Island: Hengifoss, Öxi, und die Straßenschafe

[Mych] „It’s well worth it!“, ruft uns ein gut gelaunter Amerikaner zu, als wir den Berg in Richtung des Hengifoss hochsteigen. Die meisten Leute sind offenbar früher aufgestanden als wir, um die knappe Dreiviertelstunde vom Parkplatz hoch zu Islands vierthöchstem Wasserfall über den nur mittelmäßig wegsamen Wanderweg zurückzulegen. Wir haben dreihundert Höhenmeter auf zweieinhalb Kilometer Wegstrecke vor uns; selbst in Island würde man dafür schon ein Schild an den Straßenrand stellen.

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Gegenüber, auf der anderen Seite der Schlucht, auf gleicher Höhe wie wir, sehen wir ein Trio von Schafen parallel zu uns den Abhang hochkraxeln. Schafe bewegen sich hier offensichtlich besonders gerne in Dreiergrüppchen übers Land. Manchmal sind die Schafhaufen auch größer, aber nur ganz selten sieht man mal ein Schafpaar oder etwa ein Einzelschaf. Eins, zwei, viele. So funktioniert das, nehme ich an, wenn man im zotteligen Schafspelz den ganzen Tag nichts anderes zu tun hat, als gelegentlich von den würzigen Grasbüscheln zu den leckeren Blaubeergründen zu migrieren und ansonsten nur mal dem einen oder anderen vorbeifahrenden Auto hinterherzuschauen.

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Auf halber Strecke kommen wir am Litlanesfoss vorbei, der hierzulande wahrscheinlich nur deswegen Erwähnung findet, weil er auf halbem Weg zum Hengifoss liegt, aber an jedem anderen Ort der Erde auch selbst schon ein bemerkenswertes Naturschauspiel darstellen würde. Turmhohe Basaltsäulen umrahmen den kleinen Bruder des Wasserfalls weiter oben.

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Wir kraxeln weiter und sind schließlich oben. 118 Meter tief fällt hier das Wasser, mehr als ein Viertel der Strecke über Normalnull. In der ausgehöhlten Bergwand sind horizontale Schichten zu erkennen: meterdicke Lava, getrennt von dünneren Schichten eines rötlichen Materials – Mutterboden, der sich in den ruhigeren Zeitaltern auf den ausgekühlten Lavaschichten angesammelt hatten, bevor der nächste Ausbruch die nächste Schicht glühenden Gesteins darüber legte. Man kann die Schichten zählen wie Baumringe; Dutzende von Malen muss das geschehen sein. Bis jetzt.

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Auf dem Rückweg kommen wir kurz unterhalb des Litlanesfoss an einem von silbrig glänzender Thermofolie bedeckten Häufchen Mensch vorbei, um das sich gerade eine forsch wirkende Frau mit Erste-Hilfe-Köfferchen kümmert, umgeben von einer kleinen Gruppe wohlmeinender Schaulustiger – wahrscheinlich hat die junge Frau beim Abstieg den Fuß umgeknickt. Wir sind froh um unser gutes Schuhwerk; halbhohe Sportschuhe, wie wir sie bei vielen der anderen Wanderer sehen, sind einfach nichts abseits der zivilisiertesten Wege. (Ich bin Experte.) Als wir unten ins Auto einsteigen, kommt gerade die Ambulanz an.

Im Auto überlegen wir, welchen Weg wir zu unserem nächsten Zwischenstopp nehmen wollen: das Hafenörtchen Djúpivogur, das sich vor allem dadurch auszeichnet, dass es in seinem Gemeindegebiet einen der kleinsten unabhängigen Gletscher beherbergt und dass man von hier aus auf die vorgelagerte Insel Papey übersetzen kann, denn da gibt es Puffins zu betrachten. Die sind zwar niedlich, aber das Boot geht nur einmal am Tag um 13 Uhr, und wir entscheiden, dass es unvernünftig wäre, die 80 Straßenkilometer in den bis dahin verbleibenden zwanzig Minuten zurücklegen zu wollen.

Wir grübeln, ob wir den direkten Weg nehmen wollen oder einen deutlichen Umweg an der Küste entlang – auf dem direkteren Weg dräut eine der uns bereits bekannten unasphaltierten Straßen, hat Judith auf der in unserer letzten Unterkunft ausliegenden Umgebungskarte gesehen. Ich will Judith den Spaß mit den Schotterpisten nicht ganz alleine lassen; also machen wir uns auf den kürzeren Weg.

Wir fahren und fahren und warten Kilometer für Kilometer darauf, dass der Asphalt endlich dem versprochenen Schotter weicht. Als fast schon Hoffnung aufkeimt, dass unsere Information veraltet war, endet die gepflasterte Straße dann doch noch. Zehn Minuten später passieren wir ein großes Schild am Straßenrand: Öxi, steht drauf, und: „Mesta hæð: 532 m“, „Lengd: 19 km“, und darunter ein Fahrbahnverengungssymbol mit der Angabe „4.5“ am schmalen Ende und ein Gefällesymbol mit einer „17%“ dran, und wenn man genau hinschaut, wirkt der stilisierte Abhang auf dem Gefällesymbol so, als hätte er einige mächtige Schlaglöcher. Und wenige Meter dahinter fahren wir durch ein Gatter, an dem ein weiteres Schild in mehreren Sprachen darauf hinweist, unter welcher Notrufnummer man Hilfe bekommt, wenn man auf der Strecke in erhebliche Schwierigkeiten gerate.

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Der Weg über Öxi, den Pass über die hiesige namenlose Bergkette, erweist sich als ein wildes Abenteuer selbst im auslaufenden Sommer – ich will gar nicht daran denken, wie es hier im Winter wäre.

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Die Umgebung ist wunderschön, aber die Straße windet sich wie ein loser Bindfaden durch Hügel und Täler und an Abhängen entlang, und ihre Berandung ist fast überall nur durch einige schlichte gelbe Pfosten markiert, auch wenn es fünfzig Zentimeter dahinter in den Abgrund geht. Es gibt eine Leitplanke an zwei oder drei kurzen Steckenabschnitten, wo man ansonsten direkt in einen See fahren würde – wahrscheinlich, um die dortige Fauna zu schützen. Gefahrenstellen sind gut ausgeschildert – BLINDHÆĐ, gerne auch in Kombination mit einer darauf folgenden EINBREIÐ BRÚ oder einer plötzlichen Kurve vor dem nächsten Steilhang –, und Geschwindigkeitsangaben sind als freundliche blaue Empfehlungen ausgelegt: Wer sich nicht dran hält, ist selbst schuld.

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Nach 18 Kilometern sehen wir den Fjord vor uns liegen und einen kleinen Parkplatz, auf dem sich gerade ein chinesisches Pärchen Rührei auf dem Campingkocher brät, und halten an, um uns die verkrampften Beine zu vertreten und den dahinter liegenden Wasserfall anzuschauen.

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Den Rest des Wegs fährt Judith. Kurz nach Djúpivogur setzt sich ein Camper vor uns und fährt auf gerader Strecke inkonsistente fünf bis zwanzig Stundenkilometer unter dem Limit, und wenn gerade niemand entgegen kommt, driftet er gerne mal in die Mitte der Straße, wie man das auch die Einheimischen gerne mal tun sieht – offenbar völlig abseits jeder Zurkenntnisnahme des Verkehrs hinter ihm. Nach zwei abgebrochenen Versuchen schafft es Judith endlich, den Camper zu überholen, Hand auf der Hupe, damit er bemerkt, dass jemand neben ihm ist.

