein. Hier wären wir auch wenigstens unter uns – in Ygrittes Höhle herrschte einiger Publikumsverkehr –, aber wir haben unsere Handtücher im Auto gelassen und tragen uns daher nur ins Logbuch ein, in dem wir beim Durchblättern auf einen Geocacher-Bekannten aus Berlin stoßen; die Welt ist klein.

Schließlich landen wir in unserem Hotel für die Nacht, dem Laxá, das mitten in dem großartigsten Nichts liegt, das wir auf unserer Reise bis jetzt erfahren durften. Wir beziehen unser Zimmer mit Blick auf die kraterübersäte Seelandschaft ein paar Kilometer entfernt, an der wir früher am Tag vorbei gekommen waren; trinken ein Víking-Bier draußen auf der Terasse im Freien in der untergehenden Sonne; nehmen ein fantastisches Abendessen im Hotelrestaurant zu uns; und setzen uns mit dem Rest unserer Flasche Rotwein noch in die Bar, um diesen Blog-Beitrag zu tippen, während wir auf die hinter den fernen Bergen untergehende Sonne hinaus schauen können.

Beim Einchecken hatte man uns gefragt, ob wir eventuell heute Nacht geweckt werden möchten, falls die Nordlichter zu sehen seien – das Wetter sei klar und die Vorhersage gut.

Wenn wir Glück haben, wird unsere Nacht kurz.

Island: Vom Götterfall dorthin, wo die Elfen und Trolle leben

Island: Grábrók-Krater, Glaumbær, Ólafsfjörður

[Maus] Als ich am Morgen die Augen vor noch dem Weckerklingeln öffne, scheint die Sonne schon am Vorhang vorbei in unser Zimmer herein. So tief und erholsam war mein Schlaf schon eine Weile nicht mehr. Nach einem stärkenden Frühstück machen wir uns auf den Weg zu den Grábrók-Kratern, die wir gestern schon vom Hotel aus gesehen haben.

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Die Szenerie ist wie gemalt und wir sind kurzfristig ganz allein auf dem größten der drei Krater, dem Stóra-Grábrók. Man hat eine Holztreppe in den Krater gebaut, damit man besser hinauf kommt.

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Es ist überraschend, wie wenig Absperrungen und Sicherungen es gibt. Dafür findet man überall Hinweisschilder, dass Absturzgefahr herrscht oder Pflanzenschutz beachtet werden muss. Soweit wir das beurteilen können, halten sich wohl die meisten Touristen daran. Jeder scheint auch tatsächlich seinen Müll mitzunehmen – und das, obwohl es nur ganz wenige Mülleimer gibt.

Auf dem Weg nach Ólafsfjörður gibt es kaum besondere Attraktionen, dafür aber umso mehr schöne Landschaft, durch die wir mit gemütlichen 90 km/h fahren. Immer wieder sehen wir Schafhaufen rumliegen und Islandpferde regungslos rumstehen. Wir fahren Richtung Nordosten und machen in Glaumbær Halt.

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Dort kann man einen Museumshof mit Torfhäusern besichtigen. Ein magischer Ort, den man sich unbedingt anschauen sollte, auch wenn der Spaß 1.600 ISK pro Person kostet. Diese winzigen Torfhäuschen erinnern stark an Hobbitbehausungen und alles ist genauso eingerichtet, wie es wohl damals gewesen sein muss. Es ist sehr idyllisch und irgendwie magisch dort. Man möchte am liebsten bleiben.

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Die Sammlung an alten Gebrauchsgegenständen ist zudem beeindruckend und witzig zugleich. Vieles habe ich noch nie in meinem Leben gesehen und so rätseln wir gemeinsam, um am Ende doch nachzulesen, was wir gerade vor uns haben.

Auf dem selben Hof gibt es auch ein kleines Kaffee, wo wir dann auch unbedingt noch Skyr mit Blaubeeren probieren müssen.

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Auf der letzten Tagesetappe machen wir noch einmal Rast in Hofsós, ein Dorf in der Gemeinde Skagafjörður. Dort finden wir altbekannte Steinstelen am Strand. Das erste Mal haben wir diese geologischen Strukturen auf Fife in Schottland gesehen. Diesmal jedoch können wir auch darauf herumlaufen.

