Kettengang

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[Maus] Es war stressig in der letzten Zeit. Ich schlug mich mit allerlei Problemchen im Labor herum und merkte, wie mich die Arbeit auslaugte. Nicht zuletzt lag das an einem nervenaufreibenden Studenten, der mich mit seiner Unruhe und fehlender Ernsthaftigkeit um den Verstand brachte.

Endlich war es Zeit für einen Urlaub. Unsere Idee ist es, Großbritannien zu erkunden, während wir hier sind, und so sollte unser erster Urlaub uns irgendwo hin auf unserer Insel führen. Unser gemeinsames Hobby — Geocaching — sollte zufällig unseren Zielort bestimmen: Fife. Fife liegt in Schottland in der Nähe von Edinburgh und hat eine wunderschöne wilde Küste mit Sandstränden.

Doch wie kam es eigentlich dazu?

Vor nicht allzu langer Zeit beschlossen wir, wieder mehr spannende Geocaching-Abenteuer zu erleben. Da in der näheren Umgebung aber in dieser Hinsicht gähnende Langeweile herrscht, hat Michael nach 5/5er-Geocaches gesucht — also Geocaches mit der höchsten Terrain- und Schwierigkeitswertung. In Deutschland sind die rar und so schwierig, dass man sie nur mit viel Equipment und häufig mit sehr viel Rätselei angehen kann.

Also genau das Richtige, um ein Abenteuer zu erleben.

Michael stieß jedenfalls bei seiner Suche auf einen Earthcache in Fife, bei dem schon der Name äußerst interessant klang: Volcanic Mayhem — Kincraig Point. Und die Fotos erst! Wir waren uns sofort einig, dass wir da hin wollen. Unser geplanter Urlaub hatte noch kein Ziel, also beschlossen wir spontan, nach Fife zu fahren.

Nachdem wir auf dem Weg nach Fife und in Fife selbst schon viele schöne Orte besucht hatten, konnten wir es kaum noch erwarten, endlich diesen Earthcache aufzusuchen. Earthcaches sind eine Besonderheit beim Geocachen: Man findet keine Box mit einem Logbuch, sondern einen geologischen Schatz. Der Küstenbereich bei Kincraig Point war im Karbon durch vulkanische Aktivität entstanden. Während der Flut ist dieser Bereich unzugänglich und bei Ebbe erreicht man ihn nur über einen sogenannten Chainwalk — sowas wie einen Klettersteig mit Ketten zum Festhalten.

Schon auf dem Weg dorthin fanden wir am Strand riesige schwarze poröse Steine vulkanischen Ursprungs.

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Es war sehr windig und ich hatte Muffensausen, aber da wir beide Sicherheitsfanatiker sind (oder wie Michael mal so schön zu mir sagte: „Wir brauchen deinen Kopf noch!“), hatten wir Helme, Klettersteigsets, festes Schuhwerk und Handschuhe dabei. Nachdem wir unser Equipment angelegt hatten, stürzte sich Michael als erster ins Vergnügen. (Er ist der Mutigere von uns beiden.)

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Auf glitschigem Gestein und an der Kette hängend war mir auf dem ersten Teilstück noch mulmig zumute, aber bald schon vergaß ich meine Angst, mir den Schädel zu zertrümmern oder unterzugehen (durch das Klettersteigset und den Helm war das quasi unmöglich) und genoss diese einmalige Landschaft. Die Gezeiten nagen an den Felsformationen, und das poröse Vulkangestein hat dem nichts entgegenzusetzen.

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Man fühlt sich wie auf einem anderen Planeten. Die Gischt spritzt unter einem hoch und der Wind zerrt an dir. Es riecht herrlich nach Meer und trotz dem das Meer tost und rauscht, fühlt sich alles so ruhig an. Unwirklich.

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Der Devil’s Tower (Teufelsturm) beeindruckt durch seine schiere Größe. Als hätte jemand gigantische Säulen am Strand aufgestellt. Ursprünglich müssen die Gesteinsschichten horizontal gelegen haben; im Laufe der Jahrmillionen wurden die Säulen durch Faltung aufgerichtet.

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Michael war in seiner Faszination für diese Landschaft gefangen und bemerkte nicht einmal, dass wir längst am Ende des Chainwalks angekommen waren. Ich konnte ihn gerade noch aufhalten, einen Satz über die nächste Kluft zu machen.

Wir hatten uns ein Abenteuer erhofft und es bekommen.

Kettengang

8 Gedanken zu „Kettengang

    1. [Mych] Heh, ja — das haben wir uns auch gedacht, als wir die Dinger aus dem Schrank geholt haben. Anderthalb Jahre lagen die schon da rum …

      Aber das war auf jeden Fall ein sehr, sehr würdiger Jungferngang für die. Auf der gegenüberliegenden Seite von der Kette auf dem vierten Foto (dem zweiten Kettenfoto) musste man auf einen etwa drei Meter hohen Felsbrocken klettern und von dort aus einen großen Schritt über einen Abgrund machen, an dessen Boden die Brandung toste, um sich dann an einem senkrecht herunterhängenden Kettenende hochzuziehen, während man mit den Schuhen gerade mal in ein paar nassen, grob in den Fels gehauenen handbreiten Löchern Tritt fassen konnte.

      Ich wollte wirklich nicht in diesen Schlitz fallen, mir dabei das Bein brechen und dann in der Brandung untergehen — da war ich echt froh, dass ich mich einfach in der Kette einklinken konnte …

    2. Uschi schreibt:

      Hi, danke für die beeindruckenden Fotos und die anschauliche Beschreibung Eurer Eindrücke beim Kettengang.Sieht echt aus, wie nicht von dieser Welt und nur 2 Astronauten auf Forschertour 😉 – `n bißchen gruselig. LG Mutsch

  1. Das liest sich echt toll, und die Bilder sind auch super! Ich kann Eure Freude zu diesem Abenteuer gut nachempfinden, so etwas erlebt man auch nicht alle Tage!
    Danke für die Eindrücke.

    LG Sten

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