Seehunde der Sehnsucht

[Fifi] Morgens, ich schlage die Augen auf. Mein erster Blick gleitet über den Strand. Die Bucht, liegt zugedeckt von einer weichen Decke aus Nebel, unten vor unserem Haus. Ich kuschle mich noch einmal in die warmen, weißen Kissen. Als ich erneut aus dem Fenster schaue, die Sonne … Sie küsst die Küste, der Strand ist in weiches, warmes, frisches Licht getränkt. Ein einsamer Fischer hat sich an den menschenleeren Strand verirrt …

Leise rauscht die Dusche, die ersten Geräusche des Tages klingen in meinen Ohren. Wohlig, vertraut, heimelig. Ich freue mich auf ein gemeinsames Frühstück, samt knusprigem Toast, heißem Kaffee und einem perfektem Frühstücksei. Der Beginn eines wundervollen Tages.

Mit Liebe packe ich die Dinge ein, die wir für den Tag benötigen: Wasser, Obst, ein paar Nascherein, die Kamera. Wohin wird es uns heute wohl führen? – Wir lassen uns treiben. TomTom hat wieder die wundervollsten verschlungensten Pfade für unsere Limosine ausgewählt. Sie führen uns vorbei an wohlgeformten Hecken, den ewig grünen Landschaften Cornwalls und den freundlichen Menschen, die sich so gekonnt an uns auf den engen Straßen vorbeischlängeln können.

Unsere Sehnsucht nach dem Ziel wird größer und größer, steigt ins Unermessliche – Michael parkt elegant und da sind wir – The Cornish Seal Sanctuary. Die nette Lady am Eingang begrüßt uns herzlich und lädt uns ein, die Welt der wundervollen Meeresbewohner zu entdecken. Vorbei an gemähten Wiesen, liebevoll angelegten Pfaden die uns Rätsel aufgeben gelangen wir zu diesen zauberhaften, witzigen und so anmutig schwimmenden Geschöpfen. Die Seehunde speisen königlich. Der Geruch von fangfrischem Fisch und Meer umspielt meine Nase.

Weiter geht es, vorbei an Ottern, Pinguinen, Schafen, Ponies, Ziegen. Wir krönen unseren Ausflug mit einem kleinen Picknick und einem letzten Blick auf die tauchenden Seehunde.

Auf der Rückfahrt empfängt die Bucht mich mit türkisfarbenden Wasser. Die Sonne glitzert in jeder Welle, wie tausende kleine goldener Spiegel. Der Strand lädt mich ein zu verweilen. Warm treffen die Sonnenstrahlen auf meine Haut. Der Sand rieselt durch meine nackten Zehen hindurch. Kühlende Wellen umspielen meine Beine.

Schätze des Meeres wollen in der Bucht entdeckt werden. Ich sammle kleine Steine, Muscheln, Federn. Mein Körper saugt die Urlaubsstimmung ein …

Seehunde der Sehnsucht

Das Leben ist kein Ponyschlecken

[Maus] So. Heute sind wir endlich in Cornwall angekommen und unsere Fahrt war ein großes Abenteuer. Doch wir fangen mal von vorne an.

Donnerstag kommen Vivi, Burschi und Magdalena mit ihrem Flieger von Berlin nach Birmingham, natürlich bei strahlendem Sonnenschein. Was auch sonst im verregneten England. Unser lang geplanter Urlaub in Cornwall kann nun endlich beginnen.

Freitag früh versuchen wir erst einmal, alles in unseren kleinen Skoda Fabia zu quetschen. Nach zehnminütigem Koffertetris haben wir alles verstaut: drei Koffer, drei Rucksäcke, einen kleinen Grüffelo-Koffer, fünf große Badehandtücher, eine Manduca-Trage (um den faulen Halbling schleppen zu können), einen Kindersitz mit Halbling drin, und vier Erwachsene. Gemütlich ist anders, aber es ist dann doch gerade geräumig genug.

Nach einem kurzen Stop in Stratford-upon-Avon, das die drei bei ihrem Besuch im letzten Jahr nicht gesehen hatten, fahren wir die erste größere Etappe nach Uffington zum berühmten White Horse. Dieses gigantische Pferd ist nur schwer zu erkennen. Wir probieren alle möglichen Blickwinkel aus, aber es wollte sich uns nicht in voller Gänze zeigen. Ein Paraglider, der mit uns auf den Hügel gekraxelt war, fliegt von oben los und muss einen fantastischen Blick auf das Pferd haben. Ach, wäre man nur ein Paraglider. Dafür hatten wir ein super Picknick direkt neben dem Pferd.

Die Straßen sind mal wieder ein Erlebnis. Mit 60 Meilen pro Stunde (also etwa 100 km/h) darf man auf den engen Buckelpisten fahren. Ich traue mich das nicht und bremse viel. Gegen den Angstschweiß an meinen Händen hilft die Lüftung im Auto.

Die Nacht verbringen wir in einem hübschen B&B in Chippenham. Dort brechen wir nach dem Frühstück auf, um zum Highlight des Tages zu fahren – ein Ponyhof.

Auch hier schlängelt sich wieder eine enge Straße durch die Landschaft, doch diesmal sind auch noch links und rechts meterhohe Hecken, die es unmöglich machen, vorausschauend zu fahren. Man fühlt sich fast wie in einem Labyrinth.

Michael freute sich riesig aufs Ponyschlecken, aber das war leider gar keine Attraktion auf dem Ponyhof. Stattdessen konnten die Kinder auf richtigen großen Pferden reiten. Magdalena wollte das natürlich auch und war total begeistert – bis zu dem Augenblick, als sie der junge Mann, der den Kindern die Helme aufsetzt und auf die Pferde hilft, anspricht. Auf den Fotos sieht sie so aus, als hätten wir sie gezwungen, auf das Pferd zu steigen.

Es gibt auch Schafe und Ziegen und Miniesel, allerlei Vögel, Kaninchen und Meerschweinchen, richtige Schweine und natürlich Miniponys, die sich in einem begehbaren Gehege befinden. Die sind auch meine Favoriten und ich war nicht die Einzige. Magdalena hat vor lauter Begeisterung fast doch noch das Ponyschlecken probiert. Zum Glück ist es bei Küsschen für die Babyponys geblieben.