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Die von uns gewählte Route zum Ziel führt uns an der Küste entlang. Was wir nicht wissen, dieser Weg ist zu einem großen Teil eine Schotterpiste, wie man sie häufiger, statt einer befestigten Straße, in Island findet. Heute bin ich der Fahrer und darf auch mal Erfahrungen mit diesem schwabbeligen Untergrund machen. Man darf hier nur 80 km/h fahren, aber da komme ich bei weitem nicht ran. Ich schwitze wie schon lang nicht mehr. Taucht dann auch noch ein BLINDHÆĐ-Schild am Straßenrand auf, steigt mein Adrenalin noch weiter an. Nur ein Gedanke hat noch Platz in meinem Kopf: „Was ist wohl hinter dieser Kuppe?“

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Nach einer gefühlten Ewigkeit fahren wir endlich nach Ólafsfjörður rein. Die Straße ist asphaltiert. Zu unserer Überraschung haben wir diesmal kein Hotelzimmer, sondern unsere eigene Hütte mit Hot Tub, das wir selbstverständlich ausprobiert haben.

 

Island: Grábrók-Krater, Glaumbær, Ólafsfjörður

Island: Über Snæfellsjökull in den Schatten des Grábrók

[Mych] Reykjavik hat eine rauhe Ästhetik, denke ich mir, als ich um sechs Uhr morgens über die rostige Betonarmierung des Gebäudes gegenüber auf den namenlosen Berg jenseits der Bucht blicke, der so wirkt, als würde er gerade frisch von der zurückweichenden Wolkendecke für den kommenden Tag geformt. Wir haben gut geschlafen, und das Wetter verspricht, schön zu werden.

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Wir verlassen Reykjavik gen Nordosten und unterqueren den Hvalfjörður – den Wal-Fjord – in einem Tunnel, der uns direkt ins Zentrum der Erde zu führen scheint: Ein in den rohen Fels gehauenes Loch verschluckt die beiden Fahrspuren der Straße. Wir fahren fast drei Kilometer lang in die Erde hinunter, bevor es – noch steiler – wieder bergauf geht. Der Fjord ist an dieser Stelle nur knapp vierzig Meter tief, aber der Tunnel unterquert ihn in 165 Metern Tiefe unter dem Wasserspiegel.

Unser erstes Ziel des Tages ist der Djupalonssandur, ein Vulkanstrand in der südwestlichsten Ecke des Snæfellsjökull-Nationalparks. Wir biegen von der nur dünn befahrenen Ringstraße ab in Richtung Nordwesten. Viel Verkehr gibt es hier ohnehin nicht, aber abseits der Ringstraße sehen wir die meiste Zeit gar kein anderes Auto vor oder hinter uns. Die nationale Höchstgeschwindigkeit ist 90 km/h auf den besser befestigten Straßen; selbst ohne Tempomat habe ich das Motorgeräusch bald gut genug im Ohr, um nur noch sporadisch auf den Tacho schauen zu müssen.

Die Umgebung ändert sich, als wir in den Nationalpark einfahren – zwei Schilder, links und rechts neben der Straße, begrüßen uns in Isländisch und in Englisch. Wir fahren in eine Mondlandschaft aus mannsgroßen, von Moos überwachsenen Gesteinsbrocken auf beiden Seiten der Straße. Als wir ein paar Kilometer in das Gebiet eingedrungen sind, sehen wir zwei kuriose Gesteinspfeiler in der Entfernung in Richtung Küste: Lóndrangar werden sie genannt, und der Sage nach saß seinerzeit ein Troll auf dem größeren der beiden und unterhielt sich mit vorbei wandernden Menschen.

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Schließlich sind wir beim Djupalonssandur angelangt. Der Weg hinab zum Strand führt durch einen hohlen Weg zwischen rauhen Felsen.

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Seinerzeit war der Strand ein blühender Standort der Fischerei; die jungen Männer, die sich um einen Platz auf einem der Boote bewerben wollten, mussten ihre Eignung beweisen, indem sie einen von vier Steinen auf ein hüfthohes Podest hoben: ein Ganzstarker schaffte den 154-kg-Brocken; ein Halbstarker immerhin noch den mit 100 kg; ein Brauchbarer konnte wenigstens noch die 54 kg anheben – der kleinste Stein, mit 23 kg, qualifizierte nur als Schwächling, der auf einem Fischerboot nichts verloren hatte.

Der Strand selbst ist übersät mit runden Kieseln und verrosteten Metallfragmenten, die vom englischen Trawler Epine stammen, der vor einem halben Jahrhundert vor der Küste in Seenot geraten und vom Sturm zerschmettert worden war.

