Skyewalkers: Fort William

[Mych] Das ist kein normaler Wanderweg. Wir steigen über Schotter und Geröllbrocken; bergauf, immer nur bergauf. Fast anderthalb Kilometer in der Vertikalen über eine Wegstrecke von nur gut acht Kilometern.

Ben Nevis ragt 1344 Meter in den Himmel und ist der höchste Berg Schottlands – tatsächlich sogar auf der ganzen Insel. Und wer ihn besteigen will, beginnt ganz unten, fast auf Meereshöhe; das Besucherzentrum liegt auf 17 Metern über Normalnull. Dort haben wir auch unsere Göffel gekauft, die wir brauchen, um den Joghurt in unserem Lunchpaket zu verzehren, das wir aus dem letzten Hotel mitgenommen haben.

Der erste Teil der Strecke ist fast flach, von ein paar Stufen abgesehen. Wir wandern unter einer geschlossenen Wolkendecke; es nieselt. Und wir sind bei Weitem nicht die einzigen, die hier heute unterwegs sind – auf der Touristenroute, die eigentlich heute gar nicht mehr so genannt wird, weil das zu harmlos klang, sind heute hunderte von Leuten unterwegs. Fast alle sind so vernünftig gekleidet wir wir: wasserfeste Jacke, warme Kleidung, feste Schuhe. Unten hat es etwa 14°C, und oben sollen es fast zehn Grad weniger sein. Wind dazu, und es wird ungemütlich.

Kälte ist aber erstmal nicht unser Problem. Unsere Rucksäcke, unsere Funktionsklamotten und uns selbst den steilen und unebenen Weg hochzuwuchten bringt uns so zum Schwitzen, dass mein Pulli getrost verstaut bleiben kann. Die ersten zwei Schlucke aus dem Trinkschlauch, der in meinen Rucksack führt, sind immer angenehm kühl – danach kommt die warme Brühe, die die Abwärme aus meinem Rücken in der Wasserblase produziert hat.

Die Vegetation wird kärglicher, und wir treten in die Wolkendecke ein, die heute auf etwa 700 Metern hängt und den Blick auf den Gipfel verwehrt. Unsere Sicht reicht jetzt höchstens noch fünfzig Meter. Alles, was weiter weg ist, ist nur noch schemenhaft zu erkennen. Der Nieselregen ist jetzt kontinuierlich und kommt von allen Seiten. Der Weg zickzackt sich nach oben. An den Kehren sind mannshohe Steinhaufen aufgeschichtet, damit niemand ins Geröllfeld jenseits des Pfads verloren geht. Wir gehen langsam, aber trotzdem noch schneller als manche andere Wanderer, die wir treffen. Ein paar Mal werden wir selbst überholt – einmal von einem Mann in Fahrradklamotten, der mit seinem Rad auf der Schulter den Weg nach oben joggt. Der Wanderer, der uns in diesem Moment von oben entgegen kommt, schaut ihm hinterher, als hätte er ein Gespenst gesehen.

Kurz vor dem Gipfel wird der Weg wieder flach. Das Gelände um uns herum besteht jetzt nur noch aus metergroßen, grauen Felsbrocken. Auf dem eigentlichen Weg liegt eine uneinheitliche Mischung aus faust- bis kopfgroßen, kantigen Schotterstücken. Wir kommen an etwas vorbei, was wie die Grundmauern eines kleinen Hauses aussieht, kniehoch aufgeschichtet aus den Steinen, die überall herumliegen. Vielleicht ist das die Ruine des „Temperance Hotel“, das zwei junge Damen um 1910 herum da oben eröffnet hatten. Ein paar Schritte weiter stoßen wir auf einen übermannshohen, von Menschenhand aufgeschichteten Steinhügel, dessen Spitze aus einem winzigen Holzhüttchen besteht: Das ist sicher der Turm des meteorologischen Beobachtungspostens, der 1884 dort errichtet worden war. Endlich sind wir angekommen.

