[Mych] „The Three Chimneys and the House Over-By“ passierte gestern noch, nachdem Judith ihren Blog-Beitrag geschrieben hatte; darum erzähle ich jetzt davon.
Auf Skye was Nettes zum Abendessen zu finden ist nicht ganz simpel, denn alle Restaurants sind normalerweise schon auf Wochen ausgebucht. Am ersten Abend hatten wir glücklicherweise noch kurzfristig einen Tisch im Restaurant gegenüber unserem B&B bekommen (und sehr leckeres Huhn mit Haggis gegessen); für gestern Abend hatte uns Nicky, unsere sehr nette B&B-Gastgeberin, einen Tisch in „The Old School Restaurant“ besorgen können, in dem wir einen fantastischen Meeresfrüchteteller bekommen hatten; und für gestern, unseren letzten Abend auf Skye, waren wir der Empfehlung eines Freunds/Verwandten aus London gefolgt und hatten eine Reservierung bei „The Three Chimneys“ gemacht. „Ohh, how posh!“, kommentierte Nicky mit erhobener Augenbraue. Der einzige noch freie Tisch war um Viertel vor zehn verfügbar – großzügig Zeit nach unseren Tagesbeschäftigungen.
Um halb neun holte uns Donda mit seinem Taxi ab und entpuppte sich als sehr netter, sehr höflicher älterer Herr im grauen Tweed-Jackett, der uns die Tür zu seinem Wagen aufhielt und sich mit uns auf der zehnminüten Fahrt nett unterhielt.
„The Three Chimneys„, hatte uns unser Freund/Verwandter gewarnt, ist sehr gut, und sehr teuer. In der Tat kann man für den Preis schon des regulären Menüs woanders ohne weiteres zu zweit sehr gut essen und trinken. Donda begleitete uns mit ins „House Over-By“, das Haus gegenüber dem eigentlichen Restaurant, begrüßte die Frau am Empfang beim Vornamen und stellte uns vor; dann verabschiedete er sich bis später, wenn er uns nach unserem Abendessen wieder abholen würde.
Wir hatten noch einige Zeit zu überbrücken, bis wir einen freien Tisch bekommen würden, und vertrieben uns die in gemütlichen Sesseln mit Gin & Tonic, gedämpfter Plauderei und einem sehr amüsanten angeregten Austausch mit einer amerikanischen Familie mit Sohn und Tochter, die aus Kalifornien angereist waren und gerade, so gegen zehn Uhr abends, noch zu einem Nightcup nach ihrem Essen im „House Over-By“ eintrudelten; sie hatten ihr Mahl kurz nach sechs begonnen.
Es dauerte etwas länger, bis unser Tisch tatsächlich frei wurde, wofür man sich bei uns wiederholt und mit dem Ausdruck tiefster Zerknirschung entschuldigte. Es war nicht schlimm – wir waren gut gelaunt und wohl unterhalten. So gegen halb elf bat man uns dann endlich tatsächlich zu Tisch, in einem eher kleinen Speiseraum mit Natursteinmauern und gedämpfter Beleuchtung. Wir entschieden uns für das Fünf-Gänge-Menü (statt des Acht-Gänge-Menüs), entschieden uns für unsere Vor- und Hauptspeise, und bekamen im Laufe der nächsten zwei Stunden Essen serviert, wie ich es brillanter noch nicht erlebt hatte. Wir hatten eine Kaninchenterrine zum Niederknien, butterzarte rosarote Taubenbrust, ein wundervolles und subtiles Hauptgericht mit Heilbutt (ich) bzw. Lammfilet (Judith); wir tranken einen guten Cabernet Sauvignon dazu, ich schwelgte in einer Komposition aus warmer/kalter süßer/salziger Schokolade/Karamel mit einem eleganten Portwein, während Judith Limonencreme und Mandelkuchen mit einem kanadischen Eiswein genoss.
Donda setzte uns um halb zwei wieder vor unserem B&B ab.
Heute Morgen stehen wir trotzdem recht früh auf. Wir müssen abreisen; wir wären gerne noch länger geblieben. Nicky überreicht uns unsere Handschuhe, die wir gestern klatschnass nach Hause gebracht hatten und die über Nacht im Waschkeller kaum trockener geworden sind. Wie es uns gefallen hat, fragt sie; „Perfekt“, antworte ich.
Unser erstes Zwischenziel ist die Talisker-Whisky-Brennerei – die einzige Brennerei auf Skye; jedem Whisky-Liebhaber ein Begriff. Wir haben eine Tour gebucht und ein bisschen Zeit, bevor sie anfängt, aber Carbost, wo sie angesiedelt ist, ist ein eher nichtssagendes Örtchen am Ufer des Loch Harport.
Die Tour durch die Brennerei an sich ist aber hochinteressant. Ich realisiere erst hier, dass der rauchige Geschmack mancher Whiskys buchstäblich daher kommt, dass das Malz über Rauch getrocknet wird – Rauch aus Torf im Fall von Talisker. (Früher wurde der komplette Trocknungsvorgang über Torffeuer durchgeführt. Heute sorgt man anderweitig für Hitze und benutzt den Rauch nur noch um des Geschmacks willen.)
