Ein Pub in Kenilworth

[Maus] Mir hängt dieser Papierkram hier zum Halse raus. Ich dachte noch vor meiner Abreise, wie schön es wird von Bürokratenhausen nach England zu ziehen. Da habe ich mich unglücklicherweise ein wenig verschätzt. Ich muss einen Personalfragebogen, ein Rentenversicherungsformular, mehrere Seiten Bankkontoantragsformulare und zu guter Letzt auch noch einen Haufen Formulare zum Thema Sicherheit ausfüllen. Nicht zu vergessen sind: das Formular, um die National Insurance Number zu beantragen, und das Registrierungsformular für meinen General Practitioner (auf Deutsch: Hausarzt). Das alles will ich bis spätestens Ende nächster Woche hinter mir lassen. Die Chancen stehen gut; die Hälfte ist schon abgearbeitet.

Ich habe jetzt ein britisches Bankkonto. Meine Karten und PINs bekomme ich nach Hause geschickt. Auf meine Anfrage hin, ob ich das alles auch in der Filiale abholen könnte, fragte die Dame von der Bank ganz erschrocken, ob es sich bei der angegebenen Adresse denn nicht um meine private Adresse handeln würde. Sie hatte wohl Angst, dass ich falsche Angaben bezüglich meines Aufenthaltsortes gemacht haben könnte. Nun wird eben ganz persönliche und streng geheime Post auf meinen geteilten Fußabtreter gelegt. Zum Glück ist auf meinem Konto noch kein Geld, so dass es mir momentan wenigstens egal sein kann. Schon merkwürdig, so ganz ohne Briefkasten zu leben.

Die junge Frau, die mich letztens auf dem Unicampus ansprach, entpuppte sich übrigens gestern Morgen als eine meiner Mitbewohnerinnen. Ich bin gemütlich zum Bus getrödelt (beeilen macht hier sowieso keinen Sinn, weil der Bus entweder fährt oder eben nicht), da sehe ich die junge Frau an der Bushaltestelle stehen. Neben ihr eine zweite junge Frau. Als ich bei ihnen bin, werde ich von der Ersten gefragt, ob ich auch in 48 Broadway wohne, was ich bejahte. Tja, und dann stellten sich die beiden als meine Mitbewohnerinnen vor. Der einzige Mann in unserem Haus ist ein älterer Herr, dem ich heute das erste Mal über den Weg gelaufen bin.

Gestern war ich ziemlich spät zu Hause, deswegen gab es auch keinen Eintrag mehr. Ich hatte mich schon am Dienstag mit zwei Kolleginnen verabredet in einen Pub zu gehen. Es hat lange gedauert, bis die beiden sich entschieden hatten, wohin wir gehen aber das letzte Wort hatte dann wohl meine deutsche Kollegin, die nämlich keine Lust hatte, nicht mehr von Coventry aus nach Hause zu kommen. Wir waren also in Kenilworth im Pub (fünf Minuten von dort wohnt meine Kollegin) und wir anderen hatten dann den langen Heimweg.

Der Pub war eigentlich ganz nett, aber es waren (an einem Donnerstagabend) fast alle Tische reserviert. Ein freier Katzentisch hat sich dann aber doch noch gefunden. Die Mädels (eine Spanierin, eine Italienerin und eine Deutsche) wollten sich Wein bestellen, und ich wollte mich gern anschließen. Allerdings wollten sie sich einen Merlot bestellen, der noch nicht einmal der günstigste Wein war. Glücklicherweise konnte ich sie zu einem Cabernet Sauvignon überreden, den wir zu jeweils einem Burger genossen. Der Burger und die dazugehörigen Pommes und Zwiebelringe kamen natürlich wieder besonders salzarm daher. Wann ist mein Überlebenswerkzeug endlich da?