Wir suchen uns einen Felsbrocken zum Sitzen, verzehren den Rest unserer Sandwichs samt der Salz-und-Essig-Chips und göffeln genussvoll den Joghurt, den man uns mit in die Pappbox gepackt hat. Uns zieht der Geruch von Gegrilltem an der Nase vorbei: Ein paar junge Männer haben nicht weit entfernt einen Mini-Alu-Einmalgrill auf ein paar Steine gelegt und braten sich dort Würstchen. Danach machen wir uns ein paar Notizen über Wind und Wolkendecke für den Ben-Nevis-Earthcache und machen uns auf die Suche nach Britanniens höchstem Geocache. Die Suche führt uns hundert Meter ins Geröllfeld hinein, aber die grüne Metallbox kann sich nicht lange zwischen den Felsbrocken verbergen.

Es wird schnell kalt, wenn man sich nicht bewegt – die Lufttemperatur ist gefühlt knapp unter null, und unsere Kleidung unter der Jacke ist völlig durchgeschwitzt. Wir machen uns auf den Rückweg.

Als wir auf dem Weg nach unten aus der Wolkendecke herauskommen, haben wir plötzlich einen fantastischen Blick auf den kleinen See auf halber Höhe, der es sich auf dem Sattel zwischen dem Ben und einem kleineren Nachbarberg eingerichtet hat. Im Tal, auf Meereshöhe, badet die Sonne ganze Dörfer in hellem Sonnenschein.

Der Weg den Berg hinab ist nicht mehr so anstrengend, aber er geht auf die Knie. Je weiter wir nach unten kommen, desto häufiger passieren wir Leute, die sich nur noch mit größter Mühe die teilweise kniehohen Felsstufen herunterwuchten können.

Sechseinhalb Stunden, nachdem wir aufgebrochen sind, sind wir wieder zurück auf dem Parkplatz beim Besucherzentrum. Als ich meine Jacke ausziehe, finde ich das Oberteil meiner Skiunterwäsche und das T-Shirt darüber klatschnass. Dreieinhalb Stunden haben wir für den Aufstieg gebraucht, zweieinhalb für den Abstieg; die Prognosen hatten bei sieben bis acht Stunden gelegen – wir sind zufrieden. Das Bier heute Abend haben wir uns redlich verdient.

Skyewalkers: Fort William

Skyewalkers: Greenock

[Maus] Nach einer unruhigen Nacht in unserem winzigen Zimmerchen sind wir nach einem kleinen Frühstückchen zu einem kurzen Shoppingtrip aufgebrochen. Oberstes Ziel: eine neue Jeans für Michael. Seine Lieblingsjeans fiel ihm fast vom Leib und die Ersatzjeans war viel zu unbequem für einfach alles. Mein vertrocknendes Gesicht auch noch schnell mit Creme versorgt, um uns dann erst einmal einen anständigen Kaffee zu gönnen. Dass die Engländer nicht so guten Kaffee machen können, wussten wir ja schon von unserem Fife-Urlaub im letzten Jahr.

In Blackpool hielt uns nichts mehr. Das Meer werden wir sicher noch öfter zu sehen bekommen. Also brachen wir nach unserem Einkaufsbummel auf in den Norden. Das Ziel auf halber Strecke war Birdoswald Roman Fort, eine Festungsanlage am Hadrianswall.

Letztes Jahr, als wir in Carlisle waren, hatten wir versucht, den Hadrianswall zu finden, nur um dann später festzustellen, dass man direkt in Carlisle nicht mehr allzu viel davon finden kann, weil die Steine für andere Bauprojekte verwendet wurden. Heute jedoch konnten wir ein großes Stück Wall anschauen und es war außerdem zu unserem Glück ein römischer Legionär da, der fast eine Stunde lang vom Leben als Legionär und von der Geschichte des Hadrianwalls berichtete.

Nachdem wir uns ausreichend mit frischer Luft versorgt und unseren Beinen ein Stretching gegönnt hatten, fuhren wir unsere zweite Etappe bis zu unserem Tageshighlight – eine Schlammwanderung. Das ist natürlich Quatsch – wir wollten einen Abenteuer-Geocache suchen gehen. Dieser heißt Starboard Tower No 2 und führte uns zu einem Turm im Fluss Clyde. Bei Ebbe kann man zu diesem Turm hinwaten und den Cache suchen.