Eine halbe Stunde später müssen wir kurz anhalten, um einer Kleinfamilie Schafe den Übergang über die Straße zu gewähren. Und noch etwas später sehen wir ein Rentier im Grünstreifen zwischen der Straße und dem Meer grasen.

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Unsere heutige Unterkunft nennt sich GlacierWorld Hoffell – ein hübsches, modernes kleines Hotel mit einem theoretisch fantastischen Blick auf den nahen Gletscher, nur dass leider schon den ganzen Tag der Nebel so tief liegt, dass wir die Berge nur grob schemenhaft erahnen können.

Wir packen statt dessen die Badehose und das Handtuch ein und begeben uns vor unserem im Supermarkt in Djúpivogur eingekauften Abendessen aus Skyr und dicken fetten Blaubeeren noch zu den Hot Tubs, die ein paar hundert Meter vom Hotel entfernt im Windschatten eines Lavafelsens in den Boden eingelassen sind und von heißem Wasser gespeist werden, das in einem unauffälligen Container um die Ecke einfach so aus dem Boden kommt. Der Nebel legt sich wie ein leichtes Nieseln auf unsere Gesichter, während wir im warmen Wasser unter freiem Himmel liegen und in die neblige Ferne blicken.

Island: Hengifoss, Öxi, und die Straßenschafe

Island: Von magischen Nächten und brodelnden Säureseen

[Maus] Um Mitternacht, in der Geisterstunde, klingelt das Telefon. Nur wenige Augenblicke später stehen wir auf dem Parkplatz vor unserem Hotel und können unser Glück kaum fassen. Nordlichter. Der Nachthimmel ist klar, bis auf die grünlichen Schwaden, die sich über den Himmel bewegen, als seien sie lebendig.

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Es hat etwas Magisches an sich, dieses unvergessliche Naturschauspiel, das wir nun unbedingt auch noch einmal im Winter erleben wollen.

Am Morgen haben wir es nicht weit bis zum nächsten Naturschauspiel. Am Fuße des Berges Námafjall befindet sich ein Feld heißer Quellen, Hverir genannt. Schon von der Ringstraße aus kann man sehen, wie heißer Dampf aus dem Boden aufsteigt. In kleinen und großen Gruben köchelt in Säureseen der graue Schlamm, der nichts anderes ist, als die Felsen, die von der Schwefelsäure aufgelöst wurde.

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Aus den Schlammgruben und den dampfenden Schloten stinkt es erbärmlich nach faulen Eiern, und eine zeitlang habe ich das Gefühl, dass ich mir mein Frühstück noch einmal durch den Kopf gehen lassen muss. Nach einer Weile wird es besser, aber der Geruch bleibt an uns den ganzen Tag kleben. Selbst unser Auto riecht jedes Mal, wenn wir die Lüftung anschalten, nach faulen Eiern.

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Nicht weit von Hverir liegt der Krater Víti in der Krafla, ein vulkanischer See (Maar), der von Kieselsäurealgen ganz blau ist und den wir uns, weil es fast auf dem Weg liegt, auch anschauen. Víti bedeutet im Isländischen „Hölle“. In der isländischen Mythologie glaubte man, dass sich hier ein Zugang zur Hölle befand.

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Dem Geruch nach zu urteilen, glaube ich das gern. Und wenn man den Hinweisschildern glauben schenkt, kann man mit einem Schritt auf den falschen Untergrund direkt zur Hölle fahren (naja, ich übertreibe, man kann auf Grund der Instabilität der Kruste einbrechen und in einem Säuresee landen, aber das ist so gut wie zur Hölle fahren).

Um wieder frischere Luft zu bekommen, fahren wir zum Dettifoss, dem größten Wasserfall im Norden Islands. Der Weg dorthin ist wieder eine Schotterpiste und ich bin wieder die Fahrerin. Trotz Todesangst bleibt Michael relativ ruhig, nur ein Mal höre ich ein „Oh mein Gott“. Das kleine Stoßgebet scheint zu helfen, wir überleben schadensfrei. Nur der Angstschweiß fließt mal wieder in Strömen und das Traumwetter mit 24°C und die fehlende Klimaanlage tun ihr Übriges. Doch wir werden belohnt, mit einem beeindruckendem Blick auf den Dettifoss, der schon einen ansehnlichen Canyon in den Felsen gegraben hat.

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Auch hier gibt es wieder kaum Absperrungen – das einzige Warnschild verbietet die Benutzung von Drohnen.

Von hier aus fahren wir durch bis nach Egilsstaðir, der größten Stadt im Osten (ca. 2300 Einwohner). Nur zum Rast machen halten wir an einem der zahlreichen Straßenwasserfälle an.

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Island: Von magischen Nächten und brodelnden Säureseen

Island: Vom Götterfall dorthin, wo die Elfen und Trolle leben

[Mych] Über die einspurigen Brücken, die EINBREIÐ BRÚ, fetzen wir ja zwischenzeitlich schon routiniert wie die Einheimischen. Kurz nach Aufbruch in Richtung Mývatn heute allerdings treffen wir auf ein uns neues ominöses Verkehrszeichen: EINBREIÐ GÖNG steht da, symbolisch untermalt von einem stilisierten Tunneleingang, der genau breit genug für eine einzige stilisierte Autofront ist. Vor uns gähnt ein Loch, in das immerhin noch zwei Fahrspuren führen, aber zwanzig Meter in den Tunnel hinein verengt sich die Straße auf eine schmale Fahrbahn, und die Perlenkette trüber gelber Lichter an der niedrigen Decke des Stollens verliert sich in der stockfinsteren Ferne.

Mulmigen Gefühls fahren wir in das Loch, kurz nachdem ein Kleintransporter daraus hervorgedrungen ist. Wird schon keinen Gegenverkehr geben. Wird schon nicht so lang sein, wie es scheint. Die Brücken sind ja auch recht kurz. Links und rechts der mit Beton überspritzte rohe Fels, die dämmrige Beleuchtung über uns. Ein Auto kommt uns entgegen, aber zum Glück gibt es alle hundert Meter eine Ausweichstelle mitten im Berg. Wir versuchen, die Atmosphäre aus dem Auto heraus ins Foto zu bannen, aber das funktioniert nicht richtig, also bremse ich zum Stillstand ab, nehme den Gang raus, öffne die Tür und schieße untermalt vom protestierenden Piepen des Autos (Zündung noch an! Zündung noch an!) ein besseres Bild, das dem Fahrgefühl da unten immer noch keine Gerechtigkeit tut. Um mich herum plätschert das in die Höhle eindringende Wasser hinter einer provisorischen Abdeckung.

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Unser erstes Ziel des Tages ist der Goðafoss, der Götterfall – der Wasserfall, in den seinerzeit vor tausend Jahren der Gesetzsprecher Þorgeir die alten Götterbildnisse geworfen hatte, nachdem er zu Untersuchung aufgefordert worden war, ob die Isländer dem Christentum beitreten sollten, und schließlich festgestellt hatte, dass dies in der Tat geschehen solle.

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Im nahen Souvenirgeschäft erstehen wir eine hübsche Island-Kaffitasse und zwei Schokoriegel mit Lakritzdrops drin, die sich als sehr lecker erweisen. Kaffee können die Isländer übrigens sowieso gut; das ist sicher dem Umstand geschuldet, dass sie ihn selbst gern trinken, und das offensichtlich gern kräftig und dunkel – nicht zu vergleichen mit dem teeartigen dünnen Gebräu, das wir in vielen der englischen Bed-&-Breakfasts zum Frühstück zu trinken bekommen hatten.