Für den Rückweg mussten wir pünktlich an der Bushaltestelle stehen, denn der Bus fährt um diese Uhrzeit nur noch ein Mal in der Stunde. Die Spanierin, die auch mit uns im Pub war und nach Leamington musste, kam kurz nachdem sie zu ihrer Bushaltestelle gegangen war, wieder zurück, weil ihr Bus schon weg war. Wir hatten Glück und haben unseren Bus trotz italienischer Gelassenheit noch erwischt, dafür habe ich dank nicht angesagter Bushaltestellen und beschlagener Scheiben meine Bushaltestelle verpasst und durfte dann vom Bahnhof Coventry nach Hause marschieren.

Nächste Woche wird es schon viel besser gehen. Ich werde mir einen kuschelige Sofadecke zulegen, damit ich wegen der Kälte nicht mehr schon um 21 Uhr ins Bett muss und der Papierkram ist dann hoffentlich auch erledigt.

Ein Pub in Kenilworth

Mein erster Arbeitstag

[Maus] 7am (also 7 Uhr morgens) Aufstehen. Käffchen trinken, duschen, anziehen und los. Nachdem ich dachte, der Tag fängt ja entspannt an, musste ich an der Bushaltestelle lesen, dass diese zurzeit nicht angefahren wird. Das hätte ich mir eigentlich denken können, denn an der Ecke, wo der Bus normalerweise rumfährt, wird gebaut. Im Eilschritt bin ich zwei Stationen weiter geflitzt; schließlich ist zu spät kommen am ersten Arbeitstag nicht gern gesehen. Ich muss nicht lange auf den Bus warten und bin sogar in die richtige Richtung gefahren. Aber nach 10 Minuten Fahrt geht es plötzlich ohne erkennbaren Grund nicht mehr weiter. Die Fahrt wird nach 10 Minuten Halt kommentarlos fortgesetzt. Ist das hier so üblich? Niemand schien irritiert.

Zu meiner Überraschung haben hier tatsächlich viele das Kleingeld passend und kaufen sich Bustickets beim Fahrer. Dafür gibt es einen Geldeinwurf, in den man das Geld passend einwerfen muss, der Fahrer drückt dann einen Knopf, ein Ticket wird gedruckt und man muss es sich abreißen.

Da hier die Stationen im Bus weder angezeigt noch angesagt werden, weiß ich eigentlich nicht wo ich bin und steige prompt zu früh aus. Mit mir zusammen steigt eine junge Frau aus, die sich offenbar auch nicht auskennt und sie fragt mich, ob ich wüsste, wo das University House ist, weil sie ihre Student Card da abholen muss. Ich erwidere, ich wüsste selbst nicht wo das ist, weil ich meinen ersten Arbeitstag habe. Sie freute sich sichtlich, dass ich ihr Schicksal teilte, doch ich musste sie sogleich enttäuschen, weil ich mich ja zuerst in meinem Institut melden sollte. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihr einen schönen ersten Tag zu wünschen.

In der Personalabteilung sollte ich nur noch meinen Ausweis vorlegen und wurde dann schon an meine neue Kollegin weitergereicht. Sie ist ebenfalls Deutsche und seit einem Jahr dort. Ihr Auftrag lautete, mir alles zu zeigen und mit mir meine Staff Card abzuholen. Pustekuchen, dort wurde mir mitgeteilt, dass ich noch nicht mal im System erfasst wurde. Ihnen fehle die Kopie meiner Doktorurkunde, die ich im Orginal in der Personalabteilung meines Instituts vorlegen müsste. Na toll. Also zurückgedackelt und mir von meiner Kollegin die Labore zeigen lassen. Alles sehr schick und sehr gut ausgestattet und in allen Laboren Kittel und Schutzbrillenpflicht.

Nächster Punkt im Programm war die Kontoeröffnung, denn ohne englisches Konto gibt es kein Gehalt. Diese Regelung bringt allerdings ein Problem mit sich, als Neuling in Großbritannien kann man nicht so ohne weiteres eine Schuldenfreiheit nachweisen. Die Bank bei der ich war hat aber eine Möglichkeit, dieses Problem zu umgehen; man muss einen Arbeitsvertrag vorlegen und sich identifizieren können. Eine Kreditkarte kann ich allerdings frühestens in 6 Monaten bekommen. Die Kontoeröffnung konnte ich heute allerdings nur beantragen, weil jetzt mein Arbeitsvertrag und meine Identität überprüft werden. Frühestens am Mittwoch kann ich zum Ausfüllen des Papierkrams wiederkommen.