Gesagt, getan. Wir haben uns in unsere besten Cacherklamotten geschmissen und sind zum Flussufer aufgebrochen. Dieses ist dem Wattenmeer nicht so unähnlich und dementsprechend schlammig war es vor Ort. Michael schlug vor, dass ich doch mal schön im Schlamm posieren könnte. Aber ich hatte bereits zu lange auf der gleichen Stelle gestanden und benötigte nun Hilfe, um dem Schlamm wieder zu entkommen.

Ohne zwischendurch anzuhalten stiefelten wir also los in Richtung Turm und stellten schnell fest, dass man tatsächlich ein wenig auf dem Schlamm gleiten konnte. Das war ein wenig wie Skilanglauf – nur viel schmutziger. Um dann tatsächlich zum Turm zu kommen, mussten wir tiefere Gewässer überwinden und bekamen nasse Füsse.

Insgesamt war das ein großartiges Abenteuer und wir haben glücklicherweise rechtzeitig den Rückweg angetreten, denn zurück am Auto gab es einen herrlichen Wolkenbruch.  (Nachtrag: Siehe auch mein Log und Michaels Log.)

Unseren Abend haben wir in unserem Hotel ausklingen lassen, bei einem Drei-Gänge-Menü für unter 15 Pfund pro Nase. Und endlich haben wir Haggis bekommen.

Skyewalkers: Greenock

Kettengang

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[Maus] Es war stressig in der letzten Zeit. Ich schlug mich mit allerlei Problemchen im Labor herum und merkte, wie mich die Arbeit auslaugte. Nicht zuletzt lag das an einem nervenaufreibenden Studenten, der mich mit seiner Unruhe und fehlender Ernsthaftigkeit um den Verstand brachte.

Endlich war es Zeit für einen Urlaub. Unsere Idee ist es, Großbritannien zu erkunden, während wir hier sind, und so sollte unser erster Urlaub uns irgendwo hin auf unserer Insel führen. Unser gemeinsames Hobby — Geocaching — sollte zufällig unseren Zielort bestimmen: Fife. Fife liegt in Schottland in der Nähe von Edinburgh und hat eine wunderschöne wilde Küste mit Sandstränden.

Doch wie kam es eigentlich dazu?

Vor nicht allzu langer Zeit beschlossen wir, wieder mehr spannende Geocaching-Abenteuer zu erleben. Da in der näheren Umgebung aber in dieser Hinsicht gähnende Langeweile herrscht, hat Michael nach 5/5er-Geocaches gesucht — also Geocaches mit der höchsten Terrain- und Schwierigkeitswertung. In Deutschland sind die rar und so schwierig, dass man sie nur mit viel Equipment und häufig mit sehr viel Rätselei angehen kann.

Also genau das Richtige, um ein Abenteuer zu erleben.

Michael stieß jedenfalls bei seiner Suche auf einen Earthcache in Fife, bei dem schon der Name äußerst interessant klang: Volcanic Mayhem — Kincraig Point. Und die Fotos erst! Wir waren uns sofort einig, dass wir da hin wollen. Unser geplanter Urlaub hatte noch kein Ziel, also beschlossen wir spontan, nach Fife zu fahren.

Nachdem wir auf dem Weg nach Fife und in Fife selbst schon viele schöne Orte besucht hatten, konnten wir es kaum noch erwarten, endlich diesen Earthcache aufzusuchen. Earthcaches sind eine Besonderheit beim Geocachen: Man findet keine Box mit einem Logbuch, sondern einen geologischen Schatz. Der Küstenbereich bei Kincraig Point war im Karbon durch vulkanische Aktivität entstanden. Während der Flut ist dieser Bereich unzugänglich und bei Ebbe erreicht man ihn nur über einen sogenannten Chainwalk — sowas wie einen Klettersteig mit Ketten zum Festhalten.

Schon auf dem Weg dorthin fanden wir am Strand riesige schwarze poröse Steine vulkanischen Ursprungs.

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Es war sehr windig und ich hatte Muffensausen, aber da wir beide Sicherheitsfanatiker sind (oder wie Michael mal so schön zu mir sagte: „Wir brauchen deinen Kopf noch!“), hatten wir Helme, Klettersteigsets, festes Schuhwerk und Handschuhe dabei. Nachdem wir unser Equipment angelegt hatten, stürzte sich Michael als erster ins Vergnügen. (Er ist der Mutigere von uns beiden.)