Wir fahren weiter: ins Land der Elfen und Trolle, zu den Dimmuborgir, den dunklen Burgen – wieder mitten in die Lavalandschaft hinein. Hier hatte sich erst ein Lavasee auf nassem Untergrund gebildet, und ausdampfendes Wasser aus dem Boden hatte Schlote erstarrender Lava bis zur Oberfläche des Sees aus geschmolzenem Gestein gebildet; als schließlich die Lava abfloss, blieben die Schlote übrig und bildeten eine bizarre Landschaft aus grotesk geformten scharfkantigen Türmen. Menschen pflanzten im letzten Jahrhundert bodendeckende Pflanzen an, um die Gesteinsformationen davor zu bewahren, vom Flugsand verschüttet zu werden.

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Wir besuchen einen der Trolle in seiner Heimhöhle, Hallaflöt, aber er scheint gerade nicht da zu sein. Ich helfe ein bisschen, in dem ich mein Bestes tue, seinen ziemlich staubigen Boden ein wenig zu fegen.

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In den Dimmuborgir leben übrigens die dreizehn Yule-Gesellen, die Jólasveinar, dreizehn rauhbeinige Söhne der Trolle Grýla und Leppalúði, die sommers schlafen und so um die Weihnachtszeit herum beginnen, die Isländer heimzusuchen. Ihre Namen entsprechen dem, was sie am liebsten tun: Da ist der Skyr-Gierschlund, der Türenknaller, der Fensterglotzer und der Wurststibitzer samt ihrer neun weiteren Brüder ähnlicher Anlagen und Neigungen. Heutzutage sind sie offensichtlich etwas domestizierter geworden – sagt zumindest die Werbeindustrie, die sie dieser Tage auch lieber in rote Mäntel kleidet –, aber daran glaubt natürlich kein wahrer Isländer.

Judith hat noch ein besonderes Schmankerl gefunden: die Höhle, in der Ygritte und Jon gebadet hatten, damals in Staffel 3, jenseits der Mauer. Wir biegen von der großen Ringstraße ab und stehen vor einem verschlossenen Gattertor zwei Kilometer vor dem Ziel, aber das Schild an dem Gatter verbietet tatsächlich nicht etwa den Zutritt, sondern bittet nur ums Wiederschließen des Tors. Wir fahren über eine anderthalbspurige Straße aus gestampftem Vulkanboden, bis wir am Ziel ankommen.

In der Grjótagjá-Höhle ist eine Atmosphäre wie im Dampfbad, und ein Finger ins Wasser belegt Temperierung wir beim gemütlichen Vollbad zu Hause mit Schaum und Rotwein. Baden ist leider seit einigen Jahren verboten – das begann, als die Wassertemperatur aufgrund steigender Vulkanaktivität plötzlich deutlich anstieg und man befürchtete, dass die ganze Region instabil werden könnte.

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Die lokalen Freunde des wonnigen Höhlenbadens wichen einfach auf die nahe gelegene Stóragjá-Höhle aus, der wir als nächstes einen kurzen Besuch abstatten, denn da ist eine Geocache-Box verborgen und der Cache-Owner lädt zum Baden ein. Hier wären wir auch wenigstens unter uns – in Ygrittes Höhle herrschte einiger Publikumsverkehr –, aber wir haben unsere Handtücher im Auto gelassen und tragen uns daher nur ins Logbuch ein, in dem wir beim Durchblättern auf einen Geocacher-Bekannten aus Berlin stoßen; die Welt ist klein.

Schließlich landen wir in unserem Hotel für die Nacht, dem Laxá, das mitten in dem großartigsten Nichts liegt, das wir auf unserer Reise bis jetzt erfahren durften. Wir beziehen unser Zimmer mit Blick auf die kraterübersäte Seelandschaft ein paar Kilometer entfernt, an der wir früher am Tag vorbei gekommen waren; trinken ein Víking-Bier draußen auf der Terasse im Freien in der untergehenden Sonne; nehmen ein fantastisches Abendessen im Hotelrestaurant zu uns; und setzen uns mit dem Rest unserer Flasche Rotwein noch in die Bar, um diesen Blog-Beitrag zu tippen, während wir auf die hinter den fernen Bergen untergehende Sonne hinaus schauen können.

Beim Einchecken hatte man uns gefragt, ob wir eventuell heute Nacht geweckt werden möchten, falls die Nordlichter zu sehen seien – das Wetter sei klar und die Vorhersage gut.

Wenn wir Glück haben, wird unsere Nacht kurz.

Island: Vom Götterfall dorthin, wo die Elfen und Trolle leben

Island: Grábrók-Krater, Glaumbær, Ólafsfjörður

[Maus] Als ich am Morgen die Augen vor noch dem Weckerklingeln öffne, scheint die Sonne schon am Vorhang vorbei in unser Zimmer herein. So tief und erholsam war mein Schlaf schon eine Weile nicht mehr. Nach einem stärkenden Frühstück machen wir uns auf den Weg zu den Grábrók-Kratern, die wir gestern schon vom Hotel aus gesehen haben.

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Die Szenerie ist wie gemalt und wir sind kurzfristig ganz allein auf dem größten der drei Krater, dem Stóra-Grábrók. Man hat eine Holztreppe in den Krater gebaut, damit man besser hinauf kommt.

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Es ist überraschend, wie wenig Absperrungen und Sicherungen es gibt. Dafür findet man überall Hinweisschilder, dass Absturzgefahr herrscht oder Pflanzenschutz beachtet werden muss. Soweit wir das beurteilen können, halten sich wohl die meisten Touristen daran. Jeder scheint auch tatsächlich seinen Müll mitzunehmen – und das, obwohl es nur ganz wenige Mülleimer gibt.

Auf dem Weg nach Ólafsfjörður gibt es kaum besondere Attraktionen, dafür aber umso mehr schöne Landschaft, durch die wir mit gemütlichen 90 km/h fahren. Immer wieder sehen wir Schafhaufen rumliegen und Islandpferde regungslos rumstehen. Wir fahren Richtung Nordosten und machen in Glaumbær Halt.

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Dort kann man einen Museumshof mit Torfhäusern besichtigen. Ein magischer Ort, den man sich unbedingt anschauen sollte, auch wenn der Spaß 1.600 ISK pro Person kostet. Diese winzigen Torfhäuschen erinnern stark an Hobbitbehausungen und alles ist genauso eingerichtet, wie es wohl damals gewesen sein muss. Es ist sehr idyllisch und irgendwie magisch dort. Man möchte am liebsten bleiben.

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Die Sammlung an alten Gebrauchsgegenständen ist zudem beeindruckend und witzig zugleich. Vieles habe ich noch nie in meinem Leben gesehen und so rätseln wir gemeinsam, um am Ende doch nachzulesen, was wir gerade vor uns haben.

Auf dem selben Hof gibt es auch ein kleines Kaffee, wo wir dann auch unbedingt noch Skyr mit Blaubeeren probieren müssen.

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Auf der letzten Tagesetappe machen wir noch einmal Rast in Hofsós, ein Dorf in der Gemeinde Skagafjörður. Dort finden wir altbekannte Steinstelen am Strand. Das erste Mal haben wir diese geologischen Strukturen auf Fife in Schottland gesehen. Diesmal jedoch können wir auch darauf herumlaufen.

