There and back again

[Maus] Ach ja, viel zu tun im neuen Zuhause. Aber zunächst einmal will ich von meiner Reise berichten. Wie Michael schon beschrieben hat, bin ich mit einem 22,6 kg schweren Koffer und einem prall gefüllten Rucksack angereist. So langsam stelle ich auch fest, was hier alles nützlich gewesen wäre. Ein scharfes Messer zum Beispiel. Aber davon später mehr. Mein Flug war im Durchschnitt recht angenehm, aber 10 Minuten nach Abflug gab es einen gewaltigen Ruck, der einige meiner wenigen Mitreisenden hörbar erschreckte. Ich klammerte mich einige Sekunden an meinen Armlehnen fest und konnte ein leises Aufstöhnen, als meine Zähne aufeinander schlugen, nicht mehr unterdrücken. Glücklicherweise war dieser Augenblick so schneller vorbei als eine Achterbahnfahrt, und ich wurde nur noch ab und an leicht durch gerüttelt. Als ich bei ruhigerer Wetterlage mein Portomonnaie aus meiner Jackentasche holen wollte, war mein gesamter Kram bis ans andere Ende des Faches gerutscht. Wäre der Flieger voll gewesen, wäre das nicht passiert.

Bei der Landung gab es auch noch mal eine Schrecksekunde. In dem Augenblick als ich den Boden erblicken konnte, setzte das Flugzeug schon auf. Der reinste Suppenkessel in Birmingham und das Wetter … Micha hat ja schon davon berichtet.

Beim Einrichten in meiner vorübergehenden Unterkunft sind mir gleich am ersten Abend eine Menge Dinge aufgefallen, die nicht meinem deutschen Standard entsprechen. Das Schlimmste für mich ist der Dreck. Eigentlich ist es nicht furchtbar dreckig, aber es ist nicht mein Dreck. Also mussten wir am ersten Nachmittag zunächst mal Putzmittel kaufen und ich habe ein wenig den Kalk weg geschrubbt. Aber wir hatten auch noch eine Minzepflanze mit etwas mehr als drei Blättern hier herumstehen und eine Plastikflasche mit abgeschnittenem Hals, aber ohne erkennbare Funktion. Ach ja, den Kühlschrank habe ich einmal gründlich ausgewischt.

Hier ist es auch staubig. Die Wollmäuse hängen hier von der Decke herunter. Dieses Problem werde ich im Laufe der nächsten Tage lösen. Vielleicht stelle ich eine Wollmausfalle auf. Mal sehen. Es ist hier auch ziemlich kühl. Ich habe hier in der Wohnung immer zwei Pullover an und kuschelige Hausschuhe. Wenn man sich einige Bewohner dieser Gegend anschaut, muss man sich auch nicht über diese unterkühlte Unterkunft wundern. Am Flughafen habe ich jemanden in kurzer Hose und ohne Schuhe gesehen. Als Einzelfall betrachtet, könnte man meinen, es war ein Verrückter unterwegs, aber ich habe hier in Coventry schon drei Herren ohne Jacken und nur im T-Shirt angetroffen. Ich gewöhne mich ja vielleicht noch an das Seeklima.

Heute wollten wir dann extra früh aufstehen, damit wir genug Zeit für alle anstehenden Erledigungen haben. Ich war schon vor dem Weckerklingeln wach, weil unsere Mitbewohner offenbar schon aus den Federn gesprungen waren. Es ist hier sehr hellhörig. Gestern konnten wir zuhören, wie eine junge Frau ziemlich lange telefoniert hat. Ich glaube, sie wohnt direkt über mir; ich habe sie Trampeltier getauft. Wahrscheinlich läuft sie ganz normal in ihrem Zimmer von einer Ecke in die andere, aber es klingt, als würde sie eine neue Choreographie einstudieren. Kurz nach dem Aufstehen wollte ich dann meine Kamera startklar machen. Nach der Formatierung der Karte wollte die Kamera diese dann nicht mehr erkennen. Mein erster kleiner Wutausbruch folgte. Das zweite Ärgernis des Tages ließ nicht lange auf sich warten. Die einzigen beiden Schüsseln in dieser Wohnung sind eigentlich zu klein für alles außer ein paar Nüsschen oder Gummibärchen. Wir wollten aber Porridge zum Frühstück essen. Solches, was man in der Mikrowelle zubereiten kann. Ein englisches Frühstück mit gebackenen Bohnen, Pilzen, Würstchen usw. werde ich mir hier auch nicht zubereiten können. Ich habe nur zwei Herdplatten, und aus einem mir nicht bekannten Grund schalten die sich jeweils nach 15 Minuten Benutzung aus. Ich rate mal ins Blaue hinein, dass es sich dabei um eine Sicherheitsabschaltung handelt, für den Fall, dass man vergessen hat, sie auszuschalten. Nervig ist das alle Mal, da das auch immer mit lautem Piepen angekündigt wird. Die Mikrowelle ist auch so ein nerviger Piepser. Alles wird mit Piepsen quittiert. Alles.