Ich realisiere ebenfalls, dass die ersten Schritte in der Whisky-Herstellung mit denen in der Bierherstellung identisch sind. Tatsächlich ist das erste Zwischenprodukt eine Art Starkbier ohne Hopfen, das dann zweimal destilliert wird und zuletzt für ein paar Jahre in einem Holzfass verschwindet.
Die resolute Frau, die uns den Vorgang kompetent erklärt, führt uns durch die verschiedenen Produktionsbereiche. Ein appetitlicher Geruch hängt in der Luft. Wir sehen den Spirit Safe, durch den hinter (aus steuerrechtlichen Gründen per Vorhängeschloss verschlossenen) Glastüren die gesamte Produktion fließt – ein konstanter Strom kristallklarer Flüssigkeit; aber nicht viel mehr als der Wasserstrom, mit dem man vielleicht eine Badewanne füllen würde, in überraschendem Kontrast mit den gewaltigen Dimensionen der kupfernen Destillierkessel hinter uns.
Zuletzt werden wir zum Lagerhaus geführt. Wir können es leider nicht betreten, aber wir können durch eine Glaswand hineinschauen. In gedämpftem Licht schlummern Fässer über Fässer; auf denen, die uns am nächsten sind, ist in Schablonenschrift die Jahreszahl „1979“ gemalt. Wir erfahren, dass schottischer Whisky fast grundsätzlich in ausgedienten Bourbon-Fässern gelagert wird, die in Einzelteilen aus Amerika nach Schottland verschifft und dort zu Fässern mit etwas größerem Volumen wieder zusammengesetzt werden. Es gäbe dankenswerterweise gute Versorgung mit alten Bourbon-Fässern, erklärt die Frau, denn in den USA muss Bourbon per Gesetz grundsätzlich immer in brandneuen Fässern eingelagert werden – ein Gesetz, das wohlgemerkt der Arbeitsabsicherung amerikanischer Fassbinder entsprungen war, nicht etwa geschmacklichen Erwägungen der Bourbon-Whisk(e)y-Erzeuger. Zwanzig Millionen Fässer Whisky reifen in Schottland zu jeder Zeit heran, schätzt man; Schotten gibt es ungefähr fünf Millionen.
Eine Stunde weiter auf unserem Weg nach Inverness halten wir bei Eilean Donan Castle an. Eine schöne, sehr gut erhaltene Burg auf einem winzigen Inselchen einige zehn Meter im Wasser, wo sich Loch Long und Loch Aish mit Loch Duich treffen.
Der gute Zustand der Burg ist kein Zufall, denn das Gemäuer stammt in seiner heutigen Form aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert. Zuvor hatte die Burg für fast dreihundert Jahre als Ruine darnieder gelegen – schottische jakobitische Aufständler hatten sie im April 1719 besetzt; einen Monat später wurde die Burg von englischen Fregatten nach einem misslungenen Verhandlungsversuch zuerst in Grund und Boden geschossen und schließlich mit dreihundert Fass Schießpulver gesprengt.
1912 erwarb ein Schotte die Ruine, fand einen gleichgesinnten Steinmetz vor Ort, baute sie nach alten Plänen wieder originalgetreu auf und lebte noch ein paar Jahre darin, bevor er starb. Heute gehen wir durch die opulent eingerichteten Räume, in denen er seine letzten Lebensjahre verbrachte.
Nochmal eine Stunde weiter, kurz vor Inverness, steht die Ruine von Urquhart Castle. Zwischenzeitlich ist die Sonne herausgekommen und wirft goldenes Licht auf das alte Gemäuer.
Auch diese Burg wurde von Engländern gesprengt – nicht während, sondern nach dem Ende des Jakobitenaufstands; die englische Besatzung jagte das Torhaus in die Luft, als sie die Burg geordnet verließ, damit sie womöglich nochmal aufkeimenden Jakobitenaufständlern nicht als Festung dienen könnte. Später wurde sie von den Bewohnern der Nachbarorte um ihrer gebrauchsfertig behauenen Steine geplündert. Wir haben einen schönen Blick auf Loch Ness von den Aussichtspunkten, die sich in den Türmen und Gebäuden der alten Burg finden.
Schließlich kommen wir am frühen Abend in Inverness an. Unsere Gastgeberin gibt uns eine Touristenkarte der Stadt und empfiehlt einige Restaurants fürs Abendessen. Wir müssen nur ein paar Minuten laufen, bis wir über eine schwankende Fußgängerbrücke über den Fluss Ness in die kleine Innenstadt von Inverness gelangen.
Wir spazieren an der „Ivy Bar“ vorbei, die sich schottische Tapas auf die Fahnen schreibt – das klingt spannend, also gehen wir rein. Und so gelangen wir heute Abend an ein Craft Beer, an Haggis-Fleischbällchen-Tapas, Black Pudding-Tapas mit Apfel, an Cullen Skink-Tapas mit Sahnehäubchen und noch ein paar mehr. Am Ende bestellen wir noch ein Weiße-Schokolade-Mousse, das ganz fabelhaft präsentiert ankommt.
Ein schöner Konterpunkt zu unserem gestrigen Abendessen.