Nachdem sich Magdalena noch ein wenig auf dem Spielplatz ausgetobt hat, zwängen wir uns wieder in das kleine Auto und fahren zu unserem Endziel – Maenporth. Doch wie es uns hier gefällt, berichten wir morgen.

Das Leben ist kein Ponyschlecken

Skyewalkers: York

[Maus] Unser letzter Urlaubstag. Wir beginnen ihn mit strahlendem Sonnenschein in Saltburn-by-the-Sea und brechen auf zu unserem letzten Ziel – Jórvik (Pferdebucht). Die ursprünglich im Jahre 71 nach Christi Geburt in der Römerzeit gegründete Stadt hieß eigentlich Eboracum. Doch nachdem die Wikinger die Gegend besiedelten, wurde die Stadt in Jórvik umbenannt: das heutige York.

In York gibt es viel zu sehen, und man braucht sicher mehr Zeit als ein paar Stunden, um es in Gänze gesehen zu haben. Wir beginnen mit The Shambles, einer alten Straße mit Gebäuden, die in den oberen Etagen in die Straße hineinragen. Einige Gebäude sind noch aus dem 14. Jahrhundert. Kleine Geschäfte mit Krimskrams, Tee, Fudge und Spielzeug laden zum Bummeln und Verweilen ein. Außerdem entdecken wir in der Nähe des York Minster einen Vom Fass-Laden.

Wir ergründen die Geschichte Yorks im Jórvik Viking Centre. An der Stelle, an der das Museum heute steht, hat man Ende der Siebziger Jahre bei Ausgrabungen Überreste der Wikingerstadt gefunden – darunter drei sehr gut erhaltene Skelette, Münzen und dazu passende Münzprägestempel und auch, als eine Besonderheit, ein vollständig erhaltener Koprolith. Dieser, auf deutsch Kotstein genannte, Koprolith gab den Archäologen Aufschluss über die Nahrung zu dieser Zeit und brachte außerdem jede Menge Würmer zu Tage, unter denen die Menschen dieser Zeit arg zu leiden hatten.

Die Ausstellung beginnt über einer Replik der Ausgrabungsstelle. Wir laufen über einen Glasboden und können die Überrese von zwei Häusern betrachten. Es geht weiter mit einer Fahrt in einer Gondel durch das historische Jórvik. Man hat dort Szenen aufgebaut und über Lautsprecher wird erklärt, was man sieht. Ich nehme außerdem unterschiedlichste Gerüche war.

Jede Menge Ausgrabungsfunde sind ausgestellt, aber ich finde, das Highlight sind die als Wikinger verkleideten Museumsmitarbeiter, die sehr detailliert den Alltag als Wikinger erklären und an Ausstellungsstücken demonstrieren, wie es wohl damals gewesen sein muss. Ein Schlückchen Met und ein Happen Stockfisch bringt uns die Geschichte Jórviks gleich noch ein wenig näher.

Michael probiert auch eine Interpretation eines Wikingerhelmes an – es gibt nur sehr wenige Fundstücke, und keines dieser Fundstücke hat Hörner. Zum Schluss lasse ich mir noch eine Zinnmünze prägen; mit den Repliken der beiden vor Ort gefundenen Münzprägestempel. Diese Münze fügt sich hervorragend in meine Penny Press-Münzsammlung ein.

Wilhelm der Eroberer ließ in der Wikingerstadt im Jahre 1068 das York Castle errichten, um seine Machtposition zu verteidigen. Die Überreste des York Castle, Clifford’s Tower, kann man heute noch besichtigen. Viel mehr ist von dem Schloss nicht übrig geblieben.

Der Turm ist ein wenig schief. Nach der Erbauung hatte man festgestellt, dass er sich auf einer Seite absenkte und musste deshalb auf einer Seite zusätzlich Balken in den Innenräumen anbringen, weil die Originalbalken nun zu kurz waren.

Zum Abschluss lassen wir uns bei schönstem Geocacherwetter mit Hilfe eines Geocaches durch York führen. Leider konnten wir aufgrund erhöhten Muggelaufkommens die Dose nicht bergen.

Als wir zu Hause ankommen, verteilen wir unsere Schätze auf dem Wohnzimmertisch und lassen den Urlaub noch einmal Revue passieren. Schön war’s – und leider viel zu kurz.

Skyewalkers: York

Skyewalkers: Edinburgh

[Maus] Ein Whisky am Morgen vertreibt Wolken und Sorgen, oder so. Getreu diesem Motto haben wir unseren Tag mit einer Tour durch die Dalwhinnie-Destillerie begonnen.

Das gibt uns die Gelegenheit, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu entdecken. Wichtigste Unterschiede: die Länge der Räucherzeit über Torfrauch – je länger, desto rauchiger; die Länge der Gärungszeit – je länger, desto süßer die Aromen; die Form der Kupferkessel – jede Destillerie hat ihre eigene Kupferkesselform, denn die Dauer des Kontakts des destillierten Alkohols zum Kupfer spielt eine wichtige Rolle bei der Aromaentfaltung. Während der Tour reicht unser Führer ein Glas 24 Jahre im Fass gereiften Whisky herum und bittet uns, nachdem wir daran geschnuppert haben, etwas davon auf unserer Handoberfläche zu verteilen und trocknen zu lassen. Wir schnuppern an unseren Händen und sind überrascht, dass Dalwhinnie-Whisky ein herrliches Vanille-Parfüm mit Holznote abgibt.

Die Tour endet, wie schon in der Talisker-Destillerie, mit einer Verkostung. Deutlich schmeckt man den Unterschied. Talisker ist viel rauchiger und, wie man hier sagt, pfeffrig. Dalwhinnie ist dagegen mild und süß und passt hervorragend zu dem Stückchen Schokolade, das man uns zur Verkostung reicht.

Die langen Strecken, die wir zurücklegen, unterbrechen wir, indem wir Sehenswürdigkeiten anfahren. Michael hat uns für heute die Stanley Mills ausgesucht. Wir lesen auf deren Webseite: mit interaktiver Ausstellung. Unsere Erwartungen sind nicht besonders hoch.

Als wir ankommen, erblicken wir ein riesiges Gelände, auf dem sich offenbar auch Wohnungen befinden. In der Ausstellung erfahren wir, dass das Gebäude, nachdem man die Mühle 1989 schließen musste, quasi zum Lost Place wurde und total verkam. Einige Enthusiasten retteten das Gebäude und verwirklichten dort eine der besten interaktiven Austellungen, die ich je besucht habe. Michael und ich spielen uns durch die Räume und sind froh, hier Halt gemacht zu haben.