Morgen treffe ich meine Chefin und bekomme hoffentlich meine Staff Card. Ohne Staff Card kann ich nämlich leider nicht allein … na ihr wisst schon wohin gehen.

Mein erster Arbeitstag

Ich bin allein…

[Maus] Sonntag ist Ausschlafen angesagt und so sind wir erst spät aufgestanden. Da die Sonne schien, mussten wir aber auf jeden Fall noch mal raus und da bot es sich an, die Geocaches in unmittelbarer Nähe aufzusuchen. Abgesehen davon, dass wir die Geocaches nicht gefunden haben, waren wir nach der Suche richtig schön eingesaut. Sämtliche Wiesen sind geflutet und ausgerechnet die beiden auserwählten Geocaches führten über Wiesen. Viel schlimmer aber ist die Tatsache, dass hier offenbar viele unkreative Geocacher unterwegs sind. Wir werden wohl die nächsten zwei Jahre dazu nutzen mal ein wenig Schwung in die Gegend zu bringen.

Mit meinen eingedreckten Schuhen und Hosen habe ich dann Michael zum Bahnhof Coventry gebracht, der fußläufig erstaunlich gut und schnell zu erreichen ist. Das Taxi ist also nur bei Regen angesagt. Michael hat dann dort noch einen der Fast Ticket Automaten ausprobiert. Wie wir jetzt wissen, sind die Virgin trains günstiger (£1,50) als die anderen (£2,20). Kauft man ein Ticket für £2,20 kann man sich allerdings aussuchen, welchen Zug man nehmen möchte (Virgin trains inklusive). Wenn man den Fahrplan kennt, gibt es die Möglichkeit zu sparen.

Nachdem ich Michael hinterhergewunken hatte, setzte ich meinen Plan, mir eine Travelcard zu kaufen, in die Tat um. Mit dieser personalisierten Monatskarte (es ist ein Foto von mir drauf) kann ich nun einen Monat lang alle Busse in Coventry nutzen. Da spare ich erstens Geld und außerdem muss ich mir nicht jedes Mal eine Fahrkarte kaufen. Auf der Website schrieb der National Express, dass man passend bezahlen soll. Auch wieder so eine Merkwürdigkeit. Haben hier alle immer ganz viel Kleingeld in der Tasche? Mein Portomonnaie ist ungefähr ein Kilo schwer, weil ich £5 in kleinen Münzen darin aufbewahre. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kartenbezahler-Engländer passendes Kleingeld in den Taschen haben. Notiz an mich selbst: Portomonnaie mit großem Kleingeldfach kaufen, vielleicht im Trolley-Format.

Mein Garmin 550t führte mich durch einen Teil von Coventry, den ich an diesem Wochenende noch gar nicht gesehen hatte. In diesem Teil der Stadt sind scheinbar alle Studenten untergebracht, denn an jedem Haus stand irgendein Hinweis für Studenten dran; rooms for students, students bar, students grocery, flats to let for students only. Nach einem Fußmarsch von geschätzten 15 Minuten (vom Bahnhof) kam ich zu dem Laden, der die Travelcards verkauft. Ich wurde damit überrascht, dass der Verkäufer ein Foto von mir haben wollte. Glücklicherweise hatte ich noch eines im Portomonnaie, dass ich noch von der Beantragung meines Reisepasses hatte.

Auf dem Weg zurück nach Hause entdeckte ich das „Zentrum“ von Earlsdon (der Stadtteil, in dem ich hier wohne). Eigentlich kann man da auch alles bekommen, was man für den täglichen Bedarf braucht. Die Bürgersteige bleiben am Wochenende jedoch zumeist hochgeklappt. Auf meiner Wanderung habe ich auch noch einen tollen Barber-Shop entdeckt (Foto in der Galerie). Ich lasse jetzt noch den Abend ausklingen und freue mich auf meinen ersten Arbeitstag.

Ich bin allein…