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Die von uns gewählte Route zum Ziel führt uns an der Küste entlang. Was wir nicht wissen, dieser Weg ist zu einem großen Teil eine Schotterpiste, wie man sie häufiger, statt einer befestigten Straße, in Island findet. Heute bin ich der Fahrer und darf auch mal Erfahrungen mit diesem schwabbeligen Untergrund machen. Man darf hier nur 80 km/h fahren, aber da komme ich bei weitem nicht ran. Ich schwitze wie schon lang nicht mehr. Taucht dann auch noch ein BLINDHÆĐ-Schild am Straßenrand auf, steigt mein Adrenalin noch weiter an. Nur ein Gedanke hat noch Platz in meinem Kopf: „Was ist wohl hinter dieser Kuppe?“

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Nach einer gefühlten Ewigkeit fahren wir endlich nach Ólafsfjörður rein. Die Straße ist asphaltiert. Zu unserer Überraschung haben wir diesmal kein Hotelzimmer, sondern unsere eigene Hütte mit Hot Tub, das wir selbstverständlich ausprobiert haben.

 

Island: Grábrók-Krater, Glaumbær, Ólafsfjörður

Island: Reykjavik

[Maus] Ich bin platt. Nach einem Wochenende, das schöner nicht hätte erträumt werden können, ging es heute in aller Frühe los in Richtung Island.

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Wir haben uns die Saga Class gegönnt und sind mit Beinfreiheit, leckerem Frühstück, Decke, Kissen und einem einzigen weiteren Fluggast in unserer Klasse geflogen. Völlig tiefenentspannt sind wir in Kevlavik gelandet und haben unseren Mietwagen am Flughafen abgeholt; ein silberfarbener Škoda Fabia. Dem aufmerksamen Leser unseres Blogs fällt natürlich sofort auf, dass wir dieses Auto auch schon in England gefahren haben.

Die Fahrt nach Reykjavik übernimmt Michael. Die Straße führt durch eine Mondlandschaft ohne Bäume. Auf halber Strecke entdecken wir Strukturen, die aussehen, als hätte die Erde Blasen geschlagen. Wahrscheinlich ist genau das passiert. Nach einer guten Dreiviertelstunde kommen wir in unserem Hotel an und haben eigentlich noch drei Stunden bis zum Check-in. Man gibt uns einfach ein Zimmer, das schon aufgeräumt ist. Da wir inzwischen trotz Frühstück im Flugzeug hungrig sind, beschließen wir, im Restaurant nebenan zu Mittag zu essen.

Der Tag ist noch jung, und obwohl wir beide müde sind, ziehen wir nach unserer Stärkung los, um die Stadt zu erkunden. Es zieht uns zunächst an den noch ursprünglichen Strand von Reykjavik, von dem aus man einen guten Blick auf den Hafen hat. Hier befindet sich außerdem das Sigurjón Ólafsson Museum, um das herum lauter Skulpturen stehen. Überhaupt findet man in Reykjavik viele Skulpturen. Man könnte vermutlich den ganzen Tag damit zubringen, Skulpturen anzuschauen.

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In der Ferne entdecken wir die Harpa und schlendern am Wasser entlang darauf zu, lassen uns treiben und genießen die Seeluft. Der Landnámssýningin (The Settlement Exhibition Reykjavík 871±2) statten wir einen Besuch ab, zum Vergleich mit dem Jorvik Discovery Centre in York. Im Keller hat man vor ein paar Jahren bei Ausgrabungen die Überreste einer Siedlung aus der Wikingerzeit entdeckt. Durchaus interessant, aber die Ausstellung is klein und unaufgeregt. Verglichen mit Jorvik ist es nur so lala.

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Wir gönnen uns am Hafen einen Kaffi und dazu Möhrenkuchen und spüren deutlich, wie sich Erschöpfung breit macht. Doch das ignorieren wir und weiter geht es mit der Erkundungstour. Die führt uns zur Kathedrale, die sehr schlicht, aber trotzdem beeindruckend ist. Dort machen wir unsere leichteste Turmbesteigung mit, nämlich per Lift. Von dort oben hat man einen herrlichen Ausblick auf die Stadt und die vielen bunten Häuschen. Doch die Erschöpfung lässt sich nun kaum mehr abschütteln und wir kehren ins Hotel zurück mit der Idee, später noch einmal in das Stadtzentrum zum Abendessen zurückzukehren.

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Tja, nach einem Stündchen Augenausruhen ist das Abendessen gestrichen. Wir gehen heute nirgends mehr hin. Außer vielleicht in die Lobby, um was zu Knabbern zu holen. Morgen, wenn wir wieder frisch sind, arbeiten wir an den Abenteuern.

Island: Reykjavik

Küste der Träume

[Maus] Ich wache vor dem Weckerklingeln auf. Unser letzter Tag in Cornwall ist angebrochen und begrüßt uns mit strahlendem Sonnenschein. Als ich hochgehe in unser Wohnzimmer, hat Viviana bereits unsere Balkontür weit geöffnet, um die frische Seeluft hereinzulassen und den Geruch von Bier und kaltem Fudge vom Vorabend zu vertreiben.

Lizard Point, unser heutiges Tagesziel, ist der südlichste Punkt Großbritanniens. Die Fahrt führt uns über unsere inzwischen heißgeliebten engen Sträßchen, die sich durchs Heckenlabyrinth winden. Michael hat das Weit-links-Fahren perfektioniert, kleine Zweige streifen immer wieder unser Auto. Trotzdem ich immer wieder zusammenzucke und merkwürdige Laute von mir gebe, bleibt das Auto völlig unbeschädigt.

Am Ziel liegt uns eine steile und rauhe Felsküste zu Füßen. Oberhalb der Klippe sind die Felsen bewachsen mit allerlei seltenen Pflanzen, die Sonne küsst die Küste, fast wolkenloser Himmel – ein herrlicher Spätsommertag.

Natürlich nutzen wir den Tag auch wieder, um Dosen zu fischen (Geocaching). Ich suche in der Nähe einer kleinen Hütte des National Trust und als ich nichts entdecken kann, werde ich von einem Seeräuber (oder jemandem, der so aussieht) in Unterhemd und schmutzigen, aber bequem aussehenden Cargohosen angesprochen, was ich denn in dieser Ecke suche. Verdutzt blicke ich den Mann an und gestehe, dass ich nach einer Dose suche, und hoffe, er will mir nicht ans Schlawittchen. Er grinst, greift in die Ecke. Hinter einem Vorhang aus dickblättrigen Pflanzen zieht er die Dose hervor. „Da oben ist auch noch eine.“ sagt er und deutet mit dem Finger zum Leuchtturm. Ich bin erleichtert; so leicht war Dosenfischen noch nie.

Wir wandern zum Strand hinunter; ein Earthcache macht uns auf die vielfältigen geologischen Besonderheiten aufmerksam. Glimmerschiefer, Gneis und Serpentinit, und vom Meer ausgehöhlte Felsen, die uns mal wieder zu Höhlenforschern werden lassen, kann man hier entdecken.

Als wir gerade noch eine der Höhlen erforschen, hören wir Rufe von draußen: „Hier sind Seehunde.“. Als ich draußen bin staune ich – oh, das sind Seehunde? Ich wundere mich über die merkwürdige Form der Flossen, und plötzlich gibt es Entwarnung. Doch keine Seehunde – nur Taucherrobben. Keine zwei Minuten später taucht ein Kopf aus dem Wasser hoch, dann ein großer grauer Bauch. Endlich – ein richtiger Seehund. Immer wieder guckt er aus dem Wasser heraus, taucht wieder unter, streckt dabei seinen Bauch aus dem Wasser heraus. Es ist eine Wonne, ihm zuzuschauen.