Weiter geht’s nach Doune Castle. Wir gingen eigentlich davon aus, Winterfell (aus „Game of Thrones“) zu besuchen, doch mussten feststellen, dass dort lediglich für die Pilotfolge ein paar Außenaufnahmen gemacht wurden. Allerdings wurden dort sehr viele Szenen für Monty Python and the Holy Grail („Die Ritter der Kokosnuß“) gedreht.

Wir haben uns eine Audiotour geben lassen und wandeln durch die sehr gut erhaltene Burg. Ich staune über die Größe der Feuerstelle in der Küche – sie erstreckt sich über die gesamte Breite des Raumes und Michael kann aufrecht darin stehen.

Zwischendrin hören wir zu den Räumen passend Szenen aus dem Film („Monty Python und der heilige Gral“). Mein persönlicher Favorit: „Your mother was a hamster and your father smelt of elderberries!“ – „Deine Mutter war ein Hamster und dein Vater roch nach Holunderbeeren“. Schlimmer kann eine Beleidigung ja wohl kaum sein.

Das Wetter spielt wieder einmal perfekt mit und hält sich an unsere goldene Reiseregel. Sind wir nicht im Auto, scheint die Sonne, sobald wir von drinnen die Autotüren schließen, regnet es.

Fazit: Wir müssen unbedingt diesen Film noch einmal ansehen und erkennen dann sicher auch Doune Castle wieder.

Die letzte Etappe für heute führt uns nach Edinburgh. Nach all der Natur und Ruhe ist das erst einmal ein kleiner Kulturschock. Doch die Stadt entpuppt sich als wunderschön. An einigen Stellen hat sie sogar zwei Etagen. Leider kommen wir so spät an, dass die meisten Sehenswürdigkeiten schon geschlossen sind, aber was uns erstaunt, ist das sehr gut ausgebaute öffentliche Verkehrnetz. Soviele Buslinien und Busse haben wir in Großbritannien noch nie gesehen (Ausnahme: London, aber das zählt nicht). Noch etwas fällt auf: Es ist nach sechs und es sind immer noch einige Geschäfte offen; und die Krankenwagen schalten ihre Sirenen immer nur sehr kurz an. Na sowas, denken wir, fast so wie auf dem Kontinent.

Skyewalkers: Edinburgh

Skyewalkers: Inverness

[Mych] „The Three Chimneys and the House Over-By“ passierte gestern noch, nachdem Judith ihren Blog-Beitrag geschrieben hatte; darum erzähle ich jetzt davon.

Auf Skye was Nettes zum Abendessen zu finden ist nicht ganz simpel, denn alle Restaurants sind normalerweise schon auf Wochen ausgebucht. Am ersten Abend hatten wir glücklicherweise noch kurzfristig einen Tisch im Restaurant gegenüber unserem B&B bekommen (und sehr leckeres Huhn mit Haggis gegessen); für gestern Abend hatte uns Nicky, unsere sehr nette B&B-Gastgeberin, einen Tisch in „The Old School Restaurant“ besorgen können, in dem wir einen fantastischen Meeresfrüchteteller bekommen hatten; und für gestern, unseren letzten Abend auf Skye, waren wir der Empfehlung eines Freunds/Verwandten aus London gefolgt und hatten eine Reservierung bei „The Three Chimneys“ gemacht. „Ohh, how posh!“, kommentierte Nicky mit erhobener Augenbraue. Der einzige noch freie Tisch war um Viertel vor zehn verfügbar – großzügig Zeit nach unseren Tagesbeschäftigungen.

Um halb neun holte uns Donda mit seinem Taxi ab und entpuppte sich als sehr netter, sehr höflicher älterer Herr im grauen Tweed-Jackett, der uns die Tür zu seinem Wagen aufhielt und sich mit uns auf der zehnminüten Fahrt nett unterhielt.

The Three Chimneys„, hatte uns unser Freund/Verwandter gewarnt, ist sehr gut, und sehr teuer. In der Tat kann man für den Preis schon des regulären Menüs woanders ohne weiteres zu zweit sehr gut essen und trinken. Donda begleitete uns mit ins „House Over-By“, das Haus gegenüber dem eigentlichen Restaurant, begrüßte die Frau am Empfang beim Vornamen und stellte uns vor; dann verabschiedete er sich bis später, wenn er uns nach unserem Abendessen wieder abholen würde.

Wir hatten noch einige Zeit zu überbrücken, bis wir einen freien Tisch bekommen würden, und vertrieben uns die in gemütlichen Sesseln mit Gin & Tonic, gedämpfter Plauderei und einem sehr amüsanten angeregten Austausch mit einer amerikanischen Familie mit Sohn und Tochter, die aus Kalifornien angereist waren und gerade, so gegen zehn Uhr abends, noch zu einem Nightcup nach ihrem Essen im „House Over-By“ eintrudelten; sie hatten ihr Mahl kurz nach sechs begonnen.

Es dauerte etwas länger, bis unser Tisch tatsächlich frei wurde, wofür man sich bei uns wiederholt und mit dem Ausdruck tiefster Zerknirschung entschuldigte. Es war nicht schlimm – wir waren gut gelaunt und wohl unterhalten. So gegen halb elf bat man uns dann endlich tatsächlich zu Tisch, in einem eher kleinen Speiseraum mit Natursteinmauern und gedämpfter Beleuchtung. Wir entschieden uns für das Fünf-Gänge-Menü (statt des Acht-Gänge-Menüs), entschieden uns für unsere Vor- und Hauptspeise, und bekamen im Laufe der nächsten zwei Stunden Essen serviert, wie ich es brillanter noch nicht erlebt hatte. Wir hatten eine Kaninchenterrine zum Niederknien, butterzarte rosarote Taubenbrust, ein wundervolles und subtiles Hauptgericht mit Heilbutt (ich) bzw. Lammfilet (Judith); wir tranken einen guten Cabernet Sauvignon dazu, ich schwelgte in einer Komposition aus warmer/kalter süßer/salziger Schokolade/Karamel mit einem eleganten Portwein, während Judith Limonencreme und Mandelkuchen mit einem kanadischen Eiswein genoss.