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Auf glitschigem Gestein und an der Kette hängend war mir auf dem ersten Teilstück noch mulmig zumute, aber bald schon vergaß ich meine Angst, mir den Schädel zu zertrümmern oder unterzugehen (durch das Klettersteigset und den Helm war das quasi unmöglich) und genoss diese einmalige Landschaft. Die Gezeiten nagen an den Felsformationen, und das poröse Vulkangestein hat dem nichts entgegenzusetzen.

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Man fühlt sich wie auf einem anderen Planeten. Die Gischt spritzt unter einem hoch und der Wind zerrt an dir. Es riecht herrlich nach Meer und trotz dem das Meer tost und rauscht, fühlt sich alles so ruhig an. Unwirklich.

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Der Devil’s Tower (Teufelsturm) beeindruckt durch seine schiere Größe. Als hätte jemand gigantische Säulen am Strand aufgestellt. Ursprünglich müssen die Gesteinsschichten horizontal gelegen haben; im Laufe der Jahrmillionen wurden die Säulen durch Faltung aufgerichtet.

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Michael war in seiner Faszination für diese Landschaft gefangen und bemerkte nicht einmal, dass wir längst am Ende des Chainwalks angekommen waren. Ich konnte ihn gerade noch aufhalten, einen Satz über die nächste Kluft zu machen.

Wir hatten uns ein Abenteuer erhofft und es bekommen.

Kettengang

So long, and thanks for all the miles

[Mych] Eigentlich war’s eher ein Versehen, dass wir meinen Seat mit nach England genommen habe. Aber niemand sonst wollte das Karnickel transportieren — außer vielleicht in einer dunklen Kiste im Frachtraum eines Fliegers.

Also kam er mit, statt dass ich ihn noch in Deutschland verkauft hätte. Mit fast anderthalb Jahrzehnten auf dem Buckel hätte er sich seinen Ruhestand auch redlich verdient gehabt; aber so musste er nochmal ran. 1300 Kilometer. Und er hat wacker durchgehalten. Aber England war einfach nicht der rechte Ort für ihn.

Ungefähr drei Optionen hatten wir:

  • Für den Zulassung in England umrüsten und ummelden. Das Umrüsten besteht aus eigentlich nur drei Dingen: Scheinwerfer so abkleben, dass sie den Gegenverkehr nicht blenden; eine Meilen-Skala auf den Tacho; und eine Nebelschlussleuchte rechts. Aber dann würden wir immer noch auf der falschen Seite sitzen, und die Gewalttour über die belgischen Autobahnen hatte den Seat mit einem beunruhigenden Klappern irgendwo vor oder unter uns hinterlassen, das nichts Gutes verhieß.
  • Verschrotten, und dann nur noch Fahrradfahren. Und tatsächlich kommt man zu Fuß oder mit dem Fahrrad in Coventry ziemlich weit — Judith fährt jeden Tag zur Arbeit und braucht dafür halb so lange wie mit dem Bus –, aber eben auch nicht viel weiter als bis knapp über Coventry hinaus. Ein Wochenendtrip nach Nottingham mit dem Fahrrad hat schon Charme, aber die Option, einfach ein Stündchen mit dem Auto dort hin fahren und dann dort um so mehr unternehmen zu können auch. (Vor allem, wenn man einen Kofferraum voll Geocaching-Ausrüstung mitnehmen möchte.)
  • Einen Gebrauchten kaufen und dem Händler dafür den Seat überlassen. Wenn wir einen finden, der ein altes Auto mit Linkslenkung in England haben will.

Übrigens — was zwar gerne gelebt wird, aber zumindest formell keine Option ist: einfach niemandem was sagen und mit der deutschen Zulassung weiter fahren. Meine deutsche Autoversicherung hatte mir zwar mitgeteilt, dass sie weiterhin haften würde, wenn was wäre, aber schon allein die Zulassung in Frankfurt ist ohne Wohnsitz in Deutschland eine fragwürdige Angelegenheit — und die britischen Behörden betrachten ein Auto, das von einem in England Ansässigen gefahren, aber nicht vor Ort versteuert wird, als Steuerhinterziehung. Und als ansässig gilt man spätestens dann, wenn man in England eine Wohnung mietet oder einen Job hat — sofort, nicht erst nach einem halben Jahr Aufenthalt. Man bekommt eine Gnadenfrist von 14 Tagen ab Ankunft, aber das war’s auch.