Nachdem ich das Kameraproblem auf später verschoben hatte, sind wir dann wieder ins Zentrum des „Dorfes“ marschiert. Ich brauchte ja ganz dringend eine englische Telefonnummer. Das Unkomplizierteste ist eine sogenannte „Pay as you go“ SIM Card. Auf Deutsch eine Prepaid-SIM-Karte. Komisch, dass der deutsche Begriff, obwohl er englisch ist, für mich mehr Sinn ergibt. Die SIM Card haben wir in einem T-Mobile/Orange/EE-Shop gekauft. Ich bekomme für £10 100 Minuten Telefonieren, 400 SMS und 1 GB Daten. Ein gutes Angebot.

Danach sind wir zu IKEA rüberspaziert. Hier ist alles nur einen Katzensprung voneinander entfernt. Daher kommt wahrscheinlich auch unser Eindruck, bei Coventry handele es sich in Wahrheit um ein Dorf. Den Speckgürtel haben wir uns allerdings noch nicht angeschaut.  Angekommen im IKEA haben wir jeweils eine Portion „Swedish Meatballs“ verputzt. Schade, das die Dinger hier nicht auch Köttbullar heißen. Die Engländer mögen ja vielleicht kein ausländisch?  Ach ja, Kaffee haben wir auch getrunken, aber  eigentlich sah er weder danach aus, noch hatte er die Wirkung von Kaffee. Egal, wir müssen uns eben anpassen und vielleicht zu Tee wechseln, der darf nämlich so aussehen.

Gekauft haben wir dann: zwei Geschirrtücher (ich weiß nicht, wieso, aber sowas wurde hier in der Wohnung offenbar noch nie benutzt), zwei große Schüsseln für Porridge aus der Mikrowelle, zwei tiefe Teller (für Nudeln mit Tomatensoße, die es gestern von flachen Tellern gab) und zwei ordentlich große Kaffepötte (oh Kaffee wäre jetzt schön — Micha?). Unsere Einkäufe brachten wir nach Hause und nach einer kurzen Kaffeepause sind wir dann mal Richtung Uni losgezogen. Letztlich haben wir eine 10-km-Runde gedreht, bei der wir auch einen Abstecher zum Tesco Superstore gemacht haben.

Das Erlebnis des Tages war die Abkürzung, die wir auf dem Rückweg ausprobiert haben. Die führte uns am „Canley Ford“ entlang. Das Problem mit diesem wirklich zauberhaften Pfad war die Dunkelheit und das viele Wasser. Aber es war immerhin eine echte Abkürzung, die bei schönem Wetter sehr zu empfehlen ist.

There and back again

5 Gedanken zu „There and back again

  1. Kathrin & Christian schreibt:

    Klingt ja alles ziemlich spannend und neu! 🙂 Wir sind gespannt wie es weitergeht. 🙂 wartet mal auf schönes Wetter, dann sieht alles ganz anders aus! Bis bald! Kathrin & Christian

  2. Odin schreibt:

    Salve. Also ein paar Anmerkungen von mir: Die abgeschnittene Plastikflasche ist bestimmt der Aschenbecher. Das Trampeltier wohnt komischer Weise in Ludwigshafen auch über Stephis Wohnung. Eventuell mal prüfen ob der ehemalige Kamin vom Trampeltier ein magisches Portal nach Ludwigshafen ist. Ansonsten liest sich alles sehr spannend. Wann geht es den mit der Arbeit los? Morgen?

    1. Das magische Portal ist dann aber ganz schön schmucklos und man müsste auf allen Vieren durchkrabbeln. Das erscheint mir irgendwie nicht eines magischen Portals würdig. Ich werde schon noch herausfinden, was sich hinter diesem Brett befindet.

  3. Sten schreibt:

    Da im Gegensatz zu uns bei Dir die Wollmäuse von der Decke hängen vermute ich, dass es sich um eine nachtaktive Flederwollmaus-Gattung handelt. Hast Du davon schon was mitbekommen?
    Und Du hast vergessen zu erwähnen, dass Du als ambitionierte Biologin die gefangenen Wollmäuse am Montag auf Arbeit mitnehmen willst, um Deine Sezierkenntnisse in Deinem neuen Labor gleich unter Beweis zu stellen. Ich wünsche Dir viel Erfolg dabei!

    1. Ich habe nichts bemerkt, habe aber auch geschlafen wie ein Stein. Vielleicht kommt aus dem magischen Portal Schlafgas, damit man gefahrlos und unbemerkt nach Coventry kommt.
      Meine Sezierkenntnisse sind doch schon hundert Jahre alt. Na gut, Chemiker kann man damit ja vielleicht doch noch beeindrucken.

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