Donda setzte uns um halb zwei wieder vor unserem B&B ab.

Heute Morgen stehen wir trotzdem recht früh auf. Wir müssen abreisen; wir wären gerne noch länger geblieben. Nicky überreicht uns unsere Handschuhe, die wir gestern klatschnass nach Hause gebracht hatten und die über Nacht im Waschkeller kaum trockener geworden sind. Wie es uns gefallen hat, fragt sie; „Perfekt“, antworte ich.

Unser erstes Zwischenziel ist die Talisker-Whisky-Brennerei – die einzige Brennerei auf Skye; jedem Whisky-Liebhaber ein Begriff. Wir haben eine Tour gebucht und ein bisschen Zeit, bevor sie anfängt, aber Carbost, wo sie angesiedelt ist, ist ein eher nichtssagendes Örtchen am Ufer des Loch Harport.

Die Tour durch die Brennerei an sich ist aber hochinteressant. Ich realisiere erst hier, dass der rauchige Geschmack mancher Whiskys buchstäblich daher kommt, dass das Malz über Rauch getrocknet wird – Rauch aus Torf im Fall von Talisker. (Früher wurde der komplette Trocknungsvorgang über Torffeuer durchgeführt. Heute sorgt man anderweitig für Hitze und benutzt den Rauch nur noch um des Geschmacks willen.)

Ich realisiere ebenfalls, dass die ersten Schritte in der Whisky-Herstellung mit denen in der Bierherstellung identisch sind. Tatsächlich ist das erste Zwischenprodukt eine Art Starkbier ohne Hopfen, das dann zweimal destilliert wird und zuletzt für ein paar Jahre in einem Holzfass verschwindet.

Die resolute Frau, die uns den Vorgang kompetent erklärt, führt uns durch die verschiedenen Produktionsbereiche. Ein appetitlicher Geruch hängt in der Luft. Wir sehen den Spirit Safe, durch den hinter (aus steuerrechtlichen Gründen per Vorhängeschloss verschlossenen) Glastüren die gesamte Produktion fließt – ein konstanter Strom kristallklarer Flüssigkeit; aber nicht viel mehr als der Wasserstrom, mit dem man vielleicht eine Badewanne füllen würde, in überraschendem Kontrast mit den gewaltigen Dimensionen der kupfernen Destillierkessel hinter uns.

Zuletzt werden wir zum Lagerhaus geführt. Wir können es leider nicht betreten, aber wir können durch eine Glaswand hineinschauen. In gedämpftem Licht schlummern Fässer über Fässer; auf denen, die uns am nächsten sind, ist in Schablonenschrift die Jahreszahl „1979“ gemalt. Wir erfahren, dass schottischer Whisky fast grundsätzlich in ausgedienten Bourbon-Fässern gelagert wird, die in Einzelteilen aus Amerika nach Schottland verschifft und dort zu Fässern mit etwas größerem Volumen wieder zusammengesetzt werden. Es gäbe dankenswerterweise gute Versorgung mit alten Bourbon-Fässern, erklärt die Frau, denn in den USA muss Bourbon per Gesetz grundsätzlich immer in brandneuen Fässern eingelagert werden – ein Gesetz, das wohlgemerkt der Arbeitsabsicherung amerikanischer Fassbinder entsprungen war, nicht etwa geschmacklichen Erwägungen der Bourbon-Whisk(e)y-Erzeuger. Zwanzig Millionen Fässer Whisky reifen in Schottland zu jeder Zeit heran, schätzt man; Schotten gibt es ungefähr fünf Millionen.

Eine Stunde weiter auf unserem Weg nach Inverness halten wir bei Eilean Donan Castle an. Eine schöne, sehr gut erhaltene Burg auf einem winzigen Inselchen einige zehn Meter im Wasser, wo sich Loch Long und Loch Aish mit Loch Duich treffen.

Der gute Zustand der Burg ist kein Zufall, denn das Gemäuer stammt in seiner heutigen Form aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert. Zuvor hatte die Burg für fast dreihundert Jahre als Ruine darnieder gelegen – schottische jakobitische Aufständler hatten sie im April 1719 besetzt; einen Monat später wurde die Burg von englischen Fregatten nach einem misslungenen Verhandlungsversuch zuerst in Grund und Boden geschossen und schließlich mit dreihundert Fass Schießpulver gesprengt.

1912 erwarb ein Schotte die Ruine, fand einen gleichgesinnten Steinmetz vor Ort, baute sie nach alten Plänen wieder originalgetreu auf und lebte noch ein paar Jahre darin, bevor er starb. Heute gehen wir durch die opulent eingerichteten Räume, in denen er seine letzten Lebensjahre verbrachte.

Nochmal eine Stunde weiter, kurz vor Inverness, steht die Ruine von Urquhart Castle. Zwischenzeitlich ist die Sonne herausgekommen und wirft goldenes Licht auf das alte Gemäuer.

Auch diese Burg wurde von Engländern gesprengt – nicht während, sondern nach dem Ende des Jakobitenaufstands; die englische Besatzung jagte das Torhaus in die Luft, als sie die Burg geordnet verließ, damit sie womöglich nochmal aufkeimenden Jakobitenaufständlern nicht als Festung dienen könnte. Später wurde sie von den Bewohnern der Nachbarorte um ihrer gebrauchsfertig behauenen Steine geplündert. Wir haben einen schönen Blick auf Loch Ness von den Aussichtspunkten, die sich in den Türmen und Gebäuden der alten Burg finden.

Schließlich kommen wir am frühen Abend in Inverness an. Unsere Gastgeberin gibt uns eine Touristenkarte der Stadt und empfiehlt einige Restaurants fürs Abendessen. Wir müssen nur ein paar Minuten laufen, bis wir über eine schwankende Fußgängerbrücke über den Fluss Ness in die kleine Innenstadt von Inverness gelangen.

Wir spazieren an der „Ivy Bar“ vorbei, die sich schottische Tapas auf die Fahnen schreibt – das klingt spannend, also gehen wir rein. Und so gelangen wir heute Abend an ein Craft Beer, an Haggis-Fleischbällchen-Tapas, Black Pudding-Tapas mit Apfel, an Cullen Skink-Tapas mit Sahnehäubchen und noch ein paar mehr. Am Ende bestellen wir noch ein Weiße-Schokolade-Mousse, das ganz fabelhaft präsentiert ankommt.