Naja. Klare Sache also: Wir besorgen uns einen Gebrauchten. Und nach gar nicht allzu langer Stöberei im Internet hatten wir einen Händler in Coventry ausgemacht, der einen gar nicht so alten Škoda Fabia zu einem vernünftigen Preis anbot.

Letzten Samstag waren wir da und sind probegefahren — mit der linken Hand zu schalten ist ziemlich ungewohnt, und irgendwie ist auch nicht auf Anhieb intuitiv, dass der größte Teil der Wagenbreite links und nicht rechts von einem ist. Aber ansonsten: Gar nicht so unähnlich meinem Seat, nur mit zwei Türen mehr und, naja, dem Lenker auf der Beifahrerseite. Und meinen Seat wollte mir der Händler für ein paar hundert Pfund auch noch abnehmen. Perfekt.

Also: Anzahlung am Samstag, und heute ging’s zum Autowechsel.

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Mit dem Travelbug auf dem neuen Wagen fühlt er sich schon fast so an wie Zuhause.

Womit ich mich am Vormittag noch rumgeschlagen hatte: Wie meldet man in England ein Auto mit deutscher Zulassung ab?

  • Das Internet ist, wie immer in solchen Fällen, eine Quell jeder Information, die man sich vorstellen kann. Will sagen: buchstäblich jeder. Richtiger, falscher, widersprüchlicher, veralteter, erhoffter, befürchteter und herbeigewünschter.
  • Irgendwer hatte mal behauptet, das Abmelden deutscher KFZ sei eine konsularische Leistung, die man in der Deutschen Botschaft in London in Anspruch nehmen könnte. Deren Website will davon aber nichts wissen, und das Kontaktformular (eine Telefonnummer gibt’s nicht) teilt in freundlicher fett-roter Schrift mit, dass Anfragen, die man zu stellen wage, obwohl deren Antwort irgendwo auf der Website zu finden ist, ignoriert werden.
  • Also, erste Anlaufstelle: die Zulassungsstelle in Frankfurt. Die Dame am Telefon teilt mir mit, ich könne meine Kennzeichen und meinen Fahrzeugschein nach Frankfurt schicken, um sie zu entstempeln. (Der Fahrzeugbrief wird nicht benötigt.) Aber, sagt sie, innerhalb der EU könne die Abmeldung eigentlich auch direkt vor Ort über den Behörden in England erledigt werden. Das klingt gut.
  • Zweite Anlaufstelle: Die DVLA (Driver & Vehicle Licensing Agency). Die dortige Dame sagt mir, dass ihre deutsche Kollegin mir nur die halbe Wahrheit gesagt hat: Ja, die englischen Behörden können eine Abmeldung vornehmen — aber nur im Zusammenhang mit einer Ummeldung auf einen englischen Fahrer. Hm, okay.
  • Jetzt will ich wissen, was meine deutsche Autoversicherung will, um mich rauszulassen. Ich gerate an einen sehr netten und sehr zum Plaudern aufgelegten Herrn, der mich umfassend informiert (auch über die Studienvorhaben seiner Tochter und seinen Bekannten mit dem alten Auto, das er verschenkt hat und jetzt wegen seiner Anhängerkupplung immer wieder mal ausleiht) und mir dabei mit Nachdruck nahe legt, die Abmeldung selbst in die Hand zu nehmen (per Päckchen nach Frankfurt).

Zum Glück hatte die Dame beim Gebrauchtwagenhändler keine Vorbehalte dagegen, dass ich die Kennzeichen abschraube und den Fahrzeugschein mitnehme.

Und, ach ja, mit der Versicherung und der Steuer ist das in England so: Versicherung ist natürlich Pflicht, aber komplett meine Angelegenheit (meine vielen Jahre Schadenfreiheitsrabatt konnte ich leider nicht mitnehmen) — und dass man Steuern zahlt, beweist man mit einer so genannten Tax Disc, die man in einem kleinen Täschchen hinter der Windschutzscheibe stecken hat und alle sechs bis zwölf Monate verlängern muss. (Es gibt auch eine anonyme Hotline zum Verpetzen von Autos ohne Tax Disc.)