Bald brechen wir auf, denn die Flut überspült langsam das kleine Stück Strand auf dem wir uns befinden. Eine zweite geologische Besonderheit wartet keine 700 Meter entfernt von dem kleinen Strand darauf, von uns entdeckt zu werden. Ein Stückchen von der Klippe entfernt, auf der wir stehen, ragt mitten aus dem Meer eine steinerne Stele, ein sogenannter Brandungspfeiler. Wir breiten unsere Decke aus und machen eine kleine Pause, um alle Datenpunkte zu erfassen, die wir für diesen Earthcache brauchen, uns auszuruhen und an dieser Traumküste ein wenig die Seele baumeln zu lassen.

Plötzlich höre ich wieder: „Seehunde“. Michael und Viviana rennen ausgerüstet mit Kameras den steilen Abhang hinab, um vielleicht noch mal ein Bild von diesen wunderbaren Meeresbewohnern zu bekommen. So, wie wir den Urlaub begonnen haben, endet er auch: mit Seerobben. Sie in freier Wildbahn zu sehen, macht mich besonders glücklich und ich hoffe, dass ihr Lebensraum hier an der der wilden Felsküste von Cornwall erhalten bleibt. Der Tag, die Küste, alles ist perfekt.

Zum krönenden Abschluss bestellen wir in dem kleinen Café direkt am Lizard Point Cornish Cream Tea für alle. Wir bekommen jeweils zwei noch warme Scones pro Nase, eine Schale voll mit Marmelade und eine mit herrlich fluffiger Clotted Cream. Die Kellnerin teilt uns mit, dass wir soviel Nachschlag an Marmelade und Clotted Cream bekommen können, wie wir wollen. Aber nach der zweiten Portion müssen wir aufgeben.

Zurück am Heimatstrand in Maenporth genießen wir noch die letzten Sonnenstrahlen, Burkhard und Michael suchen den am Strand versteckten Geocache, Viviana schreibt die letzten Urlaubskarten, Magdalena und ich suchen den Strand nach Schätzen ab. Magdalena will unbedingt barfuß am Strand laufen, damit sie mit den Füßen ins Wasser kann. Ich verzichte, denn wir waren gerade erst im Schwimmbad und ich bin frisch geduscht.

Erst jetzt sehen wir, dass es an „unserem“ Strand auch eine Höhle gibt, die selbstverständlich noch erkundet werden muss, bevor wir uns in unser Domizil zurückziehen – ein letztes Mal, bevor es morgen nach Hause geht.

Küste der Träume

Die Muschelsucher

[Mych] Der steinerne Weg erstreckt in einer sanften Kurve weg vom felsigen Strand, weg von der Küste vor Marazion. Kleine Wellen schwappen gegen die behauenen Steinblöcke, die den Rand des Wegs ausmachen; links und rechts davon von der See abgeschliffene Felsen im Sand, überwachsen von Algen und besetzt mit Muscheln, umspült von den paar Fingerbreit Meerwasser, die von der Ebbe noch übrig sind.

In der Entfernung, am anderen Ende des Wegs, fast einen halben Kilometer draußen im Meer, zeichnet sich die Silhouette einer Insel gegen den Himmel ab; auf einem Sockel von Felsen, mit sanft ansteigenden Flanken von Gras und Baumwipfeln, gekrönt von einem majestätischen Bauwerk mit Zinnen, Türmchen und Kaminen: St Michael’s Mount.

Wir sind um der Gezeiten willen früher als sonst aufgestanden und marschieren gemeinsam über den dreieinhalb Meter breiten gepflasterten Weg, der bei Niedrigwasser die Insel mit dem Festland verbindet. Magdalena klettert, meistens an Judiths Hand, lieber zwischen den Steinen neben dem Weg herum und findet Seetang, Steine, Muscheln und Schneckengehäuse, die sie stolz und aufgeregt allen präsentiert, die in der Nähe sind.

Auf zwei Drittel des Wegs zur Insel müssen wir einige Schritte weit auf den Randsteinen des Wegs entlang balancieren, denn die Steine dazwischen fehlen, und die nahende Flut hat den Untergrund bereits mit einer Schicht Wasser bedeckt; den Rückweg werden wir auf diese Weise nicht mehr antreten können. Später erfahren wir, dass diese Schäden jüngeren Datums sind: Erst letztes Jahr war dieser Abschnitt des Wegs bei einem Sturm von den peitschenden Wellen aufgebrochen und weggeschwemmt worden – allzu weit waren die Steinblöcke im seichten Wasser um den Weg herum nicht gekommen, aber die endgültige Reparatur steht noch aus.

Wir erreichen rechtzeitig das gezeitensichere Terrain der Insel. Bis wir die Burg an ihrer Spitze und ihre Gartenanlagen besichtigen können, müssen wir noch eine gute Stunde warten, und verbringen die Zeit damit, uns umzuschauen: Eine Mole umschließt einen kleinen Hafen, in dem ein paar kleinere Boote zurzeit noch auf feuchtem Sand liegen und auf die Flut warten. Zwei nette kleine Insel-Shops haben schon offen und laden zum Stöbern ein.

Irgendwann öffnet auch der Ticket-Shop, und wir machen uns auf den Weg nach oben in Richtung der Bergspitze; vorbei am Herz des grausamen Riesen, der der Legende nach von einem tapferen jungen Mann aus Marazion namens Jack mit einer List in eine Falle gelockt worden war, und das wir auf unserem Hinweg leider noch nicht zwischen den Steinen finden können; später, als wir wieder herunter kommen, haben wir mehr Glück und entdecken es, eingebettet zwischen den runden, unregelmäßigen Pflastersteinen des Wegs.

Der Pfad bergauf ist steil und windet sich hin und her, kommt an Mauerwerken in Richtung See vorbei, die teilweise nur den Absturz auf die Felsen weiter unten verhindern sollen, teilweise aber auch mit Kanonen ausgestattet sind, die ihrerzeit napoleonische Kriegsschiffe in die Flucht schlugen; ihr moderneres Äquivalent aus dem Zweiten Weltkrieg, die Pillbox genannten Maschinengewehrbunker, finden wir später viel weiter unten und viel näher am Ufer.

Die Burg ist verwinkelt und eng und schön und gut erhalten, und ungewöhnlicherweise machen die Konservatoren dieses Gemäuers und seines Inventars einen Punkt daraus, zu erläutern und zu zeigen, wie aufwendig es ist, all diese alten Dinge in präsentablem Zustand zu erhalten: Wir finden kleine, farbige Textilquadrate, ihr Rand von einem breiten Papprahmen abgedeckt – eines dieser Konstrukte dürfen wir anfassen und öffnen; zwei Wochen nur war es dem Umgebungslicht ausgesetzt, sagt die Aufschrift, und schon ist aus dem kräftigen Blau ein helles Graublau geworden. In fast jedem Raum entdecken wir HumBugs – digitale Luftfeuchtemesser. Ein fest verschraubtes Marmeladenglas voller Staub demonstriert, wieviel Schmutz hier jeden einzelnen Tag weg gesaugt wird, bevor die ersten Besucher eintreffen, und bevor sich der Staub zusammen mit der vom Meer aufsteigenden Luftfeuchtigkeit zu einer zementartigen Substanz verbindet und alles, auf dem er sich niederlegt, korrodieren lässt.

Fast am höchsten Punkt der Burg befindet sich die Kapelle, und darin entdecken wir an einer Wand eine kleine Skulptur meines Namensgebers – und dessen der Insel, auf der wir stehen –, des Erzengels Michael, in seinem Triumph über Satan; ein Motiv, das uns nicht ganz unbekannt vorkommt.

Wir verlassen die Burg und gehen im schönsten Sonnenschein wieder den Abhang herunter (und finden jetzt endlich das Herz des Riesen zwischen den Steinen; aber es pocht leider nicht, wie es die Legende will, zumindest nicht unter unseren Fingern).