Ein schöner Konterpunkt zu unserem gestrigen Abendessen.

Skyewalkers: Inverness

Skyewalkers: Fairy Pools und Höhlen

[Maus] Kristallklares Wasser fließt in kleinen Wasserfällen vom Black Cuillins von Becken zu Becken. Kein Wunder, dass man bei diesem Anblick an Feen denkt. Verwunschen wirkt dieser Ort, auch weil Nebelschwaden langsam über die Bergspitzen schweben. Die saftig grünen Berge im Hintergrund der Fairy Pools laden zum Träumen ein. Ich möchte am liebsten in eines dieser blauglitzernden Becken springen und baden. Vermutlich ist das Wasser aber viel zu kalt, um es genießen zu können.

Wir sind heute früh aufgebrochen und taten gut daran, denn auf dem Rückweg zum Auto war es auf dem Parkplatz, der bei unserer Ankunft fast leer war, gerammelt voll und eine Busladung deutscher Schüler kam uns entgegen.

Für den zweiten Teil des Tages hatten wir uns wieder in unsere matschkompatible Klamotte geschmissen, denn wir wollten Höhlen erkunden. Entdeckt hatten wir die natürlich (wie soll es auch anders sein?) durch Geocaching. Der Weg zur Parkkoordinate war schon abenteuerlich: Die Straße ist einspurig und schlängelt sich wild durch die Hügel. Alle paar hundert Meter gibt es Passierpunkte. Michael sprescht mutig voran. Mir ist übel. Die Camas Malag Cave ist unser erstes Ziel.

Der Eingang ist schnell gefunden aber die Beschreibung ist zunächst verwirrend. Stromaufwärts? Stromabwärts? Schließlich kriechen wir durch ein schmales Loch und krauchen auf allen Vieren, bis wir endlich aufrecht stehen können. Vor uns befindet sich ein schmaler Gang, gefüllt mit knöcheltief Wasser. Nach einigen Metern scheint der Endpunkt erreicht und wir suchen nach der Dose. Das Biest hat sich ziemlich gut versteckt, aber wir haben es gefunden.

Die Beinn An Dubhaich Höhle liegt versteckt in den Hügeln. Nach circa 15 Minuten querfeldein kommen wir an der Höhle an. Der Einstieg hat es schon in sich. Drei Meter müssen wir hinab. Halt zu finden an den feuchten Steinen und dem matschigen Untergrund ist schwierig. Fast lande ich auf meinem Allerwertesten (nein, nicht auf Michael), weil ich den passenden Tritt nicht finde. (Deswegen klettert man Berge hinauf und nicht hinab.). Nach einer kurzen Passage, die wir nur gebückt durchqueren können, finden wir einen Gang vor. Eine Schlucht durch die Felsen führt tiefer in die Höhle hinein. Der Cachebesitzer empfiehlt jedoch, die obere Passage zu benutzen.

Auf allen Vieren kraucht Michael voran, ich hinterher. Neben uns die etwa vier Meter tiefe Schlucht. Ich habe fast Muffensausen, reiße mich aber zusammen. Nach wenigen Metern geht es bäuchlings weiter. Der Kram in meinen Jackentaschen behindert mich. Der schmale Kriechgang verbreitert sich wieder und die obere Passage und die Schlucht führen in eine kleine Kammer. Um dort hinzukommen, pressen wir uns durch eine enge Passage. Mein Mut hat mich vollends verlassen. Den Cachecontainer muss Michael allein bergen. Unter ihm wieder ein großes schwarzes Loch und noch nicht einmal richtige Klettergriffe.

Eine Höhle hatten wir noch vor uns. Wir mussten auf Ebbe warten, um zum Eingang gelangen zu können. Die Spar Cave erreichen wir nach einem Abstieg über die Klippen. Wir klettern über die Mondlandschaft mit schroffen Felsen und Algenteppich. Wir haben Glück: Obwohl wir ein wenig zu früh dran sind, ist der Zugang schon möglich. Diesmal müssen wir nicht kriechen.

Kurz hinter dem Eingang stoßen wir auf einen relativ steilen Aufgang. Im Licht unserer Stirnlampen sieht dieser Aufgang rutschig aus, aber man hat erstaunlich guten Halt an der rauhen Struktur. Insgesamt hat dieser Aufstieg geschätzt acht Meter Höhe. Nach zwei Dritteln wird der Aufstieg noch einmal steiler. Oben befindet sich ein Plateau. Von dort aus schauen wir hinunter in den Meerjungfrauen-Pool. Die Höhle ist atemberaubend schön.

Wir steigen langsam wieder hinab und hören plötzlich Stimmen. Eine Gruppe junger Männer hat das selbe Ziel wie wir. Der letzte der Truppe erreicht das Plateau auf dem wir beide gerade noch Fotos schießen und schaut uns an. Große Verwirrung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Er hatte offenbar nicht damit gerechnet, Fremde zu treffen.

Was für ein grandioser Abenteuertag.

Skyewalkers: Fairy Pools und Höhlen

Skyewalkers: The Jacobite

[Maus] Noch immer schmerzen meine Waden, Oberschenkel, Knie und Hüften. Der akute Schmerz ist aber über Nacht weniger geworden. 1344 Höhenmeter in beide Richtungen spürt man als Ungeübter sehr wohl. Doch zum Glück haben wir gut geplant und heute einen recht entspannten Tag gehabt.

The Jacobite, eine Dampflokomotive, wie man sie aus Harry Potter Filmen kennt, führte uns über Glennfinnan und das ebenfalls aus Harry-Potter-Filmen bekannte Glennfinnan-Viadukt nach Mallaig. Michael hatte für uns einen privaten Tisch in der Ersten Klasse gebucht. Wir saßen in am Boden befestigten Ohrensesseln. Nie habe ich komfortabler eine Zugreise unternommen. Es war sogar so gemütlich, dass ich auf der Rückreise eingeschlafen bin. Dabei war ich gar nicht müde – wir hatten eine außerordentlich gute Unterkunft in Fort William und ich war vor dem Weckerklingeln wach. Vielleicht steckte mir aber auch die Erschöpfung vom Vortag noch in den Knochen.

Gemütlich zuckelte der Zug durch eine atemberaubend schöne Landschaft und das beruhigende Dedup-dedup tat sein Übriges, um uns vollständig entspannen zu lassen.