Und mein alter Seat steht jetzt beim Händler. Ich habe eigentlich ein sehr pragmatisches Verhältnis zu Autos im Allgemeinen, aber vierzehn Jahre gehen auch an mir nicht ganz spurlos vorüber.

So long, and thanks for all the miles.

So long, and thanks for all the miles

Ich bin allein…

[Maus] Sonntag ist Ausschlafen angesagt und so sind wir erst spät aufgestanden. Da die Sonne schien, mussten wir aber auf jeden Fall noch mal raus und da bot es sich an, die Geocaches in unmittelbarer Nähe aufzusuchen. Abgesehen davon, dass wir die Geocaches nicht gefunden haben, waren wir nach der Suche richtig schön eingesaut. Sämtliche Wiesen sind geflutet und ausgerechnet die beiden auserwählten Geocaches führten über Wiesen. Viel schlimmer aber ist die Tatsache, dass hier offenbar viele unkreative Geocacher unterwegs sind. Wir werden wohl die nächsten zwei Jahre dazu nutzen mal ein wenig Schwung in die Gegend zu bringen.

Mit meinen eingedreckten Schuhen und Hosen habe ich dann Michael zum Bahnhof Coventry gebracht, der fußläufig erstaunlich gut und schnell zu erreichen ist. Das Taxi ist also nur bei Regen angesagt. Michael hat dann dort noch einen der Fast Ticket Automaten ausprobiert. Wie wir jetzt wissen, sind die Virgin trains günstiger (£1,50) als die anderen (£2,20). Kauft man ein Ticket für £2,20 kann man sich allerdings aussuchen, welchen Zug man nehmen möchte (Virgin trains inklusive). Wenn man den Fahrplan kennt, gibt es die Möglichkeit zu sparen.

Nachdem ich Michael hinterhergewunken hatte, setzte ich meinen Plan, mir eine Travelcard zu kaufen, in die Tat um. Mit dieser personalisierten Monatskarte (es ist ein Foto von mir drauf) kann ich nun einen Monat lang alle Busse in Coventry nutzen. Da spare ich erstens Geld und außerdem muss ich mir nicht jedes Mal eine Fahrkarte kaufen. Auf der Website schrieb der National Express, dass man passend bezahlen soll. Auch wieder so eine Merkwürdigkeit. Haben hier alle immer ganz viel Kleingeld in der Tasche? Mein Portomonnaie ist ungefähr ein Kilo schwer, weil ich £5 in kleinen Münzen darin aufbewahre. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kartenbezahler-Engländer passendes Kleingeld in den Taschen haben. Notiz an mich selbst: Portomonnaie mit großem Kleingeldfach kaufen, vielleicht im Trolley-Format.

Mein Garmin 550t führte mich durch einen Teil von Coventry, den ich an diesem Wochenende noch gar nicht gesehen hatte. In diesem Teil der Stadt sind scheinbar alle Studenten untergebracht, denn an jedem Haus stand irgendein Hinweis für Studenten dran; rooms for students, students bar, students grocery, flats to let for students only. Nach einem Fußmarsch von geschätzten 15 Minuten (vom Bahnhof) kam ich zu dem Laden, der die Travelcards verkauft. Ich wurde damit überrascht, dass der Verkäufer ein Foto von mir haben wollte. Glücklicherweise hatte ich noch eines im Portomonnaie, dass ich noch von der Beantragung meines Reisepasses hatte.

Auf dem Weg zurück nach Hause entdeckte ich das „Zentrum“ von Earlsdon (der Stadtteil, in dem ich hier wohne). Eigentlich kann man da auch alles bekommen, was man für den täglichen Bedarf braucht. Die Bürgersteige bleiben am Wochenende jedoch zumeist hochgeklappt. Auf meiner Wanderung habe ich auch noch einen tollen Barber-Shop entdeckt (Foto in der Galerie). Ich lasse jetzt noch den Abend ausklingen und freue mich auf meinen ersten Arbeitstag.

Ich bin allein…