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Wir gehen einen schmalen Pfad hoch, weg vom Strand, über faustgroße Fragmente von Vulkangestein, und finden schließlich ein Labyrinth mitten in einem Blaubeerfeld. Fischersleute haben es wahrscheinlich angelegt.

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Wir fahren zurück, wieder aus dem Nationalpark heraus, und in Richtung des Grábrók-Vulkangipfels, in dessen Nähe unser Hotel für die Nacht sein wird.

Bevor wir dort hin fahren, machen wir aber noch einen Abstecher zu den Hraunfossar-Wasserfällen. Auf einer Länge von mehr als einem halben Kilometer strömt dort Wasser aus der Felswand direkt in den wilden Hvítá, nachdem es einen guten Kilometer flussaufwärts im porösen Lavagestein versickert war.

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Unser Hotel für die heutige Nacht liegt am Fuß des Grábrók-Vulkangipfels, der pechschwarz in die Höhe ragt. Den werden wir morgen früh besteigen.

Island: Über Snæfellsjökull in den Schatten des Grábrók

Island: Reykjavik

[Maus] Ich bin platt. Nach einem Wochenende, das schöner nicht hätte erträumt werden können, ging es heute in aller Frühe los in Richtung Island.

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Wir haben uns die Saga Class gegönnt und sind mit Beinfreiheit, leckerem Frühstück, Decke, Kissen und einem einzigen weiteren Fluggast in unserer Klasse geflogen. Völlig tiefenentspannt sind wir in Kevlavik gelandet und haben unseren Mietwagen am Flughafen abgeholt; ein silberfarbener Škoda Fabia. Dem aufmerksamen Leser unseres Blogs fällt natürlich sofort auf, dass wir dieses Auto auch schon in England gefahren haben.

Die Fahrt nach Reykjavik übernimmt Michael. Die Straße führt durch eine Mondlandschaft ohne Bäume. Auf halber Strecke entdecken wir Strukturen, die aussehen, als hätte die Erde Blasen geschlagen. Wahrscheinlich ist genau das passiert. Nach einer guten Dreiviertelstunde kommen wir in unserem Hotel an und haben eigentlich noch drei Stunden bis zum Check-in. Man gibt uns einfach ein Zimmer, das schon aufgeräumt ist. Da wir inzwischen trotz Frühstück im Flugzeug hungrig sind, beschließen wir, im Restaurant nebenan zu Mittag zu essen.

Der Tag ist noch jung, und obwohl wir beide müde sind, ziehen wir nach unserer Stärkung los, um die Stadt zu erkunden. Es zieht uns zunächst an den noch ursprünglichen Strand von Reykjavik, von dem aus man einen guten Blick auf den Hafen hat. Hier befindet sich außerdem das Sigurjón Ólafsson Museum, um das herum lauter Skulpturen stehen. Überhaupt findet man in Reykjavik viele Skulpturen. Man könnte vermutlich den ganzen Tag damit zubringen, Skulpturen anzuschauen.

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In der Ferne entdecken wir die Harpa und schlendern am Wasser entlang darauf zu, lassen uns treiben und genießen die Seeluft. Der Landnámssýningin (The Settlement Exhibition Reykjavík 871±2) statten wir einen Besuch ab, zum Vergleich mit dem Jorvik Discovery Centre in York. Im Keller hat man vor ein paar Jahren bei Ausgrabungen die Überreste einer Siedlung aus der Wikingerzeit entdeckt. Durchaus interessant, aber die Ausstellung is klein und unaufgeregt. Verglichen mit Jorvik ist es nur so lala.

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Wir gönnen uns am Hafen einen Kaffi und dazu Möhrenkuchen und spüren deutlich, wie sich Erschöpfung breit macht. Doch das ignorieren wir und weiter geht es mit der Erkundungstour. Die führt uns zur Kathedrale, die sehr schlicht, aber trotzdem beeindruckend ist. Dort machen wir unsere leichteste Turmbesteigung mit, nämlich per Lift. Von dort oben hat man einen herrlichen Ausblick auf die Stadt und die vielen bunten Häuschen. Doch die Erschöpfung lässt sich nun kaum mehr abschütteln und wir kehren ins Hotel zurück mit der Idee, später noch einmal in das Stadtzentrum zum Abendessen zurückzukehren.

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Tja, nach einem Stündchen Augenausruhen ist das Abendessen gestrichen. Wir gehen heute nirgends mehr hin. Außer vielleicht in die Lobby, um was zu Knabbern zu holen. Morgen, wenn wir wieder frisch sind, arbeiten wir an den Abenteuern.

Island: Reykjavik