Mallaig selbst war recht unspannend und winzig, aber es handelt sich dabei auch um eine sehr junge Siedlung (Gründung 1840). Für ein leckeres Eis und ein paar Souvenirs gibt es aber genug Gelegenheiten, und so spazierten wir ein wenig herum, besuchten das kleine Museum am Bahnhof (zu dem wir jetzt 12 Monate freien Eintritt haben, weil wir 2 Pfund pro Nase bezahlt haben), genossen die frische Seeluft und warteten auf unsere Rückfahrt.

Ein Afternoon Tea mit Sandwiches, einem Kuchen und Scones mit Clotted Cream und Marmelade rundeten unsere Rückfahrt ab, und nach fünfeinhalb Stunden Zugabenteuer waren wir zurück in Fort William.

Nun  stand noch eine dreistündige Fahrt zu unserer Unterkunft auf der Isle of Skye an. Obwohl ich als Fahrer die Landschaft nicht so gut genießen kann wie als Beifahrer, hatte ich einen Ohhhhhhhh-Moment nach dem anderen. Dramatische Wolken, durchdrungen von gleißendem Sonnenlicht. Am Boden Sonnen- und Schattenspiel in den Tälern, Bergen und Löchern (Lochs? Lochen?). Einziges Manko: die vielen Kurven. Ich bin noch nie in den Bergen gefahren, und ich fand es furchtbar anstrengend, drei Stunden lang Kurven zu fahren. Großes Plus: ich war der Fahrer und mir war kein bisschen schlecht trotz der ganzen Kurverei.

Zum Abschluss des Tages gab es noch mehr Haggis, diesmal als Füllung im Hühnchen zusammen mit Black Pudding vermischt mit Kartoffelbrei. Delicious.

PS: Opa Rodenwald ist offenbar nach Dunvegan gezogen. Michael hat seinen Bären gefunden.

Skyewalkers: The Jacobite

Was vom Haare übrig blieb

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[Mych] „Es ist so heiß hier drunter“, beschwerte sie sich. „Es ist so, als würde ich ständig einen Helm tragen.“

Den Friseur in fußläufiger Nähe, den sie im Internet gefunden hatte („Attractions Hair & Beauty“), fanden wir einfach nicht. Aber gegenüber — direkt neben dem Pub, an dem ein großes Stofftransparent jemandes Hochzeit verkündete — sahen wir ein attraktives Ladenschild für „Annette’s Hair & Beauty“. Nicht die, die wir gesucht hatten, aber ähnlich genug. Kein Ladengeschäft, sondern offenbar ein Studio im ersten Obergeschoss des Hauses.

Als wir uns an der Hauswand entlang in Richtung Eingang drückten, kam uns schon eine junge Frau entgegen, die uns nett anlächelte und ein bisschen nach Friseurin aussah. Drinnen ging’s eine enge Treppe hoch, die in einem winzigen Flur mit einer Garderobe mündete. Hinter einer der Türen war entspannte, fröhliche Konversation zu hören. Es dauerte nur einen Moment, bevor jemand uns bemerkte.

Annette erwies sich als sympathische Dame mittleren Alters. Judith hatte natürlich keinen Termin, aber — „Sie haben Glück. Normalerweise würden wir am Samstag niemanden mehr dazwischen quetschen können, aber heute waren wir alle besonders früh da, weil wir die Braut und ihre Jungfern zurecht gemacht haben. Ich hab meine Mädels schon nach Hause geschickt, aber eigentlich haben wir tatsächlich noch bis zwei offen. Setzen Sie sich — ich schneid‘ Ihnen die Haare gerne noch.“

Und dann ging’s los. Judith hatte Bedenken gehabt, wie sie beim Friseur wohl rüberbringen sollte, was für eine neue Frisur sie haben wollte, also hatte sie ein Foto aus dem Internet ausgedruckt und mitgebracht. Das Foto war nützlich, aber tatsächlich stellte sich die Kommunikation mit der netten Dame als völlig problemlos heraus. Während sie wusch, rasierte und schnitt, beobachtete ich Judiths Transformation fasziniert und nippte an meinem Kaffee, den man uns angeboten hatte. Beim Pub nebenan, auf dessen Fronteingang man einen guten Blick vom Haarstudio aus hatte, fuhr irgendwann ein Sattelschlepper mit einer Entourage von Motorrädern vor und gab einen Bräutigam, eine Braut und eine erstaunliche Anzahl von Brautjungfern von sich.

Wieder zu Hause: Fototermin.

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Die viele Dreherei macht Judith natürlich ganz mau im Kopf. Aber ganz abgesehen davon kann man auch sonst mit ihrer neuen Frisur ’ne Menge Spaß haben …

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Was vom Haare übrig blieb

Bei Ritters zu Haus

[Maus] Wir leben schon längere Zeit am Rande des Warwickshire, aber ein Ausflug zum berühmten Warwick Castle stand immer noch an. Es bot sich die Gelegenheit für einen solchen Ausflug, als wir Besuch aus der Heimat bekamen.

Wirft man einen Blick auf die Website des Warwick Castle, fällt einem sogleich ins Auge, dass eine gewisse Ähnlichkeit zu einer bestimmten Sorte Attraktion besteht – die Website schreit einem entgegen: „Willkommen im Themenpark Mittelalter!“ So ein Themenpark hat ja üblicherweise auch saftige Preise, und der Anschlag an der Kasse bekräftigte diese Theorie nur. Stolze £24 pro Nase wollen sie für einen Eintritt ohne zusätzliche Attraktionen. (Ich komme später noch auf einige von denen zurück.)

Ich höre hier übrigens nur selten jemanden das Wort pound benutzen, wenn es darum geht, wieviel etwas kostet. Statt dessen sagt man hier quid – lateinisch für „irgendwas halt“.

Zu unserem Glück mussten wir jedoch keine £24 pro Person hinblättern, denn wir hatten 2-for-1 Vouchers: Gutscheine, mit denen zwei Personen für den Preis für eine Eintritt erhalten. Die hatten wir von unserem nahegelegenen Supermarkt in Form eines Aufdrucks auf der Rückseite unserer Kassenbons bekommen. Dieser Preis schien mir dann insgesamt auch angemessener.