Unten, bei dem kleinen Hafen, in dem die Boote leise in der Flut schaukeln, finden wir den Eingang zu den Gärten, die sich zunächst als wohlgeschorener Rasen am leicht ansteigenden Abhang darstellen. Wir wandern auf dem Gras entlang dorthin, wo der Abhang und der felsige Sockel der Insel aufeinander zu stoßen scheinen, und treffen auf einen engen Pfad zwischen den Pflanzen, der uns in Windungen, durch kleine schmiedeeiserne Tore und steile Treppenstufen aus Felsbrocken hoch und herunter durch eine wunderschöne Gartenanlage führt, die sich an die Flanken der Insel anschmiegt. Bei einer Bank, mit dem Felsen und der Burg im Rücken, zu unseren Füßen der Atlantik, um uns herum Sträucher und kleine Bäume, deren Blätterdach uns Schatten spendet, machen wir eine Rast und verzehren ein paar Weintrauben, Apfelschnitze und Kekse, bevor wir uns auf den Rückweg machen.

Der Weg weg von der Insel zurück ans Festland über den steinernen Weg ist uns jetzt von der Flut versperrt; aber man kann sich in einem offenen Motorboot übersetzen lassen. Zuvor sammeln wir noch die beiden Hinweise für einen Geocache ein und spendieren uns allen Cornish Ice Cream – ich: eine Kugel Schokolade und eine Kugel „Honigwabe“; ein phänomenaler Genuss, aber nicht ganz unkompliziert zu verzehren, denn die Eiswaffel wäre schon mit einer einzigen Kugel dieser Größe völlig überladen gewesen, und ich habe trotz des kräftigen kühlen Winds größte Mühe, die cremige Masse auf allen Seiten gleichzeitig am Tropfen zu hindern.

Wir vertilgen unser Eis und wandern zum Hafen und zum Ende der Mole, steigen in das wartende Motorboot und lassen uns übersetzen. Die Fahrt dauert nur ein paar Minuten, während derer der Bootsführer, der am Heck des Boots steht und das Ruder bedient, unser Fährgeld kassiert. Nach dem Anlegen wandern wir noch ein Stückchen durch den Ort Marazion und dann zum Strand hinunter, um unseren Geocache zu finden. Den Rückweg zum Parkplatz würden wir am liebsten über den Strand gehen, aber die Wellen der Flut schwappen an einigen Stellen bis dicht an die Geröllhaufen am Kliff, das den Strand in Richtung Inland begrenzt.

Bevor wir zurück nach Hause fahren, machen wir noch einen Abstecher nach St Ives – einmal quer durchs Land von der Südküste an die Nordküste von Cornwall, die hier gerade mal zehn Kilometer voneinander entfernt sind. Wir setzen uns dort an den Strand in die Sonne und flüchten kurz danach für zehn Minuten unter einen Baum, um einem Regenschauer zu entkommen; in der Sonne, die danach wieder hervorkommt, wandern wir weiter durch den Ort, am Meer entlang über kopfsteingepflasterte Wege, finden einen Virtual um seines Seltenheitswerts willen, drücken uns an Schaufenstern die Nase platt, kaufen Fudge in einem winzigen Laden von einer liebenswürdigen älteren Dame, die jeden ihrer Kunden mit „dear“ anspricht (sie sagt, der Fudge hält bei Zimmertemperatur sechs Monate, aber das glaube ich nicht – er ist sicher morgen schon weg); beobachten ein paar wackere Schwimmer im 13 Grad kalten Wasser in Neoprenanzügen und einen noch wackereren ohne; ein paar Hunde, die wonnig ins Wasser springen, und ein paar Möven, die immer näher an uns heran hüpfen und trotzdem nichts von unserem Fudge abbekommen.

Irgendwann müssen wir zurück zum Auto und fahren nach Hause; müde, glücklich, mit glühenden Wangen von der Sonne, die wir heute abbekommen haben, und mit Muscheln und Erinnerungen und dem besten Fudge in der Tasche, das wir je hatten. So ein schöner Tag.

Die Muschelsucher

Ruf der Vergangenheit

[Fifi] Sechs Uhr im Paradies, die Sonne bahnt sich ihren Weg. Langsam färbt das erste Licht den Himmel in rot, rosa, orange, gelb …

Die Luft ist frisch, riecht nach Salz und Meer. Das noch feuchte Gras unter meinen Füßen fühlt sich kalt und doch erfrischend an. Mein Blick schweift über die Bucht, in seichter Bewegung gleiten die Wellen an den Strand. Ich bin nicht die Einzige, die den atemberaubenden Sonnenaufgang genießt, ein einsamer, mutiger Schwimmer läuft langsam ins Meer, mit jedem Schritt scheint er dem Morgen und der Sonne ein wenig entgegen zugehen. Ich sauge jede einzelne Sekunde dieses einmaligen Spektakels in mich auf, ständig verändert sich das Licht, zaubert tausende Farben an den Himmel und taucht alles andere auf der Welt in ein wunderschönes Licht. Die Blumen, Bäume, Gräser alles erscheint mir noch schöner als sonst – So ist es im Paradies…

… doch heute ruft die lange Vergangenheit Cornwalls nach uns. Wer sich mit der Geschichte Cornwalls beschäftigt, kommt am Bergbau nicht vorbei. Unser Weg aus dem Paradies führt uns heute in die Geevor Tin Mine

Nach einer guten Stunde Fahrt auf wirklich für englische Verhältnise breiten komfortablen Straßen, mal abgesehen von den vielen Roundabouts und Double-Roundabouts und den eher unprofessionellen Fahrfähigkeiten der anderen Verkehrsteilnehmer, kommen wir an.

Die nette Lady am Empfang löst unsere Tickets und händigt uns einen Lageplan aus. Zusätzlich sollen wir uns aus den bereitstehenden Kisten formschöne Schutzhelme aussuchen. Damit ist also heute mal ausgeschlossen, dass die Frisur bis zum Ende hält, aber der Wind hätte eh ganze Arbeit geleistet. Der Halblingskopf ist eher sehr klein. Wir probieren alle Größen von Kinderhelmen aus, keiner will so richtig passen. Ein zusätzlicher Kinngurt verhindert dann letztendlich das Abrutschen des Schutzhelmes.

Wir beginnen unsere Tour auf dem Gelände, arbeiten uns von Haus zu Haus.

Compressor House – große Maschinen reihen sich auf, alles was benötigt wird, um den Fels zu bezwingen, um später die Löcher zum Anbringen der Sprengladung zu erhalten. Winder House – wir sehen Winden die zur Beförderung der Kumpels in die Tiefe und wieder zurück verwendet wurden. Weiter geht’s an mehreren Werkstätten, einer Schmiede, Erste-Hilfe-Raum, Aufenthaltsraum, dem Labor, wo die Mineralien auf ihre Zusammensetzung getestet wurden.

Hard-Rock-Museum – Hier kommen nun alle auf Ihre Kosten: Der Halbling folgt den beiden Katzen Basil und Skraggs (die übrigens da wirklich gelebt haben) durch die Ausstellung und macht sich an allen interaktiven Exponaten zu schaffen. Aber auch wir Großen freuen uns über die anschaulichen Experimente, in denen uns gezeigt wird, wie der Abbau von Zinn funktioniert. Im Kino werden uns Zeitzeugenberichte gezeigt, die uns veranschaulichen, wie hart die Arbeit unter Tage ist, und wir sind tief bewegt von den Berichten, als die Kumpel von der Schließung der Mine erfahren.