Tatsächlich bekommt man Einiges geboten für sein Geld. Wir begannen unsere Schlosstour mit einem kleinen Imbiss, und dann gingen wir zu einer Greifvogelflugvorführung (so ein schönes langes Wort kann man nur im Deutschen kreieren).

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Überall auf dem Gelände befinden sich kleine Stände, an denen man für kleines oder großes Geld seine Kinder beglücken kann. So kann man beispielsweise Bogenschießen üben oder seiner Tochter eine pinkfarbene Ritterkluft kaufen, aber für Ersteres fehlte uns die Zeit, und für Letzteres die rosa Tochter. Statt dessen stiegen wir auf die vorhandene Burgmotte (Ethelfledas Hügel), die dazu diente, Angreifer rechtzeitig auszumachen. Von dort aus hat man zur einen Seite blickt man über den Burghof, und in der anderen Richtung hat man einen herrlichen Blick auf die sanften Hügel der Umgebung – und auf das größte funktionsfähige Trebuchet der Welt.

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Unsere selbstgewählte Tour führte uns nun in eine Ausstellung mit dem Namen „The Kingmaker“ – benannt nach Richard Neville, Earl von Warwick, der seinerzeit gleich zwei englischen Königen zum Thron verholfen hatte. Die ganze Burg wird von Wachsfiguren bevölkert, die so wirken, als würde man sie gerade bei ihren alltäglichen Verrichtungen beobachten – untermalt von ihren Gesprächen und Diskussionen, als würde man durch einen belebten Haushalt wandern. Mit sehr viel Liebe zum Detail wird da das Leben in der mittelalterlichen Burg nachgestellt. Michael entlieh sich von einem Rüstungsschmied einen frisch reparierten Helm, der zwar schwer was hermachte, aber irgendwie offenbar nicht ganz einfach in der Benutzung war:

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Mein Vater mischte sich so gut unters Burgvolk, dass man im ersten Augenblick nicht erkannte, dass er nicht auch aus Wachs ist. (Oder ist das einfach seine perfekte Haut?)

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Ein weiteres Highlight war die mittelalterliche Latrine, die von Michael getestet wurde. Ein Blick unter den Toilettendeckel gewährt einen Blick auf den Fluss, der unter der Burg entlangfließt.

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Das nächste Ereignis auf unserer Tour war eine Führung in einem weiteren Teil des Schlosses. Ein sehr enthusiastischer junger Mann mit einem Tablet-PC weihte uns in alle Geheimnisse und die Historie des Gemäuers ein. Unter den dargebotenen Gegenständen befanden sich ein beeindruckender Büfetttisch, der in einem Stück aus einem gewaltigen Baumstamm herausgeschnitzt worden war, und zahlreiche (passend gemachte) Originalgemälde von Anthony van Dyck sowie riesige handgeknüpfte (und später ebenfalls passend gemachte) Bilderteppiche aus Delft. Die Besitzer müssen so unglaublich reich gewesen sein, dass es ihnen schlicht egal war, wieviel Mühe in diesen Kunstwerken steckte.

Weiter ging es zum Guy’s Tower, einem Teil der Verteidigungsanlage. Man erreicht die Aussichtsplattform über eine schwindlig machende enge Wendeltreppe, die einem endlos erscheint, aber deren Erklimmung durchaus der Mühe wert ist, denn oben wird man mit einem einzigartigen Ausblick über Warwick belohnt.

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Wir setzten unsere Erkundungstour an der Wassermühle fort. Vor dort kann man direkt ins Land der Riesen hinüberschauen und sich vorstellen, Gulliver persönlich werde sogleich zwischen den Blättern des Riesenrhabarbers hervortreten.

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Die Mühle mahlte ursprünglich jahrhundertelang Getreide (und ermöglichte dem Müller seinen branchenüblichen Nebenverdienst als Aalfänger), wurde aber im 19. Jahrhundert für die Erzeugung von Strom aufgerüstet, so dass sogar fließend warmes Wasser verfügbar war. Nachdem wir uns an der herrischen Ausbilderin für Dienstpersonal vorbei geschlichen hatten, begegneten wir auf dem Weg zur Trebuchet-Vorführung dann auch noch dem an der Wassermühle beschäftigten Schornsteinfegerjungen.

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Das Trebuchet von Warwick ist, wie ich bereits schrieb, voll funktionsfähig und im Eintrittspreis mit inbegriffen ist eine Vorführung desselben. Zwei seitlich angebrachte Laufräder dienen dazu, das Gewicht anzuheben und damit die Schleuder zu spannen. Die wackeren Verteidiger, die das ganze Geschehen kommentierten, zündeten zuletzt noch das Geschoss an und lösten dann das Trebuchet aus, das den lodernden Feuerball in hohem Bogen den angreifenden Truppen entgegen schleuderte – beeindruckend, sowas mal nicht nur auf der Leinwand zu sehen.

Wer nach all diesen Attraktionen noch nicht genug und auch noch Geld locker hat, kann sich außerdem noch ins Dungeon begeben, mit seiner Tochter in den Princess Tower gehen oder sich in die geheimen Räume des Schlosses führen lassen.

Bei Ritters zu Haus

Ich bin zu alt für so viel Party

[Maus] Als Michael noch in Frankfurt war, hat er über einen Freund zu Round Table Hanau Kontakt aufgenommen. Die Tabler sind junge Männer bis 40 Jahre, die sich gemeinsam für soziale Projekte engagieren und ganz nebenbei Kontakte zu vielen verschiedenen Leuten knüpfen. Diese Organisation kommt ursprünglich aus dem Vereinigten Königreich, ist aber inzwischen in  ganz Europa verbreitet. Innerhalb eines Landes werden in der Reihenfolge der Gründungen Nummern vergeben, und so kam es, dass der Round Table in Hanau die Nummer 74 bekam.

Vor einer Woche sind wir dann zu einem Treffen nach Warrington gefahren, bei dem sich die Round Tables mit der Nummer 74 aus Warrington, Hanau, Faxe und Lyngdal, sowie einige andere Tabler aus England mit der Nummer 174 getroffen haben. Ich hatte ja keine Ahnung, auf was ich mich da eingelassen hatte — aber um es mal vorwegzunehmen: Es war sehr lustig.

Am Donnerstag nach der Arbeit bin ich direkt zum Bahnhof gefahren, um dort Michael und unseren Koffer zu treffen. In einem völlig überfüllten Zug mit einem fehlenden Wagen sind wir also anderthalb Stunden nach Warrington gefahren und wurden von unserem Gastgeber, Neil, am Bahnhof abgeholt.

Alle Gäste waren bei Tablern untergebracht, und unsere Gastgeber waren ausgesprochen nett. Neil und Rachael haben ein großes und sehr hübsch eingerichtetes Haus und drei sehr wohlerzogene Kinder — zwei Mädchen und einen Jungen (der Jüngste), also praktisch wie bei mir. Außerdem war auch noch Christian aus Faxe bei Ihnen untergebracht. Gemeinsam sind wir zum Haus eines anderen Tablers gegangen, um dort gemeinsam zu Abend zu essen. Dort trafen wir auch auf den bereits erwähnten Freund aus Hanau. Es wurde ein feuchtfröhlicher Abend mit Mädchenwhiskey aus Dänemark und Bagpiper aus Indien (der war allerdings zum Abgewöhnen).

Nach einer kurzen Nacht sind wir um 9:30 Uhr zu einem Ausflug nach Liverpool aufgebrochen. Leider war nicht viel Gelegenheit, sich Liverpool anzuschauen, denn wir hatten ein straffes Programm.

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Das begann mit einem Besuch des Beatles-Museums, das wir nicht ganz bis zum Schluss erkunden konnten, denn es war im Anschluss ein Mittagessen in den Philharmonic Dining Rooms geplant. Es gab ganz traditionell Fish and Chips, was zwar nicht gerade mein Lieblingsessen ist, aber durchaus essbar war.

Kaum war das Essen verputzt, ging es weiter zur Kathedrale von Liverpool, die noch ziemlich jung ist, dafür aber umso beeindruckender. Erst 1904 war Grundsteinlegung und dann wurde in Etappen gebaut, bis im Jahre 1978 das Gebäude entgültig fertiggestellt war.

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Der Tag endete mit einer Party, die unter dem Motto „It’s magic“ stand. Viele waren passend zum Motto gekleidet und es gab einen kleinen Wettbewerb, bei dem jedes Land einen kleinen Sketch zum Thema aufführte. Es gab jede Menge toller Zaubertricks, die die Welt zuvor noch nie gesehen hatte — mein Favorit war der Bier-verschwinde-Trick. Nach jeder Menge lauter Musik und Alkohol kroch ich müde ins Bett, um nach sechseinhalb Stunden Schlaf wieder aufzustehen.

Michael und ich verbrachten den Vormittag getrennt. Ich war mit den Ladies auf Bootstour am Anderton Boat Lift mit anschließendem Afternoon Tea und Michael war, glaube ich, auf Sauftour mit Anzug. Genaueres zu Michaels Aktivitäten erfragt ihr am Besten bei Ihm. Jedenfalls hätten wir beide schon am Vormittag betrunken sein können. Ich konnte mich aber gerade noch so zurückhalten und Michael schien auch noch ziemlich nüchtern zu sein, als ich ihn am Nachmittag traf.

[Mych] Mein Vormittag begann mit einem launigen so genannten Business Meeting der Männer, das im altehrwürdigen Gerichtssaal in der Polizeistation von Warrington stattfand — komplett mit Roben und Perücken der drei Vorsitzenden. Kernpunkt waren die Berichte der anwesenden Tische über ihren Aktivitäten des vergangenen Jahrs (über das ganze Spektrum zwischen „sozial engagieren“ und „engagiert feiern“) — und die berührende Rede eines der ältesten Anwesenden, der vor einem halben Leben den ersten Tisch dieses erlauchten Kreises gegründet hatte und nun mit Zufriedenheit und Stolz auf das blicken konnte, was im Laufe der letzten vierzig Jahre daraus geworden war.

… nein, das stimmt eigentlich nicht. Mein Vormittag begann tatsächlich etwa eine Stunde zuvor im Red Lion Inn, wo mir mit einer List mein erstes Bier des Tages aufgenötigt wurde. („Wasser? Nein, das schenken die hier nicht aus.“) Und so ähnlich ging es bei und nach unserem Mittagessen weiter — wohlgemerkt alles auf Kosten unserer Gastgeber. Nicht etwa, dass es vor und bei unserem Gala-Dinner anders zugegangen wäre …

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Die Damen kamen dann etwas später am Nachmittag zu dem netten Restaurant am Kanal, in dem wir zu Mittag gegessen hatten.

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Unser Pub Crawl hatte uns Männer geografisch nicht allzu weit gebracht, also war es kein Problem, Judith zum Red Lion Inn zu lotsen, bei dem wir (erneut) gestrandet waren, bevor es dann zur Vorbereitung aufs große Gala-Dinner nach Hause ging.

[Maus] Die Bootstour war eigentlich nur deshalb spannend, weil wir mit einem Schiffshebewerk eine Stufe nach unten transportiert worden sind. Aber der Anderton Boat Lift ist im Vergleich zum Schiffshebewerk in Niederfinow winzig. Die verbauten Materialien des Anderton Boat Lift stammen zu einem großen Teil aus Deutschland. Na ja, das sagt wohl alles. 😉

Afternoon Tea

Unseren Afternoon Tea haben wir in einer Teestube eingenommen und neben einer riesigen Auswahl verschiedener Teesorten gab es eine Étagère mit leckeren Sandwiches, die prima den konsumierten Alkohol aufsaugten, und einer leckeren Kuchenauswahl. Das Highlight dieses Fressgelages waren aber ofenfrische Scones mit Marmelade und clotted cream. Auf dem Gelände, auf dem diese Teestube stand, gab es außerdem zwei Alpakas, zwei Esel, diverse Vögel und ein äußerst sympathisches Schwein. Ich hätte dort auch den ganzen Tag verbringen und mit dem Schwein spielen können.

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Viel Zeit zum Erholen blieb nicht, denn ein Galaabend stand an. Der Schlafmangel und das straffe Programm zollten ihren Tribut. Ich hing nach dem Abendessen total in den Seilen und hoffte nur noch, dass ich bald schlafen gehen kann. Der Sonntag war ein verlorener Tag, da wir beide völlig übermüdet waren. Aber schön war es trotzdem und ich freue mich schon auf das europäische jährliche Treffen der Round Tabler in Hanau nächstes Jahr.

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Ich bin zu alt für so viel Party