Ich mache mir meine Gedanken … Ganz Cornwall lebt seit Generationen vom Bergbau – wie muss es sein, plötzlich seiner Existenz beraubt zu sein, seine Familie plötzlich nicht mehr ernähren zu können … Bei mir macht sich ein beklemmendes Gefühl breit. Den Anderen gehts ähnlich. Das Gefühl wird nun noch verstärkt, als wir im Dry House sehen wo die Kumpel ihre Sachen verstaut haben, sich nach der schweren Arbeit geduscht haben, sich vom Dreck der Mine befreit haben; alles ist getränkt von rotem durchdringendem Dreck, wir sehen jedoch auch wie ihr Zusammenhalt bis heute noch anhält.

Die Zeit verrinnt und unsere Mägen verlangen nach Nahrung, im Count House Cafe, speisen wir nach Bergmanns-Art. Jeder von uns verspeist eine Pasty (in Teig gebackene Kartoffeln mit Kohl, Rüben und Fleisch oder Käse – die Kumpels haben die Pasties mit unter Tage genommen und dort kalt verspeist), die Männer mit Fleisch die Frauen mit Käse, der Halbling ein Törtchen und ein halbes Käse-Sandwich.

So gestärkt, geht es weiter. The Mill – wir folgen dem gelben Weg, der Halbling mimt den Fremdenführer und erklärt an jeder Biegung gekonnt und ausführlich den weiteren Weg. Vorbei geht es an Laufbändern mit Steinen, an einer Trommel in der das Gestein zerkleinert wird, an riesigen Rütteltischen, über die Wasser fließt, um den Sand und die Bodenschätze voneinander zu trennen.

Wie laut muss es hier früher gewesen sein? – Einer der Rütteltische ist in Betrieb, das Gerüttel erfüllt die ganze Halle mit dem immer gleichen lauten schrr, schrr, schrr … 25 Jahre sind vergangen, seit hier gearbeitet wurde, ein Lost Place, wie er im Buche steht, der gelbe Weg schlängelt sich Berg ab immer weiter nach unten. Der Halbling fragt, ob wir nun endlich unter der Erde sind, kann es kaum erwarten, aber nein – die Sonnenstrahlen fallen durch die kleinen Ritzen in den Wänden. Am Ende des gelben Weges werden wir erwartet; man bietet uns Kittel an, um unsere Kleidung zu schützen; die Wartezeit dürfen wir mit „Goldwaschen“ überbrücken. Der Halbling ist außer sich vor Freude, wähnt sich schon in Reichtum, fast Zwergen gleich.

Ein älterer Herr begrüßt uns, möchte mit uns in die Wheal Mexico Mine – er heißt Mike. Wir wandern bergab, bleiben vor einen Minen-Eingang stehen. Mike berichtet über den Aufbau der Mine, die senkrechten Gänge und die davon abgehenden Gänge, die immer von West nach Ost und von Nord nach Süd gehen. Einige Gänge gehen bis unters Meer, andere bis oben zur Hauptstraße, das Grundwasser muss ständig abgepumpt werden.

Wir wagen die ersten Schritte in die Mine, Mike bittet uns auf unsere Köpfe acht zu geben. Wie die Sieben Zwerge + Mike setzen wir uns in Bewegung. Es dauert nicht lange, da hört der Halbling und ich das erste Mal, wie ein Helm an den Fels pocht. Mike attestiert dem Halbling die perfekte Größe. Immer tiefer geht’s in den Fels, es wird enger. Die Decke wird niedriger, wir Großen laufen geduckt. Mike bleibt einige Male stehen, um uns Details zur Mine zu zeigen oder von der Arbeit der Bergleute zu berichten. Judith tropft eiskaltes Grundwasser in den Kragen …

Es ist bedrückend, ich fühle mich eingeengt, wie konnten die Kumpel das nur einen ganzen Arbeitstag aushalten? Es ist schummerig, ich sehe nur Umrisse, Mike leuchtet mit einer kleinen Lampe hin und her, um uns Details zu zeigen. Er sagt, die Kumpel haben manchmal Ihre Kerzen ausgeblasen, um Sauerstoff zu sparen, um dann im Dunkeln weiterzuarbeiten … was?! – ich fühle mich schon mit dem wenigen Licht unwohl.

Es wird noch enger, der Schacht ist nun schräg in den Fels gehauen, es wird noch nasser, auch der Halbling eckt an … Ich sehe Tageslicht … Wir treten wieder aus der Mine heraus, frische Meeresluft dringt in meine Nase, ich richte mich auf, fühle mich befreit … Was bleibt, ist dieses bedrückende Gefühl, das Mitgefühl für die Menschen die hier unter schwersten Bedingungen gearbeitet haben und dann am Ende nur einen f… Händedruck bekommen haben …

Am Ausgang legen wir unsere liebgewordenen Schutzhelme ab. Es fühlt sich an wie das umschlagen einer Buchseite im Fotoalbum. Wir zwängen uns in unseren kleinen Fabia und fahren zurück ins Paradies …

Ruf der Vergangenheit

Brombeeren der Begierde

[Maus] Der graue Himmel, mit tiefhängenden schweren Wolken, die sich mühsam über den Strand in Richtung Meer wälzen, begrüßen uns am Morgen. Den Tag wollen wir heute entspannt angehen und nachholen, was wir gestern nicht mehr in unseren ereignisreichen Tag unterbringen konnten.

Es ist stürmisch, und Pendennis Castle versteckt sich hinter den saftig grünen Hügeln und schroffen grauen Klippen. Erst als wir fast angekommen sind, können wir einen ersten Blick erhaschen. Königlich thront die Festung auf den Felsen und man blickt über das Meer, hat das Meer und die Buchten im Blick. Die Festung, umgeben von Brombeerhecken, der Innenhof weitläufig und grün, lädt zum Flanieren ein. Der leise feintropfige Landregen, der von Zeit zu Zeit auf uns herabregnet, malt einen Regenbogen nach dem anderen in den immer noch wolkenverhangenden Himmel.

Mein Haar weht mir ins Gesicht, als ich das Gelände erkunde. Viele kleine Räume, versteckte Gänge und zahlreiche andere entdeckenswerte Dinge wecken in uns die Abenteuerlust. Wir genießen immer wieder die traumhafte Aussicht und die Brombeeren, die hier überall wachsen. Die Vorführung einer Kanone um 12 Uhr bringt uns in die richtige Stimmung, um den Rest des Geländes, das von Kriegszeiten berichtet und das Grauen dieser Zeiten Nahe bringt, entdecken zu wollen.

Doch gerade die Gebäude aus der Zeit von Henry VIII haben auch eine anrührende Seite. Kleine Wendeltreppen führen in die einzelnen Etagen und einige Räume laden regelrecht dazu ein, ausgelassen zu tanzen und zu singen. Ob das wohl damals auch so war? Kleine rosa papierene Herzchen liegen vor dem mittelalterlichen Fort. Dieser Ort verlangt nach einem romantischen Fest.

Wie aus heiterem Himmel ändert sich das Wetter, der Wind beruhigt sich zu einer sanften Brise, die dicken Regenwolken, die im Zehnminutentakt über uns hinwegfegten, sind plötzlich verschwunden und die Sonne scheint uns in unsere bereits sonnengebräunten Gesichter. Wir beschließen, unserer Abenteuerlust nachzugeben und gehen auf Entdeckertour (neudeutsch: Geocaching).

Der Halbling ist erschöpft und lässt sich den steilen Hang hinauf tragen, halb erwarte ich, dass Viviana zusammen mit dem Halbling den Abhang hinabrutscht. Doch wir erreichen unser Ziel unfallfrei und können den Geocache-Container mit Hilfe einer kleinen Winde vom Baum herhunterholen. Doch damit nicht genug, wir steigen den Abhang wieder hinunter, um diesmal direkt am Meer über die schroffen und rutschigen Felsen zu klettern. Der Halbling ist plötzlich nicht mehr müde und steigt mutig voran, bis sie schließlich abrutscht und mit dem Knie im Schlamm landet. Doch statt des üblichen Dramas fängt sie sich schnell, denn auch sie ist im Abenteuerfieber und Dose Nummer zwei soeben geborgen worden.

Wir wandern zurück, um uns den kleinen Dennis noch anzuschauen. Modderlena und ich klettern noch ein letztes Mal über die am Meeresrand liegenden schroffen Strukturen. Wir kehren als erfolgreiche Entdecker und Abenteuerer in unsere heimelige Unterkunft zurück.

Brombeeren der Begierde

Der Erde so nah

[Mych] Die stürmische Brandung schlägt in der Entfernung gegen die Klippen; die Gischt der windzerzausten Wellen hüllt die Felsen in einen feinen Nebel wie einen Schleier.

Die Tasse in meinen Händen wärmt meine Finger, verströmt den willkommenen Duft frisch gebrauten Kaffees, der uns für die Anstrengungen des Tages stärken soll – die Abenteuer, denen wir uns heute aussetzen werden. Mein Blick schweift von der nahen Bucht in die Ferne, zu dem Leuchtturm, der unbeirrt sein Lichtzeichen gibt, an–aus, an–aus, treu und standhaft den Seefahrern ein Freund, und zu dem fast verloren wirkenden Segelboot, das sich aus der schützenden Nähe des Ufers hervorwagt in die kalten und unerbittlichen Weiten der See.

Der Rat hat gesprochen; die Entscheidung ist getroffen. Wir werden heute zu einer Exkursion gen Nordosten aufbrechen, nach Saint Austell, wo das Eden Project seinen Sitz hat. Wir packen unsere Vorräte, unsere nötigsten Ausrüstungsgegenstände, unsere Jacken und Taschen. Der Wagen fährt uns über gewundene Straßen, kreiselt durch Roundabouts, bringt uns über Hügel und Täler; wir waren gewarnt worden, nicht den kürzeren, gefährlich sich windenden Zuweg zu nehmen, den TomTom uns sicherlich führen würde, sondern die gut ausgebaute Straße den Schildern nach, und werden mit sechs Minuten der Verzögerung bestraft.

Endlich sind wir da. Der Wagen steht auf „Plum 3“. Wir prägen uns die Frucht und die Zahl ein – die Frucht: eine Pflaume, keine Limone, keine Banane; die Zahl: eine Drei, keine Vier, keine Zwei – die Fünf scheidet völlig aus. Unerträglich ist die Vorstellung, am Ende des Tages unseren Wagen womöglich nicht wiederfinden zu können, alleine dazustehen ohne unser treues Gefährt, unseren Skoda, der uns schon so weit auf unseren Reisen begleitet hat. Es sind einige Schritte bis zum Eingang von Eden; auf dem Weg treffen wir eine kleine Gruppe von Mitreisenden von einer anderen Frucht (oder Zahl), wie wir auf der Suche nach dem Zentrum, die sich dankbar von uns führen lassen, wiewohl auch wir nur raten können, welcher Weg der rechte ist.

Wir verlassen das Besucherzentrum in den Sonnenschein und erblicken die majestätischen Dome von Eden, die filigran wirkenden geodätischen Kuppen aus Thermoplastik und Stahl, die sich in die Tiefe der ehemaligen Kaolingrube schmiegen.

Ein sanft ansteigender Weg führt inmitten der Pflanzen entlang des Umkreises des Talkessels, bringt uns zu Konstrukten mit Informationen über den Kaolinabbau; zu einer kleinen Kuppel aus aufgeschichteten Steinen, in deren einzigem Lichtschacht eine Spinne ihr Netz gebaut hat; zu einer Hand, deren steinerne Finger aus dem hohen Gras kryptisch auf ein unerblickbares Ding deuten; zu einer überlebensgroßen Frau, die sich im Schatten der Bäume räkelt, ihre von Spiegelscherben gezierte rechte Gesichtshälfte kess gen Himmel gerichtet, die durch das Laubwerk scheinenden Bündel von Sonnenstrahlen reflektierend.

Wir begeben uns zur Talsohle und betreten das Gebäude, das die Lücke zwischen den gewaltigen Domen ausfüllt. Essen gibt es hier, und ja, es wäre uns willkommen, denn inzwischen ist die Mittagszeit gekommen und wieder gegangen; aber die Verlockungen halten uns nicht hier, sondern ziehen uns zur rechten Hand in die mediterrane Kuppel, die ein weiteres Restaurant verspricht – Paella, Pasta, Pizza soll es dort geben, die Schätze der Küche der Mittelmeerküste. Unsere Speisen sind wohlschmeckend und elegant angerichtet; eine Wohltat; ein Genuss. Kleine Vögel fliegen uns über die Köpfe, picken Krümel vom Boden, sitzen zwitschernd auf den Lehnen der leerer Stühle am Nachbartisch oder schauen uns keck an.

Wir beenden unser Essen und machen einen Rundgang durch das Gelände im Inneren der Kuppel – eine andere Welt; nur die Sonne am Himmel ist die gleiche. Wir sehen Pflanzen, die es sonst nirgends in Großbritannien geben kann; Weinreben, die man in Südfrankreich, Spanien, Italien erwarten würde; die Maquis, die den französischen Widerständlern im Zweiten Weltkrieg ihren Namen gab – jene, die sich in den unwegsamen, unwirtlichen Buschwäldern ihres Heimatlands verborgen hatten.

Der Weg zur anderen Kuppel führt erneut durch das verbindende Gebäude, zu einer elektrischen Schiebetür, die sich öffnet, als wir uns ihr nähern. Ein kräftiger Windstoß, fast eine Sturmböe, weht uns von achtern an, drängt uns gleichwohl in das tropische Biom. Unten ist es noch fast kühl, doch der Weg windet sich nach oben, an einem Teich vorbei; an den übergroß erscheinenden Pflanzen, die es nur in den wilden, wuchernden, lebensprallen Wäldern der Tropen gibt; immer höher geht es, immer drückender und feuchter wird die Atmosphäre, treibt uns den Schweiß auf die Stirn, lässt unsere Schritte immer träger werden.

Wir sind fast oben, können auf einer holzbeplankten Brücke durch die Wipfel der Bäume gehen – müssen bedauernd lesen, dass uns der Zugang zur Observationsplattform am höchsten Punkt der Kuppel verwehrt bleibt; vierzig Grad habe es dort, fast vierzig Prozent Luftfeuchte; zu groß das Risiko, dorthin zu gehen. Der Weg spaltet sich, bietet einen leichten Weg nach unten oder eine steile Treppe. Wir wählen den Weg zur Treppe und kommen an einem tosenden Wasserfall vorbei, von dem der wilde Bach gespeist wird, der sich durch den ganzen Lebensraum zieht, gekapselt in einer Hülle von Stahl und Kunststoff.

Die Stufen bringen uns wieder hinab; hinunter in mildere atmosphärische Schichten, vorbei an Installationen, die über die Schätze des Regenwalds informieren, an Bananenstauden und zum Trocknen gehängten Rohkautschukbahnen, zurück zu der elektrischen Schiebetür, bei der uns der vertraute und willkommene Wind entgegen weht und uns die Kühle verschafft, derer wir so lange entsagen mussten.

Der Erde so nah